Anne Dessau, Nicht ganz unbeweibt

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Nicht ganz unbeweibt

"Das Gastmahl" nach Platon, dargeboten vom Maxim Gorki Theater im Stadtbad Oderberger Straße, Regie: Stephan Müller. Der Ort müffelt nach vergangenen Badefreuden. Umlaufgalerien, Kapitelle, schwungvolle Bögen erzählen vom einstmals lustvollen Geschehen im grüngekachelten Geviert, Farbe blättert, wohin der Blick fällt. Publikum sitzt im leeren Becken, schaut auf eine rot beplankte Stellage, Spielpodest für die Akteure. Ein Musiker (Gerd Bessler) stimmt uns mit seiner Gitarre auf "Das Gastmahl" mit Wein und Gesang ein. Ohne Weib. Das "Symposion", zeremonielles Trinkgelage in der griechischen Welt, fand dazumal in einem "Männerraum" statt. Dort wurde diskutiert, schwadroniert, schrankenlos fraternisiert. In genußreichen Diskursen wurden die Themen Liebe, Sex und selbstverständlich Trinken bewegt.

Auftritt der Schauspieler. Sie stampfen hechelnd mehrmals ums Beckenrund, steigen dann auf die roten Planken, dampfend, schwitzend. Akteur 2 (Thomas Bischofsberger) stimmt uns auf die Tonart des Abends ein mit einem Witz über Schauspieler. Ironie ist angesagt. Vier Schauspieler, ein Tänzer und der Musiker, sechs Männer also, trinken, singen, betreiben gebremst gymnastische Übungen und führen sich mal hitzig, mal gelassen auf. Was ist Eros? lautet die zentrale Frage ihres Gespräches. Einst gab es die Kugel, das Mannweib, das wurde getrennt, seither irren Männlein und Weiblein in Sehnsucht umher, begehren die verlorene Hälfte, wollen glücklich sein, vollkommen werden durch Vereinigung. Faunisch tanzen die beschwipsten Herren, Alexander Lang als Sokrates mehr wie ein Waldschrat, aber er darf (und kann) dafür seinen Geist leichtfüßig erheben über alle. Wortgewandt, redegewaltig führt er seine Zechkumpane aus dem Dickicht ihrer Sprechhülsen, verführt sie, seinen Gedanken zu folgen, welche - man höre und staune - die einer Frau sind. Diotima, eine Priesterin aus Manti neia, habe erst kürzlich davon gesprochen, sagt Sokrates, daß dies ganze Sehnen und Wollen, die Suche nach der einzig verwandten Seele nicht mehr und nicht weniger ist als die Sehnsucht des Menschen nach Unsterblichkeit.

Eine amüsante reichliche Stunde lang erleben wir faselnde, salbadernde Männer, die sich als Nabel der Welt gerieren und doch der Weisheit letzten Schluß von einer Frau entgegennehmen müssen. Ha! Die Ironie ist: Sie merken es nicht einmal, sind betrunken, schlafen ein. Zufrieden mit seiner Beweisführung nimmt Sokrates ein Bad und geht seinem Tagwerk entgegen.