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Angst vor neuen Anschlägen wird instrumentalisiert für Abschottung gegen Flüchtlinge. Seit drei Jahren verhandeln die Innen- und Justizminister im Rahmen des Amsterdamer Vertrages über Einzelheiten eines gemeinsamen Asyl- und Migrationsrechts. Da hier das Prinzip der Einstimmigkeit gilt, einigen sich die EU-Mitgliedsstaaten gegenwärtig nur auf Verschärfungen: Abbau des Flüchtlingsschutzes, rigide Visa- und Abschiebepolitik, beschleunigte Asylverfahren, verminderte Sozialleistungen für Flüchtlinge. Man sieht nicht mehr die Menschen, sondern nur noch die Zahlen derjenigen, die über die Grenze kommen oder abgeschreckt werden können. In diesem Wettlauf gibt die deutsche Bundesregierung das Tempo vor. Schon vor jenem 11. September hatten die deutschen Innenminister Kanther und Schily jeglichen Versuch, die Asyl- und Migrationspolitik zu humanisieren, sabotiert, indem sie überall Vorbehalte anbrachten und damit die Entwicklung gemeinsamer Mindeststandards verhinderten. Auch der berüchtigte Vorbehalt zur UN-Kinderrechtskonvention ist trotz zahlreicher und mit einer breiten Mehrheit gefaßter Beschlüsse des Bundestages bis heute nicht zurückgenommen worden. 16jährige Jugendliche werden in Deutschland durch das Asylverfahren getrieben und können sogar in Abschiebehaft genommen werden. Außerdem gehört Deutschland zu der kleinen Minderheit innerhalb der EU, die das Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit von 1997 bisher weder unterzeichnet noch ratifiziert haben. Bei Einbürgerungen ist daher weiterhin keine doppelte Staatsangehörigkeit möglich. Und indem sich Deutschland weigert, die vom Europarat vorgelegte Wanderarbeiter-Konvention zu unterzeichnen, verhindert es die soziale und rechtliche Gleichstellung von Arbeitsmigranten. Deutschland besteht darauf, daß in der EU bei migrationsrechtlichen Beschlüssen EU weiterhin das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Und da auch eine Kompetenzerweiterung des Europäischen Parlaments erst einmal vertagt wurde, konnte Bundesinnenminister Otto Schily auf der jüngsten Ministerratstagung abermals seine restriktiven Auffassungen durchsetzen. Es bleibt dabei, daß Asyl suchenden jede Erwerbstätigkeit verboten werden darf. Gemäß einem britischen Vorschlag darf ihnen sogar jede Sozialhilfe verweigert werden, wenn sie nicht »unverzüglich« nach ihrer Einreise einen Asylantrag gestellt haben. Außerdem blockierte Schily die Vorschläge der EU-Kommission für eine humanitär geregelte Familienzusammenführung. Das bedeutet zum Beispiel, daß Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren nicht europaweit nachziehen dürfen, sondern – wie in Deutschland – das Nachzugsalter sogar auf zwölf Jahre gesenkt werden kann. Trotz vieler Differenzen im Detail bauen die EU-Regierungen gemeinsam immer höhere Mauern um Europa. Das Ziel heißt Abschottung gegen die armen und krisengeschüttelten Länder und vor allem gegen die Menschen, die sich daraus zu retten versuchen. Statt die Ursachen – Not und Verfolgung – zu bekämpfen, kämpfen die EU-Staaten mit unzähligen Verordnungen und Richtlinien gegen die Flüchtlinge und trennen die »nützlichen« von »unerwünschten« Personen. Bei dieser rasanten Fortentwicklung des institutionalisierten Rassismus läßt sich kaum noch ein Unterschied zwischen konservativ und sozialdemokratisch regierten EU-Mitgliedsstaaten feststellen. Der Sozialdemokrat Schily hat seine konservativen Kollegen in den Nachbarstaaten längst rechts überholt: Einerseits ist er der Antreiber für eine restriktive Flüchtlingspolitik in ganz Europa; andererseits bremst und blockiert er, sobald sich Möglichkeiten für eine liberalere, humanere Politik zeigen. An dem ins Gegenteil verkehrten Asylrecht in Deutschland soll nicht gerüttelt werden dürfen, es soll vielmehr Maßstab für alle EU-Staaten werden. Schilys Vorstellungen, wie gegen »Illegale« mit verschärften Maßnahmen vorgegangen werden sollte, forderten sogar seinen konservativen Amtskollegen aus Frankreich zum Protest heraus. All dies wirkt sich nicht nur in den derzeitigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union aus. Auch die Beitrittskandidaten müssen die menschenunwürdige Politik gegen Flüchtlinge und Migranten bis ins Einzelne übernehmen. Die Mauern werden nicht abgebaut, sondern nur nach Osten hin verschoben. Der Streit in Deutschland um das kürzlich gescheiterte Zuwanderungsgesetz erweist sich auf europäischer Ebene als heuchlerisch. Ist doch die rabiate Zuwanderungsbegrenzungs-, sprich Abschottungspolitik der deutschen Bundesregierung längst zur europäischen Außenpolitik geworden. Ulla Jelpke, früher Bundestagsabgeordnete der Grünen und dann der PDS, ohne deren Mitglied zu sein, ist in den Ossietzky-Herausgeberkreis eingetreten, aus dem sich der Mitgründer Reinhard Kühnl verabschiedet hat. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 1/2003 |
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