Bushs Macht ist nicht grenzenlos

von Eckart Spoo

Seit Wochen höre ich: Der Krieg kommt. Bush ist zum Krieg entschlossen. Niemand kann ihn davon abbringen. Schon 100 000 US-Soldaten sind aufmarschiert, da gibt es kein Zurück mehr. Der schlichte Sinn der fatalistischen Sprüche: Jeder Widerstand sei zwecklos. Wirklich? Sollen wir uns mit dem Verbrechen abfinden, wenn sein Urheber nur mächtig und engstirnig und frech genug ist?

Bushs Macht ist nicht grenzenlos. Die von den Demoskopen gemessene Ablehnung des Krieges wächst täglich – in Deutschland, in unseren Nachbarländern, in allen Teilen der Welt, auch in den USA. Je mehr sich die Verlogenheit der in Washington genannten Kriegsgründe und die Unabsehbarkeit der Risiken des geplanten Krieges herumsprechen, je mehr über den Aggressor und über die potentiellen Opfer bekannt wird, je intensiver wir alle über die Massenvernichtungsmittel diskutieren, die sich im Irak nicht mehr finden lassen, wohl aber in den USA (und in US-Depots in Deutschland) und deren Anwendung Bush ausdrücklich nicht ausschließt, je klarer wir alle uns auch werden über die wirtschaftlichen und sozialen Folgen einer künftigen Alleinverfügung einiger weniger von Bush politisch repräsentierter Konzerne über die Ressourcen dieser Welt, je gründlicher wir miteinander die politischen Konsequenzen des imperialen Anspruchs durchdenken, jederzeit und überall und unter jedem noch so dümmlich-durchsichtigen Vorwand militärisch einzugreifen, desto schärfere Widersprüche werden auch in noch so konformistischen Medien auftreten, im Militär, in den Parlamenten und Regierungen, in der NATO, auch in Konzernvorständen, auch in Washington. Und jeder auftretende Widerspruch wird uns neue Argumente liefern und uns neue Verbündete zuführen.

An jede und jeden hat Wolfgang Borchert einst den Ruf gerichtet: »Sag nein!« Jeder und jedem hat er Möglichkeiten zum Widerstand gegen den Krieg gezeigt. Wir alle können etwas tun – auch wenn wir nur dem Aufruf des »Friedensratschlags« folgen, weiße Tücher aus den Fenstern zu hängen. Ich habe es getan, Nachbarn sind sofort dem Beispiel gefolgt. Und schon kommt man ins Gespräch. Auch ins Gespräch darüber, wie wir dazu beitragen können, daß am 15. Februar Hunderttausende an der Demonstration in Berlin teilnehmen. Und was wir uns weiter vornehmen, damit wir uns in dieser weltweiten Kraftprobe möglichst stark erweisen.

Anfang des vorigen Jahrhunderts haben Sozialisten nicht nur darüber debattiert, was zu geschehen habe, um in allen Ländern gegen den drohenden imperialistischen Krieg zu mobilisieren (was ihnen unzureichend gelang, vor allem weil die meisten gutwilligen und gutgläubigen Menschen sich nicht vorstellen konnten, zu welchen Verbrechen ihre guten Kaiser, Könige und Generäle bereit waren), sondern auch darüber, wie während eines Krieges die Frage nach seinen Ursachen und den Verantwortlichen so zugespitzt werden könne, daß daraus am Ende die Machtfrage werde. Beide Weltkriege des 20. Jahrhunderts endeten mit großen politischen Umwälzungen. Auch wenn wirklich unausweichlich feststände, daß Bush losschlagen läßt, heißt das noch lange nicht, daß er der triumphierende Sieger sein wird.

Erschienen in Ossietzky 2/2003