Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Ideologiefabrik Hollywoodvon Heinz Kersten Beginnen wir – wissend, daß Vergleiche meistens hinken – mit einem Vergleich, solange noch kein Vergleichsverbot erlassen ist: Es gab mal einen Mann namens Joseph Goebbels (wer das war, wird man bald der Generation 2000 plus erst erklären müssen). Der hielt mit Lenin die Filmkunst für die wichtigste aller Künste (wobei Kunst ein sehr relativer Begriff ist). Deshalb nutzte er sie auch als wirksames Propagandainstrument. Im engeren Sinne propagandistisch war nur etwa jeder siebte der in den zwölf Jahren seiner Tätigkeit als Reichsminister für Volksaufklärung (!) und Propaganda entstandenen deutschen Filme. Aber wenn bei Kriegsausbruch drei beliebte Schauspieler – Heinz Rühmann, Josef Sieber und Hans Brausewetter (der in den letzten Kriegstagen noch umkam) – in dem Lustspiel »Paradies der Junggesellen« sangen, daß, »wenn die ganze Erde bebt und die Welt sich aus den Angeln hebt«, dies »einen Seemann nicht erschüttern« könne, paßte eine solche von Textdichter Bruno Balz, den die Nazis wegen Homosexualität schon mal acht Monate eingesperrt hatten, wahrscheinlich ganz unpolitisch gemeinte Parole genauso ins kriegerische Konzept wie Zarah Leanders Beschwörung »Davon geht die Welt nicht unter« ein halbes Jahr vor dem Stalingrad-Debakel. Da hatte der »Schirmherr des deutschen Films«, wie sich Goebbels gern nennen ließ, Unterhaltung schon für »kriegswichtig« erklärt. Als die Millionen Verführter sich drei Jahre später in den Trümmern ihrer Städte wiederfanden und sich der Propagandist des totalen Krieges mittels Gift der Verantwortung entzogen hatte, schworen die Übriggebliebenen »Nie wieder Krieg« – was sich inzwischen als ferne utopische Hoffnung erwiesen hat. Heute wird wieder mit schockierender Selbstverständlichkeit vom Krieg als Mittel der Politik gesprochen. Während selbst Hitler seine Aggressionsabsichten noch hinter Friedensbeteuerungen verbarg, macht Bush aus seinen Kriegsplänen gegen Irak überhaupt kein Hehl. Und wieder wird der Film zur psychologischen Kriegsvorbereitung eingespannt. Natürlich ist Rumsfeld kein Göring, Cheney kein Goebbels und Hollywood nicht Babelsberg, aber der Kampf des Guten gegen das Böse wird schon mal auf der Kinoleinwand ausgetragen, und sei es auch in Fantasy-Welten. Im 2. Teil des »Herrn der Ringe«, der auch noch mit symbolkräftiger Assoziationsmöglichkeit »Die zwei Türme« heißt, liefern sich zum Schluß die Mächte des Hellen und der Finsternis ein nicht enden wollendes Gemetzel, und die Botschaft lautet so ähnlich wie Hitlers Spruch »Wer nicht kämpfen will in dieser Welt ewigen Ringens, verdient das Leben nicht.« Im Film heißt das: »Es gibt etwas Gutes in dieser Welt, und dafür lohnt es sich zu kämpfen.« Natürlich werden Tolkien-Fans ihr Kultbuch gegen solch aktuelle Interpretation seiner Verfilmung verteidigen. Aber die Gewaltphantasien des fundamentalistischen Gut-Böse-Schemas passen eben wie eigens erdacht in US-amerikanische Missionsstrategien. Vielleicht halfen auch zusätzliche Aufnahmen nach dem 11. 9. 01 noch etwas nach. Jedenfalls haben sich die in die gesamte Trilogie investierten 310 Millionen Dollar schon mehr als amortisiert. Mit 860 Millionen Dollar hatte bereits der 1. Teil das fünfthöchste Ergebnis in der Kinogeschichte eingespielt. Teil 2 brachte gleich in den ersten zwei Wochen nach dem Start weltweit 400 Millionen Dollar in die Kassen. Im Kino und auf den privaten Fernsehkanälen ist die Weltherrschaft der USA längst Realität. Kaum ein Land, in dem nicht die nationale Produktion durch Hollywood-Importe an den Rand gedrängt wurde. Dabei ist die gern ins Feld geführte Abstimmung an der Kinokasse nur Folge einer gigantischen Wettbewerbsverzerrung. Hinter jedem US-Film steht ein riesiger PR-Aufwand. Durch vielerlei Veröffentlichungen in allen Medien wird das Publikum schon im voraus auf den zu erwartenden neuen Mega-Hit eingestimmt, flankiert von allen möglichen Werbegags vom T-Shirt mit Filmtitelaufdruck über CDs der Soundtracks und Bücher bis zum entsprechenden Spielzeug. Ist so erst einmal die Neugier geweckt, will kein Filmfreak das Ereignis verpassen; man möchte sogar möglichst der/die Erste sein und steht Schlange für die in Mode gekommenen Mitternachts premieren. Die US-Dominanz auf dem deutschen Kinomarkt erklärt sich auch aus der beherrschenden Stellung der größten Verleihorganisationen. Schließlich