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Als Nachrücker in die Schlüsselpositionen der Macht stehen außerdem Jiang Zemins bisherige rechte Hand im Parteisekretariat, Zheng Qinghong (vielleicht der künftige Volkskongreß-Präsident) und der einflußreiche Gouverneur Hu Qingtao aus der Provinz Ganzhu bereit. Hu könnte neuer Staatspräsident werden. Der Parteitag wird die Vorentscheidungen treffen. Der Nationale Volkskongreß im März nächsten Jahres wird sie zu bestätigen haben. Was sich für die Menschen in der Volksrepublik ändert, ob sich für sie überhaupt etwas ändert, hängt weiterhin fast ausschließlich von Jiang Zemin ab. Er ist ja bisher nicht nur Staatspräsident, sondern auch Vorsitzender der Kommunistischen Partei und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission. Selbst wenn er sowohl als Staatsoberhaupt wie auch als Parteivorsitzender abtritt - das Steuer der Volksbefreiungsarmee wird er nicht aus der Hand lassen. Ersichtlich strebt er die Macht eines politischen Halbgottes an, wie sie auch Deng Xiaoping und davor Mao Zedong in ihren späten Jahren ausübten. Unterstützt wird er von Parteikadern und städtischen Eliten, die beide ein vitales Interesse am "Weiter so!" in China haben. Sie wollen möglichst ungestört ihren einträglichen Geschäften nachgehen. Jiang, immer bemüht, Garant dieser Interessen zu bleiben, stilisiert sich seit einiger Zeit zum Theoretiker. Seine "Drei Repräsentativen" werden sogar als "Weiterentwicklung des Marxismus" ausgegeben: "Fortschritt zum Nutzen des Volkes; Modernisierung und Mehrung der Produktionskräfte; Entwicklung einer modernen Kultur". Diese Worthülsen und das sie umrankende Geschreibsel haben unter Intellektuellen in China und seinen Nachbarländern viel Spott hervorgerufen. Jiangs Schwulst ist nicht einmal vulgärmarxistisch. Die alles erfassenden wirtschaftlichen Umwälzungen der letzten Jahre bis hin zum Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) und die ersten heftig spürbaren Folgen der Globalisierung haben eine krypto-kapitalistische Gesellschaft in Abhängigkeit von den Weltmärkten geformt. China ist sozialistischen Prinzipien und Idealen kaum noch verpflichtet, die den Staat führende Kommunistische Partei vom Kommunismus Lichtjahre entfernt. Politische und kulturelle Wertmaßstäbe fehlen. Jiangs "Repräsentativen" bieten keine Hilfe. Aber die Jiang-KP ist aufgrund ihrer Machtfülle zum Bewahrer der politischen Stabilität geworden. Zum Wert an sich. Eindrücklich präzisiert das der Schriftsteller Zhang Xianliang. Nach Jahren im Arbeitslager hat er seinen Frieden mit der KP gemacht und es zu einigem Wohlstand gebracht. Nach seiner Meinung ist die Alternative zur Herrschaft der KP das totale Chaos. "Einige Leute, vorwiegend im Ausland, sagen, zur Lösung aller Probleme Chinas sei ein Staatsstreich notwendig. Aber die Menschen hier im Land wissen, daß wir uns heute nicht noch einmal eine alles erschütternde Revolution leisten können. Die wäre unvergleichlich grausamer und chaotischer als der Bürgerkrieg auf dem Balkan. Die Chinesen würden sich gegenseitig auffressen. Sie würden gerade nicht zunächst nach Freiheit und Demokratie rufen und ein entsprechendes handlungsfähiges System installieren. Sie würden vielmehr mit Banküberfällen und Plünderungen beginnen." Das ist zwar nur die Sichtweise einer Minderheit, der urbanen Eliten, und geboren ist sie aus der Sorge vor dem Verlust des eben erst erworbenen Wohlstands. Aber die