Olaf Scholz, SPD-General. - Frisch im Amt haben Sie gleich einen medien-wirksamen Treffer gelandet: Eltern, deren Kinder die Schule schwänzen, sollen ein Bußgeld zahlen. Der SPD-Parteitag soll diesen Vorschlag zum Beschluß er-heben. Wenn die Länder ihn dann umsetzen, werden zumeist solche Familien zur Kasse gebeten, deren Kindern das deutsche Schulsystem laut PISA sowieso keine Chance gibt, qualifizierte Bildungsabschlüsse zu erreichen. Zum Schaden also der Spott, zahlen zu dürfen - eine sozialdemokratische Version von sozialer Gerchtigkeit.

Claudia Roth, Grünenvorsitzende. - Schon wollten Sie, erbittert über den Undank einer Sperrminorität in Ihrer Partei, das Vorstandsamt hinwerfen und nur noch Ihr Mandat im Bundestag wahrnehmen, da kam ein Helfer. Der Rockstar Bruce Springsteen gastierte in Berlin, Sie besuchten das Konzert, und danach war die grüne Welt wieder in Ordnung: "Springsteen war unheimlich kämpferisch, und so dachte ich: Komm, Roth, sei verantwortlich." Sie wollen also - gemeinsam mit Fritz Kuhn - Parteivorsitzende und Abgeordnete zugleich sein. Wenn Ihnen das gestattet wird, haben Sie es aber nicht der Ermutigung durch den Rockstar zu verdanken, sondern dem Willen der grünen Basis in Gestalt des Parteimitglieds Joseph Fischer. Der wird, wenn er auf Ihre Dienste nicht verzichten will, so lange abstimmen lassen, bis das richtige Ergebnis herauskommt.

Bernd Lunkewitz, Verleger. - Die Tageszeitung Neue Westfälische hat unter dem Titel "Zwischen Marx und Mehrwert" ein Interview mit Ihnen als dem Inhaber des Aufbau Verlages veröffentlicht. Gefragt wurden Sie darin: "Verdient man als Autor in Ihrem Verlag mehr Geld als anderswo? Immerhin gelten Sie ja als bekennender Marxist." Diese Vorstellung wollten Sie gern weiter gelten lassen, Honoraransprüche hingegen möglichst niederhalten, und so war Ihre Antwort: "Eben deshalb halte ich mich an die kapitalistischen Gepflogenheiten." Ihr "eben deshalb" ernst nehmend, sind wir nun endlich imstande zu begreifen, woran es liegt, wenn es im Verlagsgeschäft richtig kapitalistisch zugeht: Unter den Verlegern wimmelt es von Marxisten, bekennenden.

Stefan Aust, Spiegel-Chefredakteur. - Sie haben Mitte Oktober auf der Frankfurter Buchmesse dem Droemer-Verlag zu prüfen versprochen, warum die Anzeigen-Abteilung des Spiegel-Verlags eine Anzeige für Otto Köhlers Augstein-Biographie zurückgewiesen hat. Anscheinend gestaltet sich diese Prüfung so aufwendig, daß sie bisher zu keinem mitteilbaren Ergebnis geführt hat. Wir wollen Ihnen helfen. Es liegt ganz bestimmt nicht daran, daß der Spiegel zur Zeit an einem Anzeigen-Überfluß leidet. Es könnte aber eine in der Anzeige zitierte Pressestimme sein, in der dem Autor Köhler bestätigt wird, es sei ihm "wie nebenbei ein grelles Sittengemälde des Spiegel-Obristen samt seines Hofstaates geglückt". Spiegel-Leser wissen mehr, das wissen wir seit Jahrzehnten. Ein getreuer Chefredakteur aber muß darüber wachen, daß sie nicht zu viel über den Herausgeber wissen.

Joachim Bruhn, Fachmann für linke Ideologie. - In der Zeitschrift konkret haben Sie einen Mißerfolg der PDS als "Glücksfall" beschrieben und eine schwerwiegende Begründung für dieses Urteil dargelegt: Mit ihrer Kampagne "Geld ist genug da" habe diese Partei "im Volksverein mit Oswald von Nell-Breuning und Jörg Huffschmid von Attac" sich daran gemacht, "die Polemik gegen das ‚Finanzkapital' und damit, objektiv betrachtet, den Antisemitismus zu schüren". Herr von Nell-Breuning lebt zwar längst nicht mehr, aber das Finanzkapital existiert immer noch, objektiv betrachtet, und in seiner Vitalität richtet es ziemliche Verheerungen an. Schüren Menschen, die dies kritisieren, antisemitische Stimmungen? In jedem Falle? Eine solche gedankliche Kombination ist nur für den unausweichlich, der in einem verborgenen Winkel seiner Gefühlswelt die Legende aufbewahrt hat, das Spekulieren an der Börse sei eine jüdische Eigenart.

Erschienen in Ossietzky 22/2002