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Die Kinder des Dorfes trugen die von den Gästen mitgebrachten Abzeichen, die die Flaggen Israels und Palästinas vereint zeigten. Keiner trug eine Waffe. Alle waren glücklich, denn sie hatten gerade einen harten Tag der Olivenernte hinter sich. Sie waren zusammen unter den Bäumen gewesen. Sie waren auch zusammen gewesen, als die israelischen Siedler das Feuer eröffneten. Dies geschah mitten im palästinensischen Gebiet nach zwei Jahren gewalttätiger Konfrontation. Ein Fest israelisch-palästinensischer Verbrüderung inmitten blutiger Angriffe. Eine menschliche Erfahrung. Ein politischer Akt. Ein symbolisches Ereignis. * Seit biblischen Zeiten sind die Olivenbäume das Symbol dieses Landes gewesen. Sie haben die Bauern vieler Generationen - Kanaaniter, Israeliten und Araber - am Leben erhalten. Das ganze Jahr über arbeiten die Menschen hier in den Olivenhainen, die vom Vater auf den Sohn vererbt werden, sie beschneiden die Bäume, bearbeiten den Boden, entfernen Unkraut. Während der wenigen Erntewochen pflückt die ganze Familie die Oliven, denn sie müssen zur richtigen Zeit abgeerntet und zur Olivenpresse gebracht werden, wo die goldene Flüssigkeit herausgepreßt wird, das Olivenöl. Das sind Tage der Freude. Eine ganze Familie kann von zehn Olivenbäumen leben - ohne sie könnte sie nicht existieren. Je härter die Besatzung wird, die freie Bewegung einengt und den Lebensunterhalt verweigert, desto abhängiger werden die Dorfbewohner von den Olivenbäumen. Deshalb sind die Aktionen der Siedler so heimtückisch. Sie versuchen, die Ernte zu verhindern, die Früchte zu stehlen oder die Bäume abzubrennen. Ihre Aktionen erinnern an eine der schlimmsten in der Bibel beschriebenen Taten: die Geschichte von Naboths Weinberg (1. Könige 21): "Naboth der Jesreeliter hatte einen Weinberg in Jesreel, sehr nahe am Palast des Ahab, des Königs von Samaria. Und Ahab redete mit Naboth und sprach: Gib mir deinen Weinberg, ich will mir daraus einen Gemüsegarten machen, weil er so nah an meinem Hause liegt. Ich will dir einen besseren Weinberg geben als diesen, oder wenn es dir gefällt, will ich dir Geld dafür geben. Und Naboth sagte zu Ahab: Das lasse der HERR fern von mir sein, daß ich dir meiner Väter Erbe geben sollte..." Doch Isebel, Ahabs Frau, ließ falsche Zeugen kommen, und Naboth wurde zu Tode gesteinigt. So erhielt Ahab den Weinberg. Am Ende leckten die Hunde das Blut von beiden, von Ahab und Isebel. Aber im Vergleich zu den Siedlern von heute war die boshafte Isebel noch ein Beispiel von Rechtschaffenheit. Die Siedler nehmen die Olivenhaine der Dorfbewohner ohne Bezahlung, ohne irgendeine Gegenleistung auch nur anzubieten, in Besitz. Sie schießen nur. Ein palästinensischer Junge wurde so von ihnen erschossen, während er Oliven pflückte. Und Hunderte wurden weggetrieben. Fast jedes palästinensische Dorf hat Olivenhaine, die an eine Siedlung oder einen von Siedlern kontrollierten sogenannten Außenposten grenzt. Wenn sich die Besitzer nähern, um den Boden unter den Bäumen für die Ernte vorzubereiten oder um die Oliven zu ernten, schießen die Siedler auf sie - "nach Absprache mit der Armee". Der einfache Vorwand: Wenn die Dorfbewohner nahe der Siedlung ernten, könnten sie sehen, was dort geschieht, und die Siedler bedrohen. Das ist eine monströse Verdrehung des Rechts: eine Siedlung mitten in eine von Palästinensern dicht besiedelte Umgebung zu setzen und denen dann zu verbieten, ihr Land zu bearbeiten, weil dieses nahe der Siedlung liegt. In einigen Fällen beließen es die Siedler nicht beim Schießen, sondern fielen in die Olivenhaine ein, trieben die Dörfler weg und raubten die schon gepflückten Oliven. Die Propheten Israels wären geschockt. Raub am hellen Tage. Und die Armee sieht zu und tut nichts dagegen. Die Siedler sind bösartiger als Ahab und Isebel. Sie wollen den Dorfbewohnern das Leben zur Hölle machen, um sie dahin zu bringen, das Land zu verlassen. Das nennt man dann "freiwilligen Transfer" oder "ethnische Säuberung". Für anständige Israelis bedeutet das: Sie machen sich auf, um den Dorfbewohnern bei der Olivenernte zu helfen, bevor die Früchte an den Bäumen verfaulen oder gestohlen werden. Sie bilden einen lebenden Schutzschild gegen die Siedler. Hunderte von Israelis haben in der vergangenen Wochen gemeinsam mit Leuten der Internationalen