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Jüngst setzte Harry Nick dort einen Akzent, der zu Robert Kurz den äußersten Gegensatz darstellt: »Jeder, der arbeiten kann und will, könnte eine existenzsichernde Arbeit erhalten. Das Sozialsystem könnte trotz sich ändernder Alterspyramide der Bevölkerung erhalten werden. Und das alles in dieser Welt und nicht erst in einer jenseits von Marktwirtschaft und Kapitalismus.« Frappierend, schrieb Nick, sei aber »der Umstand, daß eindeutige Nachweise, dass das möglich wäre, kaum ins öffentliche Bewußtsein gelangen? Die politische Sisyphusarbeit beginnt beim richtigen Benennen der Verhältnisse, beim Benennen des verbalen Mülls. Es müssen die einfachen Fragen ans Licht geholt werden...« In der Tat, das Land ist nach Klassenlage klassengespalten, nicht Rationalität ist gefragt, aber ideologische Interessenvertretung, das Resultat sind Sklavensprachen, die vernebeln, komplizieren, verwirren. Eine Gruppe nach Partei und Status ungebundener Analysten könnte mit geradezu mathematischer Präzision die Realisierbarkeit des Nick'schen Programms untersuchen (dessen Einzelpunkte aufmerksamen Zeitungslesern nicht fremd sind); gelangten sie, was ziemlich sicher wäre, zur Akzeptanz der zwölf Punkte, fänden sich mit Sicherheit so viele bourgeoise Gegner, daß alles scheiterte. Genau dies ist der Fakt, bei dem Robert Kurz gegen Harry Nick siegt. Nick erklärt ausdrücklich, seine Vorschläge seien »von dieser Welt«. Gemeint ist, es bedarf dazu keiner Systemänderung, man verbliebe in »Marktwirtschaft und Kapitalismus«. Kurz hält das für unmöglich und hat insofern recht, als das Nick'sche Programm von den bürgerlichen Parteien nicht als marktwirtschaftlich akzeptiert, sondern als Sozialismus verteufelt und verhindert würde. Der Sozialdemokratie wiederum fehlen Wille und Energie, es zu vertreten. Sie wird von den Meinungsmachern nicht als bürgerliche Partei bewertet, ist es aber in solchem Maße, daß sie eine systemimmanente, jedoch wirksam einschneidende Reform scheut. So entsteht jene komplette Unreformierbarkeit, die von Bürgerlichen und Sozialdemokraten gemeinsam beklagt und zugleich garantiert wird. Nun hätte die PDS Nicks Programm im Parlament vertreten können, wäre sie nicht mangels Chuzpe, strategischer Energie und Phantasie rausgeflogen, vom Restbestand zweier couragierter Frauen abgesehen, deren Wirkungsmöglichkeit den Symbolstatus nicht überschreitet. Allerdings erschien gerade jetzt bei VSA in Hamburg das Buch »Eine zweite Chance – Die SPD unter dem Druck der ›Globalisierung‹« von dem protestantischen Sozialdemokraten Edelbert Richter. Der vormalige Thüringer Bürgerrechtler, der dieser Bezeichnung weiterhin treu zu sein versucht (und Ossietzky-Lesern auch als Autor bekannt ist), beklagt nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag die notorische Statistenrolle der Bundestagsmitglieder, denn »dann stimmt etwas an der parlamentarischen Demokratie nicht mehr, und dann bleibt mir nur noch das öffentliche Wort«. Richter zählt darauf, gehört zu werden, nachdem er als MdB unerhört blieb, was seinen Optimismus nicht gerade materiell unterfüttert. Tatsächlich dürfte ein Drittel der SPD-Fraktion von Hermann Scheer bis Ludwig Stiegler Richters Denkweise nahestehen. Früher wären hier auch Scharping, Struck und Lafontaine zu nennen gewesen, was die Kalamität bezeichnet. Mit der Karriere ändert sich die werte Seele: Die beiden ersteren sind dem zwiegesichtigen Gott Janus verpflichtet, der dritte stieg, um sich zu bewahren, aus. Dies ist die Crux der Realität: Mann ist nicht Mann, aber seine Entzweiung. Wer sich für die Karriere entscheidet, wird ein anderer und entfremdet sich von seiner vorherigen Gestalt. Richter weiß Bescheid und faßt hier sein Wissen und Wirken zusammen – von der Ökonomie bis zu Krieg und Frieden. Dem Marxisten scheint manches, was da gesagt wird, ein wenig umständlich, dem linken Oppositionellen zu zahm. Das betrifft nicht Richters Resultate, die in Richtung der zwölf Punkte von Harry Nick liegen. Allerdings können Richter wie Nick nicht mehrheitsfähig werden im Lande der verordneten Sklavensprache, wo mediale Hampelmänner an den Strippen ihrer Besitzständler zappeln. »Feudalismus in neuer Gestalt?« fragt Richter und konstatiert die »Sackgasse« der Vereinigungspolitik und -wirtschaft: »Denn die DDR war weder ›bankrott‹, noch war das Produktivkapital, das sie hinterließ, ›alles Schrott‹«. Am Ende konstatiert er »Defizite in der Selbstbehauptung Europas«, fordert eine »neue Weichenstellung«, agiert gegen den »Druck, der von der neuen amerikanischen Führung ausgeht« und spricht glattweg von der falschen »Tendenz, vom Recht weg nach rechts zu gehen«. Diese Schrift durchzieht ein Hauch frischen, lutherischen Wartburg-Windes: Mönchlein, Mönchlein, du gehst einen schweren Gang, du wirst kuschen müssen, willst du nicht aus deiner SPD gefeuert werden. Warum fällt mir da nur Wolfgang Ullmann ein, der das 21. Jahrhundert als ein »Jahrhundert des Pazifismus« ausrief, während der US-Präsident begann, die Welt unter den Stiefel des Kriegskapitalismus zu nehmen, des höchsten Stadiums des Fordismus. Jedem, der anders will, eine Rakete aufs Dach und eine Kugel in die Stirn, das ist die Antwort der gutgeölten Bush- und Blitzkrieger auf die guten Worte der Ullmann und Schorlemmer und auf die klugen Ratschläge von Harry Nick, Robert Kurz bis Edelbert Richter. Seit die Reform des Sozialismus mißlang und die Kommunisten abtraten, gilt das eherne Gesetz des Kriegskapitalimus, der nun seinen alten Erzfeind Marxismus durch den neuen Erzfeind Islam ersetzen muß, denn ohne Todfeindschaft geht die Chose nicht. Edelbert Richter: »Eine zweite Chance? Die SPD unter dem Druck der ›Globalisierung‹«, VSA Verlag, 300 Seiten, 15.50 €
Erschienen in Ossietzky 2/2003 |
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