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Immerhin aber kann letzterer nun dank des Ausverkaufspreises die nächste Stromabschaltung, wenn auch saison-farblich nicht ganz comme-il-faut, so doch einigermaßen stilvoll begehen. * Anläßlich der Einführung des Euro hatte ich Anfang letzten Jahres vermutet (Ossietzky 5/02), bald werde sich das lästige Umrechnen mit dem Faktor 1.95583 erübrigen. Wir hätten dann 1:1 wieder die guten alten Markpreise, nur stehe dann eben Euro davor. Jetzt muß ich mich korrigieren. Alljährlich zu Neujahr beschenke ich meine Mutter mit einem Blumenstrauß. Im Streß der Silvester-Jahresabschuß-Vorstellungen kaufe ich dann stets ein möglichst bunt-fröhliches Gebinde meist gleich am Wege im Tante-Esso-Laden. So auch diesmal. Die gegenüber dem Vorjahresstrauß für DM 8.30 nahezu identische Kreation kostete am selben Ort jetzt allerdings EUR 12.90, nach noch weit verbreiteter bisheriger Kursrechnung also DM 25.23. Da war ich mit meiner seinerzeitigen vorschnellen 1:1-Prognose wohl doch ein wenig zu optimistisch gewesen, oder? Möglicherweise jedoch haben wir alle das Prinzip der Währungsumstellung schlicht mißverstanden. Den alten Dehmark-Preis nicht teilen durch den magischen Faktor 1.95583. Malnehmen! Da kommen wir der Realpreis-Entwicklung näher. Sicher bin ich mir, daß beim Statistischen Bundesamt, das die Inflation derzeit auf gerade mal 2,1 Prozent beziffert, Schnittblumen im Warenkorb nicht enthalten sind. Man kann den geschilderten Tatbestand natürlich auch anders interpretieren. Unser aller Lebensstandard hat sich spürbar gehoben: Wir kaufen uns inzwischen viel teurere Waren als letztes Jahr! * Allerdings gibt es auch notleidende Randgruppen. So etwa die Berufsgruppe der grünen Parteisprecher. Folgerichtig begründete der Obergrüne Kuhn die Notwendigkeit, in seiner Partei den Grundsatz der Trennung von Amt und Mandat aufzuheben, mit der Klage, »daß wir als Vorsitzende vergleichsweise wenig verdienen«. Klar, daß da nur ein Nebenverdienstjob als MdB ihn aus dem Elend erlösen konnte. So waren die Wähler bei der Bundestagswahl also aufgerufen, über die Schicksalsfragen der Nation zu entscheiden. Nämlich: Wie können Sozialfälle in Partei-Führungsgremien verhindert werden? Leider hat die grüne Basis das nicht verstanden: Kuhn muß nun also mit dem – wenn auch aufopferungsvoll erkämpften – lumpigen Zubrot von EUR 10 512,- monatlich an Abgeordnetendiäten plus ein paar albernen geldwerten Privilegien dahinvegetieren. Ein schweres Los, wenn man bedenkt, daß ein durchschnittliches Industrie-Managergehalt nach Rechnung des Spiegel innerhalb der letzten zehn Jahre vom 34-fachen des Durchschnitts-Bruttoverdienstes eines Arbeiters auf das 397-fache gestiegen ist. Verständlich, wenn die Bundesregierung jetzt endlich ernst macht mit einem sozialen Vermögens- und Lastenausgleich. Beispielsweise im Rahmen der Abgeltungssteuer: Die Superreichen bekommen ihren Zins-Steuersatz auf 25 Prozent gesenkt, die kleinen Sparer gerechtigkeitshalber auf ebenfalls 25 Prozent erhöht. Ist das nix? So muß man wohl auch die angestrebte Beseitigung des Lohngefälles zwischen Ostlöhnen und Westgehältern lesen. Skandalöserweise verdienen Arbeitnehmer im Westen noch immer 25 Prozent mehr als ihre Kollegen im Protektorat. Da ist Privilegienabbau angesagt. Bis spätestens 2007 sollen die Reallöhne stufenweise angeglichen werden. Allem Anschein nach West an Ost. Bei den Preisen geht es vermutlich umgekehrt. Vermögens- und Lastenausgleich? – Die Arbeitgeber sollen die Vermögen übernehmen, die Arbeitnehmer die Lasten tragen. Na also. * Laut Hintergrundinformationen der Frankfurter Rundschau sollen die deutschen Truppen auf dem Balkan, in Afrika und Asien personell aufgestockt werden und noch mindestens bis zum Jahr 2012 dort bleiben. Immerhin: Arbeitsplatzgarantie der Bundesregierung wenigstens für unsere Schutztruppler in den Kolonien. Letzterer Ausdruck ist keinesfalls zu tief gegriffen: »Befriedung« des Landes, »Schutzverträge« mit eingeborenen Häuptlingen, Ausbildung und Anleitung der Führungsschicht des Landes, Entsendung von Gouverneuren oder Statthaltern, Aufstellung und Ausrüstung einer Eingeborenen-Polizei, all das sind klassische Kennzeichen. In Kabul konnte die Polizei schon im Herbst einen kräftigen Beitrag zur Sicherheit des Landes leisten. Sie erschoß ohne viel Federlesens sechs gegen verdorbenes beziehungsweise fehlendes Mensa-Essen demonstrierende Studenten. Da sieht man doch gleich, wie die gründliche Ausbildung und Anleitung durch deutsche Fachkräfte Früchte getragen hat. Der Hamburger Innensenator Schill hat sicherlich seine helle Freude an dieser Art Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung. Weiß er doch aus Erfahrung genau: Anscheinend harmlose Mensa-Proteste führen früher oder später zwangsläufig zu Kapitalverbrechen wie etwa Hausbesetzungen. Am Ende bleibt einem verantwortungsbewußten Garanten von Recht und Ordnung nur noch, wie Schill die Beschaffung exakt jenes Nervengases zu fordern, das bei der Geiselnahme im Moskauer Musical-Theater so erfolgreich eingesetzt wurde (rund 300 Tote). Schill hat dazu ausdrücklich erklärt, es dürfe »keine Denkverbote geben, wenn es um die Bekämpfung des Terrorismus« gehe. Wenn der Giftgasstratege dann der Hamburger Polizei auch noch die Führung eines »Erstschlages« gegen linke Demonstranten angeraten hat, ist das folgerichtig: Wer demonstriert, befindet sich schließlich schon am Anfang der schiefen Bahn zum Terrorismus. Wehret den Anfängen. Ganz »Rechts Staatliche Offensive« also. * Kein Einzelkämpfer, der Herr Schill: Damit sich das Bild rundet, wirbt die Christlich-Demagogische Union im laufenden niedersächsischen Wahlkampf mit Plakaten, auf denen unter dem Slogan »Härter durchgreifen!« ein Paar überdimensional abgebildeter Handschellen zu sehen sind. Giftgas und Handschellen – da fühlt man sich so richtig sicher.
Erschienen in Ossietzky 1/2003 |
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