Doris Schröder-Köpf, namhafte Journalistin. - Den ehemaligen Parteichef Oskar Lafontaine haben Sie aufgefordert, die SPD zu verlassen; der hat nämlich Ihren Mann, den Bundeskanzler, mit dem Reichskanzler Heinrich Brüning verglichen, und das finden Sie ehrenrührig. Wieso denn? Brüning hat zwar die Weimarer Republik nicht vor dem wirtschaftlichen Ruin retten können, was er durchaus wollte, aber später ist er Professor an einer US-amerikanischen Universität geworden. Das war doch ein ganz anständiger Job.

Olaf Scholz, SPD-General. - Sie sind in derselben Angelegenheit tätig geworden und haben erklärt, von Oskar Lafontaine werde "niemand mehr ein Stück Brot nehmen", womit Sie politische Nahrung gemeint haben. Vorsicht! Es kann sein, daß auf Ihre Partei schlechte Zeiten zukommen, und dann wird den hungernden Genossen jeder politische Bissen recht sein.

Gerhard Bökel, Wahlkämpfer. - Als Spitzenkandidat der SPD für die hessische Landtagswahl haben Sie Ihren größten Wunsch so formuliert: "... daß die ganze Regierung und die ganze SPD dem Kanzler und Parteivorsitzenden hilft, umzusetzen, was er sich fest vorgenommen hat". Ergänzend müßten Sie noch mitteilen, was denn eigentlich und was davon fest Gerhard Schröder sich vorgenommen hat - einmal abgesehen davon, daß er weiter in seinem Amt verbleiben will.

Edmund Stoiber, immer noch Kanzlerkandidat. - Der Gedanke an eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union behagt Ihnen nicht. Deshalb ließen Sie neulich den CSU-Parteitag beschließen, "die geographische Ausdehnung Europas sollte sich an gemeinsamen Wertvorstellungen orientieren". Da haben wir's: In Ihnen schlummert ein Revolutionär. Jetzt wollen Sie die erdkundlichen Ordnungen umstürzen. Auch Konrad Adenauer hatte solche Neigung: Er wollte die Elbe zur Westgrenze Asiens erklären.

Gabi Zimmer, PDS-Vorsitzende. - Sie haben Ihre Parteimitglieder dazu aufgerufen, "Positionen zu überwinden, die revolutionär klingen und in der Praxis politikunfähig und sektiererisch sind". Warum reden Sie von "Koordinatenverschiebung in der deutschen Politik" und sagen nicht offen, daß Sie Sozialismus nicht mehr für machbar halten? Ehrlicher wäre es, zu Karl Marx zu sagen: Halt die Klappe!

Ernst Schumacher, Literaturwissenschaftler. - Die Bemerkung Ihrer Kollegin Christel Berger, daß Manfred Wekwerth mit seiner Bearbeitung die "›Celestina‹ erst zum spielbaren Stück machte" ("Manfred Wekwerth als Stückeschreiber", Ossietzky 23/ 2002), hat Sie auf den Plan gerufen. Sie weisen darauf hin, daß die "Comedia de Calisto y Melibea", die 1499 erschien, unter dem Titel "Celestina oder Die Tragikomödie von Calisto und Melibea" in der Bearbeitung durch Karl Mickel "nach dem Spanischen von Fernando de Rojas" bereits am Silvesterabend 1974 im damals von Ruth Berghaus geleiteten Berliner Ensemble zur Aufführung kam (Regie: Jürgen Pörschmann und Günther Schmidt, Bühnenbild: Lothar Scharsich, in den Hauptrollen: Erika Pelikowsky als Celestina, Jaecky Schwarz als Calisto und Jutta Hoffmann als Melibea); und schon Mickel habe "ein bißchen auch mit Heutigem" gewürzt. Offenbar muß die Literaturwissenschaft für das Wort "spielbar" einen Komparativ finden.

Wolfgang Eckert, Meerane. - Sie ließen uns netterweise die Glauchauer Lokalseite der Freien Presse (Chemnitz) zukommen, und nun wissen wir, was in Meerane los ist, nämlich der Kürbis. Und zwar der historische Kürbis: "Der vierte Meeraner Kürbiswettbewerb ist nunmehr Geschichte. Um 11 Uhr wurden am Sonnabend die Preisträger und Platzierten bekannt gegeben. An diesem Tag paßte einfach alles zusammen. Tolles Wetter, tolle Stimmung, tolle Gewinne und Preise und nicht zuletzt ein gut aufgelegter Meeraner Bürgermeister, der locker vom Hocker die Preise verteilte." Eine beneidenswerte Stadt, in der einfach alles zusammenpaßt, beispielsweise der Bürgermeister zum Kürbis oder umgekehrt. Der Bürgermeister, bemerkten Sie zum kulturellen Aufschwung in Ihrer Stadt, schließt die Kunstgalerie, schränkt die Räumlichkeiten des Heimatmuseums ein, kündigt der dortigen Museologin und ihrem Mitarbeiter "und feiert gut gelaunt ein Kürbisfest, dessen Wiederholung schon jetzt für 2003 vorbereitet wird"! Tja, lieber Wolfgang Eckert, manche Verwaltung ähnelt einem Wasserkopf, die andere feiert sich als Kürbiskopf. "Freuen auf den ersten Hauptpreis konnte sich Heinz Sch... Sein Kürbis hatte einen Umfang von 2,09 Zentimetern." Welcher Trost! Wir haben ja alle mal klein angefangen.

Erschienen in Ossietzky 24/2002