Carlos Kunze, Islamexperte. - In der Wochenzeitung Jungle World, die dazu beiträgt, daß es auch in der deutschen Linken dschungelig zugeht, teilen Sie eine Entdeckung mit: "Für jene, die sich als Gegner des Kapitalismus begreifen wollen, scheint der Islamismus eine unwiderstehliche Verlockung darzustellen." Jetzt warten wir auf Ihre nächste Enthüllung, etwa die: Antikapitalisten aus der Bundesrepublik, von Altvater bis Zwerenz, bereiten sich auf ihre Pilgerfahrt nach Mekka vor.

Hamid Karsai, Staatspräsidentendarsteller. - Als Sie die von der deutschen Bundesregierung für Sie wieder auf dem Petersberg bei Bonn arrangierte Politikerkonferenz hinter sich hatten, trafen sich 200 deutsche Wirtschaftsvertreter mit Ihnen in Düsseldorf. Da ging es offenbar animierend zu; dpa zitierte Ihren Ausruf: "Macht Geld in Afghanistan, laßt ein bißchen für uns übrig und nehmt den Rest mit nach Deutschland!" Ganz realistisch ist diese Aufforderung nicht, jedenfalls soweit sie die Hauptquelle ausländischer Profite aus Afghanistan betrifft: Der internationale Drogenhandel, in den Taliban-Zeiten fast zum Erliegen gekommen und seitdem um ein Vielfaches gewachsen, ist längst in festen Händen. Aber Sie haben in Düsseldorf immerhin einige zukünftige Gesprächspartner gefunden, die sich auf die afghanische Marktlage einzustellen wissen: "Behindertenversorgung in Krisengebieten ist immer gefragt", erklärte der Chef einer deutschen Firma, die Rollstühle und Gehhilfen produziert.

Hubertus Schmoldt, "Bündnis"-Partner von Kabinett und Kapital. - Als Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie wollten Sie die Behauptung entkräften, Gerhard Schröder werde auf dem Hartz-Wege durch gewerkschaftliche Einreden aufgehalten. Sie erklärten, Leiharbeiter könnten ruhig auf den vollen Tariflohn verzichten. Aber da waren Sie zu ungestüm in Ihrer Nachgiebigkeit, denn zeitgleich gab Roland Koch als Stimmführer der Unionsparteien zu verstehen, an diesem leidigen Thema werde eine Verständigung mit der Bundesregierung über das Hartz-Konzept nicht unbedingt scheitern. Sie sollten einen engeren Kontakt zum hessischen Ministerpräsidenten pflegen, dann müßten Sie den Interessen, die dieser vertritt, nicht auch noch dort entgegenkommen, wo es gar nicht verlangt wird.

Roland Koch, Kanzlerkandidat in Wartestellung. - Mit 100 Prozent der Delegietenstimmen wurden Sie zum Spitzekandidaten Ihrer Partei für die hessische Landtagswahl gekürt. Das Ergebnis hat einen kleinen Schönheitsfehler: Es ist zu glatt. Sie hätten ein paar Delegierte dazu verdonnern sollen, nicht zuzustimmen. 98 Prozent hätten genügt.

Erschienen in Ossietzky 25/2002