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Als Meyer nicht lieferte, trat de Levie seinen Anspruch an eine Firma ab, die den Bauern vor dem Amtsgericht Nordenham verklagte. Meyer verteidigte sich mit der Behauptung, er habe beim Vertragsabschluß nicht gewußt, daß der Käufer Jude sei. Amtsrichter Herbert Haag wies am 17. Dezember 1935 die Klage mit folgender Begründung ab: "Ein Jude hat Erzeugnisse des deutschen Bodens aufgekauft. Das Aufkaufen von Erzeugnissen deutschen Bodens durch Juden ist grundsätzlich unsittlich, da es gegen das Anstandsgefühl eines Nationalsozialisten verstößt, den deutschen Heimatboden und dessen Erzeugnisse an Juden zu verkaufen." Nach dem Krieg wurde Haag als Richter in den Ruhestand versetzt und arbeitete danach als Rechtsanwalt. 1951 wurde er wegen Rechtsbeugung angeklagt. Er berief sich auf von ihm nicht näher benannte Gerichtsentscheidungen und Abhandlungen ab 1933, wonach "veraltete" Gesetze im nationalsozialistischen Geist auszulegen seien. Der vom Landgericht Oldenburg zugezogene Psychiater Professor Bürger-Prinz aus Hamburg bescheinigte dem Angeklagten ein "geistig röhrenartig eingeengtes Gesichtsfeld". Er habe als engstirniger Ideologe entschieden, im Glauben an die Richtigkeit seiner Argumentation. Das Landgericht Oldenburg sprach den Richter am 12. Dezember 1951 frei, da er das Recht nicht vorsätzlich gebeugt habe. * Am 22. Juli 1942 stand der Landwirt Michael Götz vor dem Sondergericht in Leslau (heute Wloclawec) im sogenannten Warthegau. Götz hatte 15 jüdische Männer, Frauen und Kinder, die der drohenden Deportation in das berüchtigte Ghetto in Lodz entgehen wollten, im Pferdewagen zu einem Ghetto mit etwas besseren Überlebensbedingungen befördert. Eine derartige Hilfeleistung verstieß gegen kein Strafgesetz. Das Sondergericht verurteilte Michael Götz gleichwohl zum Tode: Durch die Transporte habe er nicht nur einzelnen Juden, sondern dem als Todfeind des Deutschen Volkes anzusehenden Weltjudentum Vorschub geleistet. Das Urteil wurde mit "dem Grundgedanken" des § 91 b StGB ("Feindbegünstigung") und dem "gesunden Volksempfinden" begründet. Einer im Reichsjustizministerium von Staatssekretär Roland Freisler und Reichsjustizminister Georg Thierack erwogenen Begnadigung trat der Leiter der Staatsanwaltschaft Leslau, Oberstaatsanwalt Bengsch, in zwei Gnadenberichten entgegen. Darin machte er sich die Urteilsbegründung zu eigen und betonte die Notwendigkeit einer Bekämpfung des "Judentums". Der Reichsjustizminister lehnte die Begnadigung schließlich ab, obwohl auch im "Dritten Reich" der Grundsatz anerkannt war, daß das Recht zur Begnadigung dann zur Pflicht wird, wenn ein Urteil offensichtlich unrechtmäßig ist. Nachdem drei andere Staatsanwaltschaften die seit 1966 anhängigen Verfahren gegen die übrigen an dem Todesurteil beteiligten Juristen mit bedenklichen Gründen eingestellt hatten, gelangten die Akten im Jahre 1978 an die Staatsanwaltschaft Bückeburg. Mit Einstellungsvermerk vom 23. Februar 1980 verneinte der dortige Leitende Oberstaatsanwalt eine Rechtsbeugung des Alfons Bengsch: Zwar hätten sich die Richter des Sondergerichts der bewußten Rechtsbeugung und des versuchten Mordes schuldig gemacht. Auch habe Bengsch zur Ablehnung einer Begnadigung beigetragen und die Vollstreckung des Todesurteils gewollt. Zweifelhaft sei aber, ob er die vom Sondergericht begangene Rechtsbeugung erkannt habe. Gewiß hätten das Urteil und die beiden Gnadenberichte Bengschs "rassistische, antijüdische Tendenzen erkennen" lassen, aber bei "einem Staatsdiener, der der Staatsführung loyal und treu ergeben war", sei es nicht verwunderlich, wenn er sich für die mit rigoroser Härte durchzusetzenden Ziele der Staatsführung eingesetzt habe. Schließlich sei dem Beschuldigten Bengsch "auch Recht zu geben, wenn er darauf hinweist, daß in einer Zeit, in der vom deutschen Volke täglich an der Front ein hoher Blutzoll verlangt wurde, dem Leben des einzelnen Menschen allgemein ein geringerer Wert beigemessen wurde". Die vom Sondergericht begangene Rechtsbeugung sei für Bengsch auch deshalb nicht erkennbar gewesen, weil bei allen Sondergerichten im Warthegau "die Todesstrafe (...) die am häufigsten verhängte Strafe" gewesen sei. Wenn Bengsch davon überzeugt gewesen sei, daß Götz mit dem damals sogenannten "Personenschmuggel" die "Sicherheit des Reiches ernsthaft gefährdete", hätten ihm wohl auch Warnungen der Sicherheitspolizei (SD) vor Augen gestanden. Danach führte das Entweichen von Juden aus dem Ghetto in Lodz wegen der dortigen "unmenschlichen und unhygienischen Verhältnisse (...) zur Seuchengefahr auch außerhalb des Ghettos, damit zu einer Gefährdung der nichtjüdischen Bevölkerung und zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit deshalb, weil von den Juden, die den katastrophalen Bedingungen des Ghettos entkommen waren, kein freundliches Verhalten gegenüber dem Deutschen Volk zu erwarten war". Im Übrigen dürfe Bengsch letztlich "nicht schlechter gestellt" werden als die anderen an dem Todesurteil beteiligten, aber straflos davongekommenen Juristen. Es erschiene "nicht gerecht, gerade ihn anzuklagen". Das niedersächsische Justizministerium vermochte die mit einer solchen Begründung vorgenommene Verfahrenseinstellung nicht zu billigen. Der schließlich eingeschaltete Amtsarzt stellte bei dem inzwischen 76jährigen Bengsch eine "irreversible Durchblutungsstörung des Gehirns" fest. Darauf wurde das Verfahren nach einer insgesamt 14jährigen Verfahrensdauer am 4. 11. 1980 wegen Verhandlungsunfähigkeit des Beschuldigten erneut eingestellt. Bengsch arbeitete bis Januar 1981 in Rinteln als Rechtsanwalt. * Kurt Bellmann war erst Vorsitzender des Sondergerichts in Hannover, dann, von Dezember 1941 bis April 1945, Vorsitzender des Sondergerichts in Prag. Unter seinem Vorsitz ergingen mindestens 110 Todesurteile. Sie galten u.a. Hörern ausländischer Rundfunksender und Kritikern des NS-Regimes. Eines seiner Opfer war Rechtsanwalt Fleischmann aus Prag. Er hatte Juden Geburtsurkunden mit falschen Angaben über ihre "Rasseeigenschaft" ausgestellt. In dem Urteil vom 22. März 1944 heißt es: "In allen drei Fällen hat der Angeklagte die im Interesse des inneren Friedens der Bevölkerung des Protektorats Böhmen und Mähren getroffenen Maßnahmen zur Regelung der Judenfrage und damit den inneren Frieden selbst sabotiert. (...) Der Beseitigung des destruktiven Einflusses des illegal lebenden Judentums kommt eine so überragende Bedeutung zu, daß Verstöße gegen die gesetzlichen Maßnahmen besonders schwer wiegen." Für todeswürdig hielt Bellmann auch die Hilfe, mit der Tschechen Landsleuten, Juden oder entflohenen russischen Kriegsgefangenen durch Gewährung von Unterkunft und Nahrung das Überleben ermöglichten. Nach Kriegsende wurde Bellmann in Prag zu lebenslänglichem schweren Kerker verurteilt. Im Jahre 1955 wurde er als nichtbegnadigter Verbrecher in die Bundesrepublik abgeschoben. Ab 1. März 1956 amtierte er auf die persönliche Bitte des niedersächsischen Justizministers von Nottbeck wieder in Hannover als Landgerichtsdirektor. Auf Strafanzeigen aus der Tschechoslowakei und der Bundesrepublik stellte die Staatsanwaltschaft Hannover