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Ihr hätte kein Weiterso (die dynamische Form des "Keine Experimente" von Konrad Adenauer) zur Seite stehen dürfen: nicht das Beharren auf der Nichtanerkennungspolitik gegen über der DDR (die die SPD mit ihrem mutigen "Streitpapier" zu umgehen versuchte, für das sich aber Erhard Eppler nach der Wende ängstlich entschuldigte) und schon gar nicht die Nachrüstung mit Pershing II-Raketen, wie sie von Helmut Schmidt in Gang und von Helmut Kohl durchgesetzt wurde. Das Geschenk der Einheit, wie der Kanzler im Glück Helmut Kohl den unerwarteten Verzicht Michail Gorbatschows auf das ostdeutsche Protektorat richtigerweise nannte, bot die Chance, ohne Vorbehalt gemeinsam neu anzufangen - fast so etwas wie eine wirkliche Stunde Null. Denn mit dem Ende der DDR hätte sich auch das Bonner Provisorium auflösen müssen. Ja und dann? Statt des verlogenen Beitritts der DDR zur Bonner Republik die gemeinsame Gründung eines gesamtdeutschen Gemeinwesens. Statt Bevormundung und Gängelung der Menschen in den "Neuen Ländern" - oder gar "jungen Ländern" (beide Begriffe sprechen ihnen eine eigene Identität ab) - Ausgleich und Anpassung der in vier Jahrzehnten Teilung entstandenen unterschiedlichen Lebensweisen. Statt der blockierenden Leerformel "Das Grundgesetz hat sich bewährt" ein Verfassungskonvent, dem die noch bis heute fehlende Volksabstimmung gefolgt wäre. Und schließlich statt der inquisitorischen Bewältigung der DDR-Geschichte durch den Bonner Staat die Anerkennung, daß die Bürger dieses zweiten deutschen Staates die Hauptlast der von beiden Regierungen mit verfolgerischer Lust betriebenen Teilung getragen haben. Aber auch statt des albernen Solidaritätszuschlags, der "Soli" genannten Zwangssteuer, und des Milliarden schweren, den Staatshaushalt auszehrenden "Transfers" von D-Mark und Euro (dem ein ansehnlicher Rücklauf in die alten Bundesländer gegenübersteht) ein Ende der die Gesellschaft spaltenden Besitzstandswahrung und eine Angleichung der divergierenden Lebensstandards nach Art der kommunizierenden Röhren. So wäre statt der verordneten Aufholjagd noch immer eine für den Osten erfahrbare Solidarität möglich, die dem technokratischen Unternehmen fehlt. Alles nur utopische Gedanken? Wohl kaum, denn seit dem fahnenrauschenden, röhrenden "Deutschland, einig Vaterland!" lahmt dieses Deutschland sichtlich. Die Bonner Republik war wohl zu sehr geblendet von ihren Erfolgen, um die Chance eines gemeinsamen Neuanfangs zu nutzen, was ja auch Ausdruck politischer Reife gewesen wäre. Geblendet von dem schnellen wirtschaftlichen Aufstieg, von der Vasallenrolle im Bündnis als "partner in leadership" und nicht zuletzt von einzelnen sportlichen Erfolgen (die größeren der DDR wurden heruntergespielt). Der Fußballsieg von Genf 1956 trug bei zu dem törichten Spruch "Wir sind wieder wer" von Ludwig Erhard, mit dem auch jeder Gedanke daran verdrängt wurde, wer wir noch kurz zuvor gewesen waren. Die Bundesrepublik wurde Weltmeister im Export, Zahlmeister in Europa und überschüttete sich dazu noch mit dem Selbstlob, eine stabile Demokratie zu sein und die beste Verfassung aller Zeiten zu besitzen. Anscheinend eine Erfolgsgeschichte für sich. Lauter gewonnene zivile Schlachten und doch kein nachhaltiger Sieg. Jetzt, da die Normalität des Nach- und Nichtkrieges erreicht ist, fehlt es der Bundesrepublik an politischer Substanz. Das hat sich schon an der Handlungsunsicherheit der ersten Schröder-Regierung gezeigt, in der Arbeits- und Sozialpolitik ebenso wie in Fragen der Bündnis- und Sicherheitspolitik. Und so scheint das weiterzugehen. Die Flickschusterei in Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die Unentschlossenheit in den anstehenden Entscheidungen zur Bundeswehr. Die sichtbare Unlust zum Regieren, die täglich demonstrierte Angst vor den Interessenverbänden, vom DGB bis zu BDI und BDA. Gewiß, nach dieser Wahl zwischen Pest und Cholera hatten wir so gut wie nichts zu erwarten. Doch nicht einmal zu versuchen, es besser zu machen, überschreitet das Maß an Nachsicht, Geduld und Hoffnung, das dieser Koalition noch einmal entgegengebracht wurde. Ein demokratisches Gemeinwesen, das so mit seinen gewählten Politikern geschlagen ist, sollte zur Selbsthilfe greifen. Der vorparlamentarische Raum bietet genügend Gelegenheit.
Erschienen in Ossietzky 24/2002 |
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