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Lizenzen zum Töten verstreut er wie Angelscheine, und wenn er auf den Knopf drückt, hat die zum Feindesland erklärte Geographie ein großes schwarzes Loch, in dem ein Volk verschwindet. Wer nicht mitmachte, wäre bald Schurkenstaat. Warte, warte noch ein Weilchen, dann kommt Georgie mit dem atomaren Beilchen. Was waren die Gladiatorenkämpfe im römischen Colosseum doch für antike Kulturleistungen, verglichen mit der Modernität unseres US-Verbündeten, der jeden einzelnen Steinzeitwüstenkrieger von 77 Panzern zermalmen lassen kann. Weil das Riesenland mit der höchstentwickelten PC-Technologie die Grundrechenarten nicht beherrscht oder nicht anzuwenden imstande ist, darf der auf krummen Wegen ins Amt gelangte Ober-Ami nun dem Satan Hussein die Wildwestkanone zwischen die Lippen rammen: Rache tut wohl, und schon ist ringsumher alles tot. Fragen wir nach denen, die den Befehlen zum Kriegführen hochanimiert folgen. Am 30.7.1992 druckte die Frankfurter Rundschau eine BBC-Reportage, in der ein gegen die Serben kämpfender Söldner erklärte: »Ich wollte immer schon legal töten ... ich wollte immer schon jenes Gefühl haben ... immer schon wissen, was im Kopf des Yorkshire-Rippers abläuft: Der hatte keinerlei Mitgefühl, er kennt keine Gefühle – das feeling will ich auch, das ist besser als jede Droge.« Ein anderer Söldner im gleichen Tenor: »Das ist gerade so, wie’s wohl in Vietnam war: Du bist dein eigenes Gesetz: ah! Niemand mischt sich ein.« Titel der Reportage: »Wir wollen einfach töten. Wir wollen Menschen jagen.« Aber es gibt auch den disziplinierteren Soldaten. Über ihn berichtete im Vietnamkrieg Friedhelm Kemna in Die Welt am 24.5.1972 vom US-Flugzeugträger »Kitty Hawk« aus: »Der Navy-Lieutnant Ed de Kerr, F-4-Phantom-Pilot mit 123 Einsätzen: ›Fliegen ist mein Job. Das habe ich gelernt. Das Risiko ist kalkuliert.‹ Und der Phantom-Pilot Nick Crissi: ›Natürlich sind wir keine Marionetten. Natürlich haben wir unsere Zweifel. Aber hinter dem, was wir tun, steckt eine Menge Glauben und Überzeugung. Wir sind alle freiwillig in der Navy, und der Job läßt uns keine Zeit, über Sinn und Unsinn des Krieges zu diskutieren.‹« Der eine Soldat will einfach töten. Der andere tut seinen Job, bombt auf Befehl und findet keine Zeit zum Nachdenken. Der dritte hieß Otto Ohlendorf und war Leiter eines Sondereinsatzkommandos, das in einem Jahr ca. 90 000 Menschen, meist Juden, ermordete. Dafür wurde er im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß zum Tode verurteilt. Auf die Frage, ob er keine Bedenken gegen die Ausführung der Befehle gehabt habe, antwortete Ohlendorf: »Selbstverständlich ... aber der Befehl war von dem Vorgesetzten gegeben, so daß ... die Frage der Rechtmäßigkeit gar nicht kommen konnte, denn wir hatten ja denjenigen, die diesen Befehl gaben, den Eid des Gehorsams geleistet.