Solidaritätsbewegung (ISM) genau das getan. Diesmal reagierten 260 Israelis auf die Anfragen verschiedener Friedensorganisationen (Gush Shalom, Ta'ayush, die Frauenkoalition, ein Teil von Peace Now u.a.). Sie teilten sich auf die Dörfer auf, wo das Ernten am gefährlichsten ist. Mein Los war es, mit nach Havarah zu gehen, ein Dorf zwischen zwei hohen Bergen. Seine Olivenhaine liegen an den steilen Hängen, die voller Felsen und mit stacheligen Büschen bewachsen sind. Der Aufstieg war schwierig. Immer wieder fiel jemand hin und bekam Kratzer ab. Als alle an Ort und Stelle waren, begannen Gruppen von Israelis und Palästinensern mit dem Pflücken. Anders als üblich schlugen die Besitzer der Bäume mit Stöcken in die Äste, damit die Früchte auf die grünen Plastikplanen herunterfallen sollten, die unter den Bäumen ausgebreitet waren. Das ist zwar nicht so gut für die Bäume, geht aber schneller; denn die Zeit für die gemeinsame Ernteaktion war knapp bemessen. Jeder arbeitete fieberhaft, hielt die fruchtbeladenen Äste und füllte Eimer und Säcke oder sammelte vom Boden auf. Jede Olive ist kostbar. Sportliche Männer und Frauen kletterten in die Bäume und füllten Hüte und Plastiktüten. Als einige die Bergkuppe erreichten, standen sie plötzlich den Siedlern von Yitzhar gegenüber, einem berüchtigten Nest von Fanatikern, die in Sabbatkleidung, schwarzen Hosen und weißen Hemden, ihre Gewehre hielten. Sie bedrohten die Pflücker, schossen in die Luft und auf den Boden, einer der israelischen Pflücker wurde von einem Klumpen Erde getroffen, das Echo der Schüsse hallte zwischen den Bergen. Vierzig Minuten später erschienen Soldaten, die die Siedler zunächst herzlich begrüßten und dann den Pflückern befahlen, das Gebiet zu verlassen. Sie erklärten, die Siedler hätten recht, wenn sie das Feuer eröffneten, weil die Pflücker die Siedlung gefährdeten. Die Pflücker machten hartnäckig weiter, da sie sich in der Begleitung der israelischen Erntehelfer sicher fühlten. Aber nach und nach wurden sie von den Siedlern den Abhang hinuntergedrängt. In den anderen Olivenhainen konnte die Arbeit ohne Unterbrechung fortgesetzt werden. Währenddessen wurden Zigaretten ausgetauscht, trotz der Sprachschwierigkeiten Gespräche angefangen, zunächst zurückhaltend, dann lebhafter. Einige der Dorfbewohner sprachen Hebräisch und erzählten von den Orten, an denen sie in Tel Aviv gearbeitet hätten. Bevor die Dunkelheit anbrach, wurden die Planen eingesammelt und zusammengefaltet, die Leute schulterten die schweren, vollen Säcke oder luden sie den Eseln auf und begannen den Abstieg von den steilen Abhängen, von einer Terrasse zur andern. Für die jungen Burschen der Gegend war es kein Problem; die Älteren und die Gäste bewegten sich vorsichtiger, hielten sich an den Büschen fest und halfen sich gegenseitig. Viele glückliche Leute sah ich. Diejenigen, die den Rowdys getrotzt hatten, waren glücklich, weil sie nicht geflohen waren. Die israelischen Pflücker waren glücklich, weil sie eine politische Demonstration mit einer nützlichen Tätigkeit hatten verbinden können. Die Palästinenser waren glücklich, da sie wenigstens einen Teil ihrer Ernte gerettet hatten. Sie trugen die schweren Säcke auf ihren Schultern. Am Fuß des Berges wurden die Säcke auf Esel und alte Karren geladen, die aussahen, als würden sie jeden Augenblick auseinanderfallen. Schließlich gab es einen bewegenden Abschied: Hunderte von palästinensischen Männern, Frauen und Kindern winkten begeistert den abfahrenden Israelis nach, auf dem Dorfplatz, in den Gassen und aus den Fenstern - ein ganzes Dorf. Das war der beglückende Lohn einer Tagesarbeit. Nachbemerkung der Übersetzerin Ellen Rohlfs: In Yanun bei Nablus ging die Olivenernte weniger glimpflich ab. Die Bewohner hatten ihr Dorf kürzlich wegen der täglichen Schikanen durch die Siedler von Itamar verlassen und wagten sich nun nur mit Hilfe von Freunden aus der Internationalen Solidaritätsbewegung (ISM), die ähnlich wie in Havarah als lebende Schutzschilde fungierten, in ihre Olivenhaine. Doch sofort kamen die Siedler mit Stöcken und Steinen. Die heftig attackierten vier Ausländer erlitten mehrfache Knochenbrüche und auch Gesichtsverletzungen. Die Siedler nahmen ihnen - mitten im "autonomen Gebiet" der Palästinenser - sogar die Pässe und das Geld ab.
Erschienen in Ossietzky 22/2002 |
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