startet der »Herr der Ringe 2« gleich mit 1266 Kopien. Zum Vergleich: Der relativ erfolgreiche deutsche Film »Halbe Treppe« liegt mit gerade mal 34 Kopien im Rennen. In einem Monat sahen 3 762 944 Besucher in Deutschland den neuesten James Bond »Stirb an einem anderen Tag« – mehr waren es nur bei »Harry Potter« – und wurden dabei schon auf den Kampf gegen den nächsten Schurkenstaat eingeschworen: Nordkorea, neues Feindbild des Superagenten, nachdem die Sowjetunion als Reich des Bösen ausgedient hat. Daß Nordkorea gegen seine Darstellung im Film protestierte, wurde in Mainstream-Feuilletons nur lächerlich gemacht – schließlich ist Bond ja nicht ernst zu nehmen. Daß sein neues Aktionsfeld gerade wegen angeblicher Atombomben-Ambitionen als zusätzlicher Gefahrenherd in den Schlagzeilen ist – natürlich reiner Zufall. Ebenso, daß es in der Fantasywelt immer Amerikaner sind, die die Welt vom Bösen befreien. In »Die Herrschaft des Feuers« rettet einer die Menschheit vor der Herrschaft der Drachen. Die Marketing-Strategen des Verleihs liefern für das »Szenario aus actiongeladener Fantasy und post-apokalyptischer Science-Fiction« gleich sechs »Radiogewinnspiel-Ideen« mit. Zum Beispiel: »Leben Sie vielleicht mit einem Hausdrachen zusammen? Erzählen Sie uns die schrägste Geschichte über Ihren Hausdrachen und gewinnen Sie ein Die Herrschaft des Feuers Überraschungspaket!« Zum Start eines neuen »Star Trek«-Films meldet ein anderer US-Verleih triumphierend, daß die Vorläufer seit Beginn der Reihe im Jahre 1966 »weltweit über eine Milliarde US-Dollar an den Kinokassen eingespielt und außerdem über 3,5 Milliarden US-Dollar im Bereich lizenzierter Verbraucherprodukte eingebracht« haben. Das neueste Abenteuer der US-Raumfähre »Enterprise« im Weltraum besteht die Besatzung gegen einen Klon – schließlich ist Autor John Logan up to date –, der »eine Waffe von unvorstellbarer Zerstörungskraft« besitzt, genau wie angeblich Saddam auf Erden. Für sein eigenes Kriegsgerät hat Bush Irak als Testgelände ausersehen. »Intelligente Bomben« sollen, von Satelliten aus dem Weltraum gelenkt, Bagdad »sturmreif« machen, eine geheimnisvolle E-Bombe soll mittels elektronischer Strahlen die Kommunikationsanlagen außer Kraft setzen, eine »Black-out-Bombe« die Stromversorgung lahmlegen. Beruhigende Aussichten für die Amerikaner, von denen über 80 Prozent ernsthaft an eine irakische Bedrohung glauben. Jedenfalls möchte man keine Wiederholung des Debakels von Somalia 1993 erleben, an das ein Vierteljahr nach dem Schock vom 11. September in den USA als Blut- und Baller-Orgie der Film »Black Hawk Down« erinnerte, um damit die Tapferkeit und Kameradschaft junger GIs zu preisen. Der Kampf um die Befreiung der Besatzungen zweier in Mogadischu abgeschossener Hubschrauber wird mit Parolen gewürzt wie »Das Wort ›aufgeben‹ kommt nicht vor im Vokabular der Rangers«, »Das Töten gehört zum Kämpfen. So und nicht anders ist es in unserer Welt«, »Du denkst zu viel nach... Es ist einfach Krieg«, und »Wenn Dir die erste Kugel um die Ohren fliegt, kümmert Dich die Politik einen Dreck«. Die für den Einsatz in Somalia verantwortliche Politik machten damals George Bush sen. und Colin Powell als Generalstabschef wie heute Bush jun. mit Kriegsminister Donald Rumsfeld, der übrigens am 20. Dezember 1983 seinen jetzigen Gegner Saddam Hussein als Sondergesandter Präsident Reagans in Bagdad besuchte, um ihn im Krieg gegen Iran zu unterstützen. Nachdem das Pentagon schon bei der Herstellung von »Black Hawk Down« Hilfestellung geleistet hat, plant mit dessen Segen der Produzent dieses Films, Jerry Bruckheimer, gemeinsam mit dem engen Rumsfeld-Freund Bertram van Munster nun eine dreizehnteilige Reality-TV-Serie über die US-Truppen im Kampf gegen den Terrorismus. Von der eigenen patriotischen Terrorismus-Hysterie scheinen inzwischen selbst deutsche Hollywood-Dependancen angesteckt. Zur »Sicherheit« (wessen Sicherheit?) müssen Journalisten bei Pressevorführungen von Megaproduktionen wie »Herr der Ringe« und »Star Trek« sich vorher per Fax anmelden, dann damit ausweisen und Taschen, Mäntel und Jacken in der Garderobe abgeben. Nur Leibesvisitationen gab es bisher nicht, und lobende Kritiken wurden noch nicht aus dem geplanten Propagandafonds des US-Verteidigungsministeriums gegen anti-amerikanische Stimmungen in Deutschland bezahlt.
Erschienen in Ossietzky 1/2003 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |