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Geschrieben hat den Satz über das vielfach Beschriebene Haug von Kuenheim, seit vielen Jahrzehnten graue Eminenz der Zeit – und so gewinnt dieses Diktum einen sehr eigenen Charme. Denn von Kuenheim war schon immer ein Mann des Vertrauens, eines ganz besonderen Vertrauens etwa des ehemaligen Hamburger Verfassungsschutzpräsidenten Hans Josef Horchem. Der war ein exzellenter Extremist im öffentlichen Dienst, verdächtigte öffentlich seine höchsten Vorgesetzten, Bundeskanzler Willy Brandt und Bundesinnenminister Gerhart Rudolf Baum, als Weicheier. Er war aber auch Schöpfer eines umfassenden Sicherheitsdienstes, der nicht nur Hafenarbeiter und Studenten, sondern auch Bäcker, Metzger und Warenhausverkäuferinnen überwachte – und wer einmal gegen die NPD demonstrierte und deshalb entlassen wurde, konnte achtzig Bewerbungsschreiben fortschicken, er wurde dank des effektiven Verfassungsschutzes von keiner Hamburger Firma wiedereingestellt. Dieser Horchem nun unterhielt in seiner repräsentativen Villa am Schwanenwik einen regelmäßigen Treff, bei dem er Hamburger Journalisten mit Agenten zusammenbrachte – »briefing« nannte er das. Nach Horchems Aufzeichnungen, die mir vorliegen, waren von der Zeit die heutige Chefreporterin Nina Grunenberg und eben Haug von Kuenheim dabei. Und der hätte nach diesen Aufzeichnungen gern auch Horchem nach dessen Ausscheiden aus dem Dienst für die Zeit gewonnen, doch der Spezialist hatte da schon einen Vertrag mit Springer. Haug von Kuenheim also, der Vielerfahrene, schreibt heute, daß das Mitmischen höherer SS-Chargen beim Spiegel schon vielfach beschrieben wurde. Zeit-Leser wissen da sehr viel weniger. Es war 1992, als ich, durch eine leichtsinnige Äußerung Augsteins über Stasi-Chef Mielke und den unbedingten Aufklärungswillen des Spiegel aufmerksam geworden, entdeckte, was den Spiegel in seinen frühen Jahren zusammenhielt: die SD-Chargen aus Reinhard Heydrichs Reichssicherheitshauptamt. Im Auftrag des Zeit-Feuilletons schrieb ich darüber einen langen Artikel, der vom Ressortleiter akzeptiert wurde. Doch dann kam der Chefredakteur, Theo Sommer (heute laut Zeit-Impressum deren »Editor-at-Large«, was die Internet-Suchmaschine google mit »Redakteur-an-groß« nicht schlecht übersetzt). Sommer sagte »Nein«, denn man könnte so etwas – aber das war übertrieben – auch über die Vergangenheit der Zeit schreiben. Mein Artikel erschien in konkret, Zeit-Leser erfuhren davon nichts. Fünf Jahre später bot Lutz Hachmeister rechtzeitig zum 50-Jahre-Jubiläum des Spiegel der Zeit wiederum einen Artikel über die Vergangenheit des »deutschen Nachrichtenmagazins« an. Hachmeister, damals Chef des Grimme-Instituts, hatte eine Habilitationsschrift über den Zeitungswissenschaftler Franz Alfred Six geschrieben, der als Chef des Vorkommandos Moskau der Einsatzgruppe B jüdische Intellektuelle liquidierte. In einem Exkurs über die Frühgeschichte des Spiegel bestätigte und erweiterte er, wofür ich sehr dankbar bin, meine zuvor in konkret veröffentlichten Erkenntnisse über die Spiegel-Ressortleiter Georg Wolf und Horst Mahnke, beide Mitarbeiter von Six; Mahnke war als Six-Adjutant auch beim Massenmord im Osten dabeigewesen. Jetzt, 1997, hätte die Zeit die Erkenntnisse über die Frühgeschichte des Spiegel also aus der Hand eines Wissenschaftlers haben können. Doch der nunmehrige Chefredakteur Robert Leicht, ein zuweilen sehr ängstlicher Mensch, heute »Politischer Korrespondent« der Zeit, sagte auch wieder »Nein«. Im Juni 2002 erschien meine Augstein-Biografie, in der ich ausführlich auf die SD-Geschichte des Spiegel einging. Daß im Ausland die Neue Zürcher Zeitung wie das Svenska Dagbladet, das Wiener Profil wie die Neue Luzerner Zeitung das Buch besprachen, war fast ebenso selbstverständlich wie das Schweigen von Zeit und Spiegel (der wies in Zeiten der Anzeigennot selbst eine bezahlte Annonce des Verlags zurück). Da ist es schon ein kleines Wunder, daß die Zeit jetzt wenigstens Hachmeisters Sammelband, in dem er in seinem Aufsatz über den Spiegel seine früheren Forschungsergebnisse noch einmal zusammenfaßt, endlich knapp zur Kenntnis gibt und aus dem Mund ihres besonderen Vertrauensjournalisten versichert, das alles sei schon diverse Male beschrieben worden. In der Zeit nicht. Dort schrieb 1997 zum Spiegel-Jubiläum (damals, als auch Hachmeisters Artikel abgelehnt wurde) einer ihrer besten und einflußreichsten Journalisten, Gunter Hoffmann, der Spiegel habe »nach 1949 das Land von NS-Tätern reinigen wollen«, so wie »er nach 1989 die DDR von Stasi-Mittätern zu säubern« versucht habe. Doch der Spiegel selbst macht so etwas auch nicht schlechter als die Zeit. Im Juni, als mein Buch erschien, erklärte er dem 3sat-Magazin Kulturzeit: »Otto Köhler, ehemaliger Spiegel-Mitarbeiter, hat in seinem Buch über Rudolf Augstein weitgehend Bekanntes aufgeschrieben. Soweit wir sehen können, sind die Fakten im wesentlichen richtig.« Kurz zuvor im Mai besprach der für »Zeitgeschichte« zuständige Spiegel-Redakteur Klaus Wiegrefe auf zwei Seiten ein Buch des Historikers Michael Wildt über das Reichssicherheitshauptamt (»Generation des Unbedingten«, Hamburger Edition, 964 Seiten, 40 Euro). Aus der dicken Untersuchung nahm der Spiegel für seine Besprechung eine Episode heraus: daß »die jüdische Philosophin und Holocaust-Forscherin Hannah Arendt von einem früheren SS-Obersturmbannführer betreut« wurde. Es handelte sich um den »ehemaligen Kollegen Eichmanns aus dem Reichssicherheitshauptamt« (Spiegel), Hans Rössner, der unerkannt Cheflektor des Piper-Verlags geworden war. »Kein Ruhmesblatt«, zitierte der Spiegel den heutigen Verlagschef. Und vermerkte genüßlich, daß der Piper-Lektor, der Hannah Arendt betreute, 1940 zum Reichssicherheitshauptamt kam, »der Terrorzentrale, die den Holocaust organisierte«. Daß ihm dort nicht nur Eichmann immer wieder über den Weg laufen konnte, sondern auch die späteren Spiegel-Ressortleiter Horst Mahnke und Georg Wolff sowie viele andere spätereSpiegel-Mitarbeiter, darauf verschwendete der Spiegel-Zeitgeschichtler kein Wort.
Erschienen in Ossietzky 2/2003 |
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