Argumentation ist stichhaltig. China hat keine demokratischen Traditionen. Die 1,5-Milliarden-Bevölkerung wird nur von wenigen Klammern zusammengehalten. Sie ist ethnisch stark zergliedert. Die mehr als 50 chinesischen Sprachen unterscheiden sich teilweise noch mehr voneinander als das Holländische vom Schwyzerischen. Chinesisch als Einheitshochsprache gibt es nicht, nur das Peking-Chinesisch als Amtssprache. Es ist das unbestreitbare Verdienst der KP, trotz aller kulturellen und sozialen Widersprüche und Spannungen in der Gesellschaft die staatliche Einheit bewahrt zu haben. Wie lange hält diese Klammer? Spannungen und Belastungen nehmen zu: erste schädliche Globalisierungsfolgen; die hundertmillionenfache und ständig wachsende Arbeitslosigkeit; Pleiten von Staatsbetrieben und Kombinaten; Klimakatastrophen; Hunger; Migrationsströme zu den Zentren des Geldes; mit Unterstützung aus dem Ausland organisierter Protest (ein Schelm, wer z.B. die Falun Gong als eine harmlose spirituelle Sekte bezeichnet); Entwicklung eines städtischen Elendsproletariats. Dies alles vor dem Hintergrund des krassen Reichtums einiger Weniger, der um sich greifenden Korruption, des eklatanten Mangels an legitimierten politischen Institutionen und einer bestenfalls rudimentär zu nennenden Rechtsstaatlichkeit. Jiang Zemin wird nach Ende des Parteikongresses Mitte November vielleicht nicht mehr in allen Ämtern, aber faktisch weiter an der Macht sein: als Gewährsmann und Symbol dafür, daß es irgendwie weitergeht - weiter unter der Führung der KP. Der Ablenkung von den inneren Widersprüchen dient das außenpolitische Ziel, die reiche, industriell sowie politisch hochentwickelte, demokratisch regierte Inselrepublik Taiwan mit ihren nun 23 Millionen Bewohnern heim ins Reich zu holen. Notfalls mit militärischer Gewalt. Die Bürger auf der Insel leben zwar in Sorge vor den Drohungen, aber bisher ist nicht erkennbar, daß sie sich beugen würden. Wäre Taiwan wieder Mitglied der Vereinten Nationen wie vor 1971, als es noch eine Diktatur war, so fände es allerdings mehr Unterstützung der Weltgemeinschaft. Peking müßte viel vorsichtiger agieren. Im September brachte Taiwan deshalb seinen nunmehr siebten Aufnahmeantrag vor den UN-Hauptaus-schuß. Er wurde, übrigens mit tatkräftiger Unterstützung Deutschlands, ohne förmliche Abstimmung abgeschmettert. Der Scheinfrieden zwischen den beiden Chinas beruht also weiterhin nur auf militärischer Abschreckung und (noch) auf dem Vorrang gleichgearteter wirtschaftlicher Interessen. Den Nutzen hat davon die Rüstungsindustrie, besonders jene mit den Landesfarben der USA, Deutschlands und Frankreichs. Ach ja, nochmals zu Falun Gong: Im März und von Juni bis Mitte September gelang es der Pseudo-Religionsgemeinschaft (angeblich von Taiwan aus), sich in einen festlandschinesischen TV-Satelliten einzuhacken. Dessen Sendesignal für die staatlichen Medienanstalten wurde unterdrückt. Stattdessen wurden staatskritische Slogans der Falun Gong übertragen. Man stelle sich vor, das geschähe in Deutschland. Oder mit den Berlusconi-Sendern Italiens. Dann flössen keine Krokodilstränen über die Falun Gong als "unterdrückte spirituelle Gruppe". Sie würde dann auch in Europa verfolgt als das, was sie ist: eine kriminelle Vereinigung. Und die CIA müßte sich einen neuen Deckmantel für ihre Wühlarbeit suchen. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 22/2002 |
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