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Zeitgleich reagierten die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Frankfurter Rundschau – nicht indem sie die Stellungnahme wiedergaben, sondern mit Glossen, die sich dem Inhalt der Äußerungen von Grass fernhielten und sich stattdessen über Modalitäten mokierten: Ist ein Nobelpreisträger sich nicht zu schade, die Dienste einer Presseagentur in Anspruch zu nehmen? Warum schreibt er etwas über Öl und Blut – fällt ihm nichts Originelles ein? Und muß denn ein so berühmter Mann »im Chor singen« (gemeint: dem der Kriegsgegner)? Günter Grass, so darf man annehmen, hätte gnädigen Beifall bei den Glossisten gefunden, wenn er der FAZ oder der FR einen Exklusivbeitrag geschrieben hätte mit bisher noch nicht geläufigen Argumenten zur Rechtfertigung der Absichten von George W. Bush. Im Wortlaut abgedruckt wurde Grass' Stellungnahme in der Springer-Zeitung Die Welt. Da wir nicht annehmen, daß die Ossietzky-LeserInnen allesamt diese Tageszeitung lesen, dokumentieren wir einige Abschnitte: Dieser drohende Krieg ist gewollt. In planenden Köpfen, auf den Börsen aller Kontinente, in wie vordatierten Fernsehprogrammen findet er bereits statt. Der Feind als Zielobjekt ist erkannt, benannt und eignet sich, neben anderen noch zu erkennenden und benennenden Feinden auf Vorrat, für die Beschwörung einer Gefahr, die alle Bedenken nivelliert. Wir kennen die Machart, nach der man sich einen Feind, sollte er fehlen, erfindet. Bekannt ist gleichfalls jene bildgesättigte Spielart des Krieges, nach der zielgenau daneben getroffen wird. Geläufig sind uns die Wörter für Schäden und Verluste an Menschenleben, die als unvermeidbar hinzunehmen sind. Es ist uns üblich geworden, daß nur die relativ wenigen Toten der herrschenden Weltmacht gezählt und betrauert werden, während die Masse der toten Feinde samt deren Frauen und Kindern ungezählt bleibt und keiner Trauer wert ist. Also warten wir auf den Wiederholungsfall. Diesmal sollen neue Raketensysteme noch genauer danebentreffen. Ein uns als Bildauswahl vertrauter Krieg droht. Weil wir seine vom detaillierten Schrecken gesäuberte Bilderflut kennen und auch die Fernsehrechte an den uns bekannten Sender der drei abkürzenden Buchstaben vergeben sind, erwarten wir eine Fortsetzung des Krieges als Seifenoper, unterbrochen nur von Werbespots für friedliche Konsumenten. Am Rande geht es zur Zeit allenfalls darum, wer beim schon stattfindenden kommenden Krieg lautstark oder halbherzig mitmacht oder nur ein bißchen dabei sein mag, wie die Deutschen, denen zwangsläufig das Kriegführen vergangen ist oder sein sollte. Gegen wen wird dieser Krieg, der so tut, als drohe er nur, geführt? Es heißt: gegen einen schrecklichen Diktator. Aber Saddam Hussein war, wie andere Diktatoren auch, einst Waffenbruder der demokratischen Weltmacht und ihrer Verbündeten. Stellvertretend – und mit Hilfe des Westens hochgerüstet – führte der Irak acht Jahre lang Krieg gegen den Iran, weil im Nachbarland des Diktators ein Diktator herrschte, der dazumal Feind Nummer eins war. Aber, heißt es weiter, Saddam Hussein verfügt – was nicht bewiesen ist – mittlerweile über Massenvernichtungsmittel. Das sagt der Westen, der – was zu beweisen wäre - über Massenvernichtungsmittel verfügt. Zudem wird versprochen: Nach dem Sieg über den Diktator und sein System soll im Irak die Demokratie eingeführt werden. Doch die dem Diktator benachbarten Länder Saudi-Arabien und Kuwait, die dem Westen verbündet sind und ihm als militärische Aufmarschbasis dienen, werden gleichfalls diktatorisch beherrscht. Sollen diese Länder Ziel der nächsten demokratiefördernden Kriege sein? Ich weiß, diese Fragen sind müßig; die Arroganz der Weltmacht gibt Antwort auf jede. Doch jedermann kann wissen oder ahnen, daß es ums Öl geht. Oder genauer: Es geht wiederum ums Öl. Das Gespinst der Heuchelei, mit dem die zuletzt verbliebene Großmacht und der Chor ihrer Verbündeten ihre Interessen zu verdecken pflegen, ist im Laufe der Zeit so verschlissen, daß sich das Herrschaftsgefüge nackt zeigt: schamlos stellt es sich dar und gemeingefährlich in seiner Hybris. Der gegenwärtige Präsident der USA gibt dieser Gemeingefährlichkeit Ausdruck. Ich weiß nicht, ob die Vereinten Nationen standhaft genug sind, dem geballten Machtwillen der Vereinigten Staaten von Amerika zu widerstehen. Meine Erfahrung sagt mir, daß diesem gewollten Krieg weitere Kriege aus gleichem Antrieb folgen werden. Ich hoffe, daß die Bürger und die Regierung meines Landes unter Beweis stellen werden, daß wir Deutschen aus selbstverschuldeten Kriegen gelernt haben und deshalb Nein sagen zu dem fortwirkenden Wahnsinn, Krieg genannt. Das Feuilleton der Frankfurter Rundschau hat inzwischen noch einmal nachgelegt und erklärt, weshalb »der moralisch-politische Aplomb« des »Großschriftstellers« Günter Grass beim Glossisten keine Gnade fand: »Moral kann eine Feindin der Freiheit sein, das zur Zeit übermächtige Unschuldsverlangen führt geradewegs in die Politikunfähigkeit.« Hingegen hätten der US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und der britische Außenminister Jack Straw gerade eben ihre Politikfähigkeit bewiesen – durch den Vorschlag, den Abgang Saddam Husseins ins Exil zu dulden, obwohl der Mann doch Schlimmeres verdient hätte. Ein solcher Verzicht auf moralische Strenge sollte dann aber, so meinen wir, kein Einzelfall bleiben. Straffreiheit für George W. Bush – wenn er bereit ist zu exilieren! Es darf durchaus ein Steueroasenland sein, das ihm Zuflucht bietet, da soll man nicht kleinlich sein.
Erschienen in Ossietzky 2/2003 |
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