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Der PEN-Präsident glaubt: »Durch Geschick, Umsicht und Entschlossenheit haben der Kanzler und sein Außenminister – wer wollte es leugnen? – das Ansehen Deutschlands in der Welt erhöht.« Welche Welt? Die normale? Vorn im Heft die Lyrik. Da schreibt Kurt Drawert sehr realistisch über »Revolutionen. Letzter Stand. – Für Bert Brecht«, wie zwei »ostdeutsche Grubenarbeiter berichten, / daß der Vorsitzende des Schriftstellerverbandes von C. / abgewählt und der stellvertretende Vorsitzende / zum Vorsitzenden ernannt worden ist.« Der Schluß: »Aber auch andernorts habe es Unruhen / von vergleichbarem Ausmaß gegeben.« Der Lyriker Johano Strasser ist besser als der Essayist. In seinem Gedicht »Zugriff« beklagt er den armen B. B. »Hat keine Ahnung daß er längst / von unseren Scharfschützen umstellt ist...« Diese Scharfschützen sitzen in den USA, wo B. B. saß, »in einem Café der Fifth Avenue«. Aber heute, vor einem Jahr, heute ruft ein Ich: »Erst gegen Morgen wenn der Wind / Über Ground Zero wieder auffrischt / Rufe ich: Zugriff«. Der 11. September 2001 war nicht Anlaß für das Thema Gewalt, aber einige Gedichte, vor allem die Essays am Schluß des Bandes reagieren darauf. Krieg – er wird genannt als Wort oder aus der Erinnerung heraufbeschworen. Ist er darstellbar mit lyrischen Mitteln? Friedrich Ani, der, 1959 geboren, wohl noch keinen Krieg miterlebt hat, versucht es mit Kafka und der Bibel. Ein Tagebucheintrag Kafkas vom 2. August 1914: »Heute hat Deutschland Rußland den Krieg erklärt – Nachmittag Schwimmschule« als Motto und Realitätspartikel zu dem Nicht-Darstellbaren der Apokalypse. Der Engel, der die Posaune blies – wie weit weg von uns. Doch ohne Engel geht es nicht. Hier wie im vorherigen Gedicht-Jahrbuch Nr. 9, das sich der Lyrik zwischen Himmel und Hölle widmete. So bei Friederike Mayröcker und bei Franz Hodjak, dessen Schutzengel morgens auf den Balkon stürzt und tot liegen bleibt, der Dichter aber lebt. Franz Wurm stimmt einen »Dankchoral« an: »Lobet den Herrn er weiß nicht was er tut / aber er tut es ...« Bei Hodjak ist die Engel-Gesellschaft nur eine Spiegelung unserer Welt, gewaltsam. Im Gedicht »Das Buch« von Asher Reich (aus dem Hebräischen ins Englische und dann ins Deutsche übersetzt) haben »alle Propheten das Buch«, eine alte Bibel, »verlassen um weit weg zu prophezeien...« Nicht nur bei Kain, »bei jedem Mord sprießen zwei weitere Brüder aus dem Acker«. Der in Bagdad geborene Exil-Iraker Amal Al-Jubouri antwortet darauf in seinem (aus dem Arabischen übersetzten) Gedicht »Schleier der Rache«: »Ich kann dir nur anbieten / entweder das Spiel des Todes weiterzutreiben / oder mit der Reise des Vergessens zu beginnen.« In einem Essay spricht er von zwei Sprachen. »Eine blinde Sprache der totalen Zerstörung und eine Sprache, die versucht, die Welt wieder zusammenzufügen. Eine Außensprache, die mich an einen Kriegsberichterstatter erinnert, der von uns verlangt, daß wir weiter sterben, damit er weiter schreiben kann. Die innere Sprache ist dieses Gedicht, die Sprache der Existenz.« Gewalt, die das Leben langsam abschnürt, zeigen zwei Gedichte, die sich gegenüberstehen. Andreas Altmann, 1963 in der DDR geboren, gibt eine Zustandsbeschreibung der »Dörfer am Ende des Landes im Osten« heute: »geräumt sind die läden... hinter zäunen / verstellen augen den hof, bewachen / die blicke...« Der aus Thüringen stammende Lutz Seiler, ebenso alt wie Altmann, schreibt das Gedicht »Im Jahre eins, das war«. Was war? Aufbruch oder nur »das scharren am boden« wie von Pferden, die weg wollen, aber »im abfluß« landen, so wie »eine brise, die« nicht frisch ist, wie erwartet, sondern »aus den kanälen chemisch aufwärts weht«. Dieses Aufwärts, der Aufbruch über »gleise entfernungen // schrumpfen & wer? « – schrumpfen? Im Gedicht ist eine große Lücke, eine Leerzeile, ein Absatz zwischen dieser Hoffnung und der Verwirklichung. Oder ist da schon das – wehmütige – Erinnern an die »zauber-spinnen«, an das, was verborgen war, was herausgehört werden mußte aus »den alten rundfunk-stimmen« – die es nicht mehr gibt im Jahre Eins, ein »juckreiz nur im ohr der relativität.« Das erste Jahr, »ein kriegsherbst, wenn die dinge schon von einem nerv durchzogen« waren und »aufgekratztes schweigen« sie begleitete. Lutz Seiler ist auch – neben Christoph Buchwald – Herausgeber des Jahrbuch der Lyrik 2003. Dieses Periodikum erscheint nun schon zwanzig Jahre, seit einiger Zeit im C. H. Beck Verlag, München. Es hat kein spezielles Thema, doch im ersten Kapitel stehen Gedichte zu Gewalt, Krieg und Nachkrieg wie Michael Buselmeiers »Kiesgrube« oder Volker Brauns »Shakespeare-Shuttle«, was ein langer Atlantik-Flug durch die Welt der Werbeslogans und Shakespeare-Dramen ist. Assoziationen wie: »Deutschland den Deutschen Nur Fliegen ist schöner HOW SHALL WE DO FOR MONEY FOR THIS WAR...«
Erschienen in Ossietzky 1/2003 |
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