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Ein Hauklotz markiert das Zentrum. Sylvia (Plath) und Inge (Bachmann), ummantelt von weißen Seidensärgen, werden hereingeleitet. Die Szene ist überirdisch in schneeiges Leuchtweiß getaucht. Die weißgewandeten Damen sezieren - wie im OP - zwei hartgekochte Eier. Es hebt an die Entmannung der Männer. Symbolllisch. Mit einem Beil wird der Schnittlauch enthauptet. Vermutlich Schwänze, gebündelt. Zwei Kannen Blut werden zum Kochen gebracht, denn das Blut soll die Toten anlocken, damit sie die Wahrheit sagen. Ein Würstchen (aus Wien!) wird hineingeschnippelt, dazu gibt es den Satz: "Die Grundfrage bleibt doch immer nach dem Ding. Haben wir´s oder haben wir´s nicht. Das Ding an sich." Jelineks vielgliedrige Variation auf Schuberts "Der Tod und das Mädchen", von welcher uns zuerst "Die Wand" zelebriert wird, kommt blitzironisch und intelligent daher. Der Text ist frivol, tiefgründelnd, aber auch gespickt mit Versatzstücken aus den Dichtungen und Wahrheiten der belichteten Damen. Genial-trivial. Genital-oral. Im bewährten Jelinek-Stil. Regisseur Neuenfels und die sehr talentierten Damen Almut Zilcher und Julia Wieninger haben sich des Textes lustvoll angenommen. Turbulenz im Totenreich. Einst trennte "Die Wand" die Dichterinnen Plath und Bachmann vom Totenreich - oder vom Leben? Die eine steckte ihren Kopf in den Gasofen, die andere verbrannte (sich). Noch immer läßt Jelinek sie sich fragen, "ob der Mann menschlich ist? Nein. Die Frau ist das einzig Menschliche." Zur Erhärtung dieser Behauptung wollen sie noch einmal in die Wand. Bergschuhe werden dem griechischen Gewand hinzugesellt; die Blutsuppe zwischen sich, den Wanderstock zur Seite, ziehen sie los gegen das Unüberwindliche. Pause. Zweiter Teil: "Jackie". Das meint die Kennedy-Onassis. Jetzt ziert ein Flügel die Bühne, und glänzende, plastikverhüllte Riesenfiguren stehen artig drapiert auf der Szene. Eine davon ist Marilyn. Sie steht schwarz und schweiget. Vier Träger kippen Jackie (Elisabeth Trissenar) von einer Bahre auf die Bühne. Sie begrüßt den Pianisten (Armin Pommeranz), dauerlächelt ins Rampenlicht. An der Kleiderordnung für Prominente und der "Lichtgestalt" Monroe arbeitet Jackie ihren Frust ab. Wieder und wieder reflektiert sie den Mord an Kennedy. Ihr Kostüm voll Blut und Hirn, sein offener Schädel, sein verwunderter, verwundeter Blick. Wieder und wieder ventiliert sie das Trauma ihres Lebens, dazu gehören auch ihre totgeborenen Kinder, wieder und wieder memoriert sie die Demütigungen, ihr zugefügt von Marilyn. Die hat zum Geburtstag Kennedys öffentlich ihr Verhältnis mit ihm besungen, öffentlich sich lustig gemacht in der Vogue, wo sie im Outfit Jackies posierte und sie weltweit der Häme aussetzte. Die gesellschaftliche Verurteilung durch die Menge, mehr scheinen zu müssen, als zu sein, ist Jackies zentrales Problem. So jedenfalls sieht Elfriede J. Jackie O., und als wäre sie von Echolalie besessen, wiederholt sie Vorgänge und Aussagen. Ihr Interesse an Jackie O. hat sie einmal so beschrieben: "Ich will mit dem Kopf offenbar immer wieder gegen diese glatt lackierte Oberfläche einer Oberfläche rennen." Mir scheint, mit diesem Teil ihrer Arbeit ist sie selbst in der Oberfläche stecken geblieben. Auch die kunstvolle Darstellung der Trissenar konnte daran nichts ändern. Wie überhaupt diese perfekte, eisigweiße Inszenierung des Friedhofs der Kuscheltiere, des Clubs der toten Dichterinnen mich seltsam leer zurückließ. Eindrucksvoll, hochwertig, tiefgekühlt: bestes Designertheater. * Der Ire Martin McDonagh, 32 Jahre alt, ist seit Shakespeare der erste Autor, der in London in einem Jahr gleich viermal inszeniert wurde und dessen Stücke schon in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt sind. So steht es im Programmheft des Berliner theaters 89 (Torstraße 89), das McDonaghs "Die Beauty Queen von Leenane" aufführt. Zum Inhalt: Mutter und Tochter wohnen zusammen in einem Haus. Die Tochter (40) geht erstmals mit einem Mann ins Bett. Er schreibt ihr danach, daß er mit ihr nach Amerika auswandern will. Die Mutter fängt den Brief ab und verbrennt ihn. Mord und Totschlag sind die Folge. Hans-Joachim Frank hat die Farce mit Christine Gloger und Simone Frost in den Hauptrollen inszeniert. Was ist zu sehen? Rot glüht der Kohleofen, Mutter ruht im Schaukelstuhl, eine irische Melodei geigt durch den Raum, der Brei ist klumpig, es riecht nach Pisse in der schrill bunten Küche. Die poetische Sprache fällt auf. Irisch-bilderreich, melodiös, liebevoll und knallhart sind die Dialoge. Mag Folan (Gloger) ist eine trickreiche, sanft-falsche Alte, Tochter Maureen (Frost) fühlt sich unterschätzt, gedemütigt, von der Mutter dominiert. Sie rächt sich mit Verweigerung und wüsten Beschimpfungen, brennt sie mit heißem Öl, um die Wahrheit aus ihr zu holen. Ein elendes Leben mit schönen Augenblicken, eingebettet in Musik. Gute Geschichte, gute Schauspieler. Es macht Spaß, ihnen zuzusehen. Alsbald aber stockt der Fluß der Sätze, Pausen werden zerdehnt, die Vielfalt der Rollen bleibt einfältig. Man spielt ordentlich vom Blatt, dem verheißungsvollen Auftakt folgt Schauspielerei wie Dienst nach Vorschrift. Die verrückten, rissig-abgründigen Charaktere, die bekloppten, urinkleckernden, rührenden, ergebenen und lebensgierigen Figuren sind deutsch platt gemangelt. Obwohl Simone Frost ihren Kobold dann und wann buchstäblich tanzen läßt, obwohl die schöne Figur des Pato Dooley (Bernhard Geffke) eine reiche Erfindungskraft auslösen könnte, gerät der Abend zu dem, was Loriot treffend und unsinnig sinnvoll in dem Satz zusammengefaßt hat: "Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber nicht sinnvoll." So geht es auch mit dem Irischen. Das ist bedauerlich, denn dieses kleine Theater bietet stets ausgesucht interessante Literatur (Dramaturgie Jörg Mihan), seine standhaften Mitstreiter haben das Zeug zu adäquater Umsetzung. Hätte vielleicht ein ordentlicher Schluck Whiskey geholfen? Der ließe sich nachholen.
Erschienen in Ossietzky 24/2002 |
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