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Die Anwesenden, welche diesen Auftritt für eine Showeinlage halten, applaudieren heftig.) Der Angetrunkene: Das Gscheit'ste, was das Publikum machen kann, is das Klatschen. Das Dümmste, was das Publikum machen kann, is das Klatschen, noch bevor man was g'sagt hat. (Der Applaus bricht blitzartig ab. André Heller geht auf den Angetrunkenen zu und legt ihm mitmenschlich die Hand um die Schulter. Heller sagt ihm freundlich, daß er, der Angetrunkene, die Bühne jetzt wieder verlassen müsse, denn er, Heller, werde sogleich eine Rede auf Claus Peymann halten, ein Märchen erzählen, welches jedoch in Wahrheit eine beinharte Abrechnung mit der Regierung sei.) Der Angetrunkene (laut) : Die Obrigkeit macht a Gesetz nach dem andern, bis ihr die Gesetze aus der Hand fallen und zerbrechen. Sie erfüllt den Tatbestand der fortgesetzten Gesetzesbrecherei und sitzt ihre Straf' in goldene Zimmer und bei g'spickten Kapaun ab. (Das Publikum der Nestroygala wird unruhig. Claus Peymann eilt, viel zu früh, auf die Bühne, nimmt den Ehrennestroy vom Podest und fragt André Heller, was ein "g'spickter Kapaun" sei. Der Angetrunkene torkelt nach vorne an die Rampe und schreit ins Publikum.) Der Angetrunkene: Diese Regierung opfert sich so lange für das Volk auf, bis das Volk das Opfer is! (Ein anschwellendes Murren geht durch das Publikum. Monika Lindner, die Direktorin des ORF, steigt auf die Bühne. Die halbe Belegschaft steigt ihr nach. Frau Lindner fragt den Angetrunkenen, ob seine Aussagen mit der Rechtsabteilung akkordiert seien. Der Generaldirektor der Ersten Österreichischen Bank und mit ihm ein Großteil der anwesenden Unternehmer steigen auf die Bühne. Der Generaldirektor sagt barsch zum Angetrunkenen, daß er und seine Kollegen von der Wirtschaft nicht bereit seien, ihre Sponsorengelder für eine derart billige Politshow herzugeben. Dutzende von Menschen gehen auf die Bühne und drücken dem Angetrunkenen ihren Unmut aus. Sie ziehen ihre Handys und rufen Nichtanwesende an, um sie über das Vorgefallene zu informieren. Die Bildungsministerin, Frau Gehrer, und mit ihr mehrere Sektionschefs und Ministerialräte klettern auf die Bühne. Die Ministerin sagt zum Generaldirektor der Ersten Österreichischen Bank, daß sie bis jetzt schweigend und verbittert diesem unwürdigen Schauspiel beigewohnt habe, aber sein mutiges Auftreten habe ihr das Herz und den Mund geöffnet. Sie gibt dem Generaldirektor einen Kuß. Franz Morak steigt auf die Bühne und stellt sich dem Angetrunkenen, der schon schwer zu finden ist, als zuständiger Staatssekretär für Kultur vor.) Der Angetrunkene (macht sich schreiend Luft): Steigt's alle auf eine Giraff, reitet's auf dem Himalaya-Gipfel herum und ihr werdet's, auch durchs Riesenteleskop betrachtet, noch immer niedrige Erscheinungen sein. (Franz Morak zückt sein Handy und ruft Wolfgang Schüssel an. Er sagt ihm, daß auf der Nestroygala ein Künstler rede, der schlimmste Parteipropaganda betreibe. Josef Cap, der hinter den Kulissen steht, zückt sein Handy, ruft Alfred Gusenbauer an und sagt ihm, daß auf der Nestroygala ein Künstler rede, der noch nicht für die Partei unterschrieben habe. Klaus Bachler, der amtierende Direktor des Burgtheaters, merkt, daß sich die Mehrheit des Publikums bereits auf der Bühne befindet. Er geht auf diese zu, sagt aber nichts. Zwei Ordnungskräfte, einer von der Kronen Zeitung und einer von der Presse, wollen den Angetrunkenen von der Bühne holen, können ihn jedoch in der Menge nicht mehr ausnehmen. Der Innenminister Ernst Strasser, der inzwischen vom Bundeskanzler über Handy verständigt wurde, stürmt mit zehn neuernannten Spitzenbeamten die Bühne. Sie finden den Angetrunkenen und drücken ihm 40 Euro und ein Ticket in die Hand. Die Bühne ist brechend voll mit telefonierenden Menschen. Andrea Eckert, die Moderatorin des Abends, fleht die Umstehenden an, mit dieser Schmierenkomödie aufzuhören. Sie wird von einem Standard-Redakteur niedergemacht. Karl Welunschek, der Leiter des Rabenhoftheaters, der schon länger auf der Bühne steht, ruft Heinz Sichrovsky, den Leiter der News-Kulturabteilung, der schon die längste Zeit auf der Bühne steht, über das Handy an und beschimpft ihn. Er, Sichrovsky, ein Mitglied der Jury, habe ihm, Welunschek, den Nestroy-Spezialpreis fix versprochen und jetzt sei er völlig leer ausgegangen. Sichrovsky verteidigt sich, daß auch er innerlich völlig leer sei. Landeshauptmann Pröll und Bürgermeister Häupl zwängen sich durch die telefonierende Menschenmenge auf der Bühne und schütteln jedem freundlich lachend die Hand. Sie kommen nur schwer weiter. Claus Peymann merkt, daß er völlig vergessen wird, und wirft mit dem Schrei "Ich verzichte!" den Ehrennestroy von der Bühne in den Saal. Der Ehrennestroy kollert vor die Füße von Hermann Beil, der als letzter und einziger im Zuschauerraum sitzt. Neben ihm stapelt sich die fünfzehnbändige Rommel-Ausgabe der Werke Johann Nestroys. Ab und zu blättert er in einem Band und beobachtet ansonsten den Ablauf der Ereignisse auf der Bühne.)
Erschienen in Ossietzky 22/2002 |
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