« Offensichtlich töten die einen aus Lust und/oder Rache und die anderen auf Befehl. In Vietnam wurden dabei 58 000 US-Soldaten, eine Million vietnamesischer Soldaten und zwei Millionen Zivilisten ums Leben gebracht. Im Zweiten Weltkrieg gab es 50 Millionen Tote, und über die sechs Millionen ermordeter Juden hinaus kamen auf einen toten Soldaten drei bis vier tote Zivilisten. Weil das Stalingrader Schlachtfest gerade runde 60 Jahre zurückliegt, schwelgen die Medien in allerlei Bildern und Trauerartikeln, bei denen sogar ein paar Wahrheiten mit abfallen. Etwa, daß die bis dahin siegreiche Luftwaffe im August 1942 beim einwöchigen Terrorangriff auf Stalingrad 40 000 Zivilisten tötete, soviel wie später bei den britischen Bombardements in Dresden starben und in Hamburg. Eindrucksvoll auch die Dokumentaraufnahmen von den hoffnungsvoll gen Stalingrad marschierenden Infanteristen, lauter uniformierten Lemminge mit einprogrammiertem Todestrieb. Von fast 300 000 wurden 50 000 gerade noch ausgeflogen, von den anderen überlebten 6000 Mann. Stalingrad als deutsche Parabel, zur Lektüre empfohlen für Leser in aller Welt: Wie man sich, von Sieg zu Sieg eilend, zu Tode siegt. In der Weltbühne finde ich in Heft 21 vom 26. Mai 1954 ein Gedicht über Stalingrad: »Sie verschossen die letzte Patrone – / verröchelten den letzten Schrei, / verreckten an der letzten Kanone, / Generale waren nicht dabei! / Die saßen unter sichren Mauern / hinter Haufen unverschossner Patronen, / um auf den letzen Schuß zu lauern / und ihr kostbares Leben zu schonen. / So kämpften die bis zum letzten Schuß / und bis zum letzten Soldaten / und sind dann mit leichtem Verdruß / zufällig – in Gefangenschaft geraten! / So ist das mit der letzten Patrone, / so ist das mit dem letzten Mann, /erst hinter dem Muschkoten / fängt die Lebensversicherung an!« Der als Autor genannte Gert Gablenz ist eines meiner Pseudonyme. Ich gebe gerne zu, die Zeilen sind agitatorisch. Stalingrad lag 1954 eben erst zwölf Jahre zurück. Heute sind es sechs Jahrzehnte, und sie sind wie ein verlorener Tag. Von den 24 in Gefangenschaft gegangenen Generälen überlebten 23, der 24. starb an Krebs. Was Paulus betrifft, so ließ er in Stalingrad ganze Truppenteile weiterkämpfen, erklärte sich zum »Privatmann« und wurde von den roten Russen, die wußten, was sich gehört, in Gefangenschaft chauffiert. Was uns an Information vorenthalten wird, erzählte mir Heinrich Graf Einsiedel. Weil Paulus erst am 30. Januar 1943, einen Tag vor dem Ende, durch Hitler zum Generalfeldmarschall befördert wurde, ermangelte es ihm an den Feldmarschall-Epauletten. Den Rest zitiere ich aus meinem Buch »Krieg im Glashaus oder Der Bundestag als Windmühle«: »Vom Lager aus durfte Paulus seine Frau in Deutschland brieflich um die Marschallsepauletten bitten, die nicht mehr in den Kessel gelangt waren. In Querverbindung über die deutsche Botschaft in der Türkei und mit Hilfe der verständnisvollen Bolschewiki und Stalins reisten die Epauletten als Diplomatengepäck zu dem Vorzugsgefangenen, der ohne die äußeren Würden gewiß bitterlich gefroren hätte. Seine Bitte jedoch, als Privatmann in Gefangenschaft zu gehen bzw. gefahren zu werden, war von den unmenschlichen Kommunisten abgeschlagen worden. Sie wollten in Paulus eben Hitlers Generalfeldmarschall sehen, und so einer wäre ohne Epauletten nur die Hälfte wert gewesen.« Zurück zu unseren zeitgenössischen US-Freunden, so wir sie überhaupt verließen. Wenn sie von uns Deutschen als den Verursachern des letzten Weltkrieges heute die Teilnahme an den verschiedenen Feldzügen in der Welt fordern, erwarte ich mir, daß unsere Politiker, den Armageddon verweigernd, antworten: Amerika, gib uns deine couragierte Generation von 1945 zurück, die Welt braucht einen neuen, universalen Nürnberger Prozeß.
Erschienen in Ossietzky 1/2003 |
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