ein Ermittlungsverfahren gegen Bellmann mit der Begründung ein, es lasse sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen, daß das Sondergericht "Strafen verhängt hat, die unter Berücksichtigung aller von der Rechtsordnung zu billigenden Gesichtspunkte nach Art und Höhe in einem unerträglichen Mißverhältnis zur Schwere der Tat und der Schuld der Täter standen. Die Grundsätze der Allgemeinabschreckung standen damals in der gesamten Strafrechtspflege im Vordergrund." In der Einstellungsbegründung wird zu den Strafanzeigen bemerkt: "Die Anzeigen ... sind nichts anderes als Kampfmittel im Kampfe des östlichen Weltkommunismus gegen die westlichen Demokratien und müssen als solche gesehen, erkannt und gewertet werden." * Der Oberstkriegsgerichtsrat und spätere Generalrichter Manfred Roeder war Untersuchungsführer und Mitverantwortlicher für die 49 Todesurteile des Reichskriegsgerichts in dem Verfahren gegen die Mitglieder der "Roten Kapelle". Die von der NS-Propaganda mit diesem Namen belegte locker zusammenhängende Gruppierung von Intellektuellen, Linksliberalen und einigen Kommunisten hatte Funkkontakte mit der Sowjetunion aufgenommen, ihre engagiertesten Köpfe waren Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack. Roeder führte auch die mit der Ermordung der Beschuldigten endenden Ermittlungsverfahren gegen Hans von Dohnanyi und Dietrich Bonhoeffer. Auf die am 15. 9. 1945 gestellte Strafanzeige des mit dem Leben davongekommenen späteren niedersächsischen Kultusministers Adolf Grimme hin mußte die Staatsanwaltschaft Lüneburg gegen Roeder ermitteln. Staatsanwalt Hans-Jürgen Finck und seine Dienstvorgesetzten verneinten in der Verfahrenseinstellung jeden Verdacht einer Rechtsbeugung des Beschuldigten Roeder. Die Verfahrenseinstellung wurde in der Öffentlichkeit kritisiert. Die Staatsanwaltschaft hielt aber an ihrer Entscheidung fest, mit nur leicht abgeschwächter Begründung. Der Abschlußbericht Fincks vom 12. 5. 1951 kam zu dem Ergebnis, die Prozesse vor dem Reichskriegsgericht seien "ordnungsgemäß" abgelaufen und die Angeklagten mit Recht zum Tode verurteilt worden. "Grundlage der ›Roten Kapelle‹ (...) war Landesverrat. Landesverrat (...) hat immer und zu allen Zeiten als das schimpflichste Verbrechen gegolten. (...) Auch von der Gruppe des 20. Juli (ist) in umfassendem Maße Landesverrat und Spionage betrieben worden." Die Militäropposition habe ein "ungeheures Maß von Schuld (...) auf sich genommen". Andere deutsche Männer, die mit Hitlers Kriegs- und Staatsführung nicht einverstanden waren, aber "als Soldaten und in Verwaltung und Wirtschaft ihre Pflicht taten (...), würden es sicher mit Entrüstung abgelehnt haben, mit Männern wie Beck, Canaris, Oster, v. Dohnanyi (...) auf die gleiche Stufe gestellt zu werden." Für Finck stand fest, "daß es sich bei der Geheimen Staatspolizei um eine absolut normale Polizeiorganisation handelte". Dagegen bestand für ihn "die Mehrzahl der überlebenden Zeugen (...) aus Menschen, die sich in einen maßlosen Haß gegen den nationalsozialistischen Staat hineingesteigert haben". In der Auseinandersetzung mit solchen Kontinuitäten in der Strafjustiz, die sich bis weit in die 1990er Jahre fortgesetzt haben (erinnert sei an die Weigerung des Bundesgerichtshof, das Landesverratsurteil gegen Carl von Ossietzky zu revidieren), bemüht sich der Verein Forum Justizgeschichte (e-mail: weber@forum- justizgeschichte.de) um Selbstaufklärung der Juristen über ihre fortbestehende Verführbarkeit zur Macht.
Erschienen in Ossietzky 23/2002 |
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