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Sein Bild und Name prangen, unübersehbar hervorgehoben, auf Plakaten und auf den Schubern (mit Tragegriff!) der vielbändigen Ausgabe: Marcel Reich-Ranicki! Etwas bescheidener sind darunter die Titel der einzelnen Werke aufgeführt: "Buddenbrooks", "Die Leiden des jungen Werthers", "Berlin Alexanderplatz", "Der Zauberberg" und andere mehr. Dazu, ebenfalls vergleichsweise kleingedruckt, ein paar Namen: Mann, Goethe, Döblin... Offensichtlich sind das Bearbeiter, Lektoren, vielleicht sogar sonst meist verschwiegene Ghostwriter. Daß sie hier erstmals in der Werbung mitherausgestellt werden, ist eine verdienstvolle verlegerische Innovation. Andererseits jedoch auch wieder ein wenig befremdlich: Hatte der Verlag am Ende kein Vertrauen in die Zugkraft des alleinigen Namens Reich-Ranicki? * Die Bundesregierung hat sich auf die neue politische Lage eingestellt und folgerichtig selbstkritisch ein Bundeskrisenbewältigungsministerium installiert. Der neue Minister heißt Peter Struck, laut Grundgesetz bisher zuständig für die Verteidigung der Bundesrepublik. Das soll jetzt anders werden. Nach eigenen Worten sieht Struck sein Aufgabengebiet in der "Krisenbewältigung". Wie will er das tun? Mit Panzern gegen die Arbeitslosigkeit? Vermittels Raketen auf die Schweiz und andere Steueroasen den Bundeshaushalt sanieren? Nein, es ist wieder mal ganz anders gemeint. Was in Artikel 87 a der Verfassung stehe ("Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf"), die Verteidigung gegen einen Angriff also, sei, so meint Struck, "nicht mehr realistisch". Heute bedeute "Verteidigung" etwas anderes als damals zum Zeitpunkt der Formulierung des Grundgesetzes. Na also, werden jetzt Böswillige folgern, da könnte man doch endlich die Bundeswehr auflösen, wie es einst schon der weiland Juso Rudolf Scharping - leider erfolglos - gefordert hat. Mit den Einsparungen könnten dann problemlos Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen saniert werden... Weit gefehlt, denn, so klärt uns Struck auf, an die Stelle der überholten Verteidigung sei jetzt eben die "Krisenbewältigung" getreten. Auch eine Art von Verteidigung, jedoch "weit vor unseren Grenzen". Eine Überlegung freilich hat der Minister wohl nicht angestellt: Wollten sich - gleiches Völkerrecht für alle - nun sämtliche Staaten der Erde weit vor ihren jeweiligen Landesgrenzen verteidigen, gäbe das ein ganz schön kriegerisches Durcheinander. Daß sich Struck solchen Gedankengängen nicht hingeben mußte, hat einen einfachen Grund: Das Menschenrecht auf die o.a. Vorwärtsverteidigung steht selbstverständlich allein den Deutschen respektive ihren jeweiligen Verbündeten zu. Oder wie es die USA mit George Dabbelju an der Spitze sehen: Gods Own Country und dessen Verbündeten. Was wieder auf dasselbe herauskommt. Überdies ist die Notwendigkeit der Vorwärtsverteidigung Deutschlands nun einmal historisch begründet; spätestens seit Professor Nolte weiß doch jeder, daß deutsche Männer vor Tobruk oder Moskau ehrlich und anständig nur ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit für Deutschlands Sicherheit getan haben. Struck folgert logisch: "Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt." Für vorstehenden Satz beanspruche ich Urheberschutz. Seit längerem schon benutze ich ihn wörtlich in meinen Kabarettprogrammen. Weitergehend sogar - das will ich festhalten, damit mir Struck nicht noch mehr klaut - erkläre ich dazu noch: "Am Horn von Afrika schützt unsere stolze Armada Deutschlands Freiheit." Merkwürdig nur: Mein Publikum lacht dann regelmäßig. Aber ich bin natürlich auch kein Minister. Schon gar nicht einer für Krisenbewältigung. Außerdem ist der Bundeswehreinsatz am Hindukusch schließlich ein humanitärer, fast gewaltloser: Unsere Jungs dort machen ja nicht einmal Gefangene. * Laut seriöser Statistik des Wirtschaftsdienstes mercer liegen die einem Arbeitgeber entstehenden durchschnittlichen Lohnkosten, einschließlich Sozialabgaben und Zuschläge, in der Europäischen Union um 35 Prozent unter denen der USA und 60 Prozent unter denen Japans. Genauer: Die Bundesrepublik rangiert bei der Höhe der Arbeits- inklusive Lohnnebenkosten hinter Japan, Frankreich, USA und Schweden bestenfalls im Mittelfeld. Nun jammern die Blockparteien des Bundestags in Übereinstimmung mit den regierenden Banken und Unternehmerverbänden jedoch ständig, der Preis für Arbeit in Deutschland sei der weltweit höchste und müsse weiter sinken, damit "wir nicht endgültig zum Schlußlicht" würden. Nur niedrigste Lohnkosten könnten "unsere Wirtschaft" gesunden lassen, damit sie nicht dahinsieche - etwa wie die japanische, französische, US-amerikanische oder schwedische. Demzufolge müßte Indien, ganz am Ende der Lohnhöhen-Skala, die wirtschaftliche Supermacht sein, die uns alle in die Tasche steckt. Müssen wir also wirklich Schlußlicht werden, damit wir nicht Schlußlicht werden? Alles ein bißchen kompliziert, oder? * Nach einem Bericht des stern kommen bei der Firma RS Drehtechnik AG in Mönchweiler acht Beschäftigte auf elf Aktionäre. Solche kleinen mittelständischen Betriebe, heißt es im Text, gälten als "Rückgrat der deutschen Wirtschaft". Aus dieser Tatsache läßt sich einiges folgern. Erstens: Hier wackelt die These der Grünen, derzufolge es der jungen Generation nicht zuzumuten sei, "fast nur noch für die Altersgruppe der Rentner zu arbeiten". Unter den Aktienbesitzern befinden sich doch bestimmt auch einige Ältere. Und ist es vom Grundsatz her nicht schnurzegal, ob man nun für böse Rentner malocht oder für liebe Aktionäre? Folgerichtig müßte jetzt eine breitangelegte Kampagne der Grünen mit dem Ziel der Kürzung von Dividenden zugunsten höherer Löhne ins Haus stehen. Zweitens: Ließe sich der geschilderte Rückgrat-Fall nicht sogar als gesamtgesellschaftliches Modell zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit und Gesundung der Wirtschaft nutzbar machen? Ganz einfach doch: Alle Bundesbürgerinnen und -bürger teilen sich zukünftig im Verhältnis 8:11 in Beschäftigte und Aktionäre auf. Jedes Jahr Silvester werden dann per ausgleichendem Schichtwechsel die Rollen getauscht. Bingo. Damit die Partei der Besserverdienenden nicht wieder rummosert, sei noch bemerkt: Bei dieser Art innovativen Jobsharings wären die ursprünglichen Aktienbesitzer immerhin noch erheblich im Vorteil: Sie brauchten jeweils nur durchschnittlich 0,73 Personen durchzubringen, im Unterschied zu den jetzigen Beschäftigten, auf denen je 1,38 zu Ernährende lasten.
Erschienen in Ossietzky 25/2002 |
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