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So beginnt ein Aufruf, der vor kurzem in der Frankfurter Rundschau als Anzeige erschien. Finanziert worden war sie von einigen Wenigen der Wenigen, auf deren Dasein und Zukunft sich der Appell bezieht. Sympathisanten unterstützten die Bekanntgabe. Die Autoren des Textes wären auf Lehrstühlen deutscher Universitäten falsch vermutet. Sie leben in den USA und in Großbritannien, mit der Ausnahme von Theodor Bergmann, der - nach der Zerschlagung des Naziregimes nach Deutschland zurückgekehrt - in Stuttgart arbeitet. Alle anderen Unterzeichner blieben, wo sie Zuflucht gefunden hatten. Vertrieben worden waren sie aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei. Renate Bridenthal und David Kettler flohen im Kindesalter mit ihren jüdischen Eltern aus Leipzig, Friedrich Katz als Schüler mit den seinen aus Wien nach Mexiko. Georges G. Iggers, in Hamburg geboren, gelangte 1938 in die USA. Seine spätere Ehefrau Wilma entkam aus der Tschechoslowakei nach Kanada. Der Fluchtweg des jungen Kommunisten Theodor Bergmann führte nach Palästina, von da in die Tschechoslowakei und sodann nach Schweden. Eric Hobsbawm, 1917 in Ägypten als Sohn jüdischer Eltern geboren, mußte Berlin, wo er eine Schule besuchte, verlassen und wandte sich 1933 nach London. Dort lebt und arbeitet er bis heute bewundernswert produktiv. Alice Teichova flüchtete achtzehnjährig, als die deutschen und österreichischen Faschisten den Alpenstaat liquidierten, wie ihre ganze Familie von Wien nach Großbritannien - sie im Status eines einreisenden Stubenmädchens. Auch ihr späterer Ehemann, Mikulas Teich, ein Chemiker, der zum Fachmann für Geschichte und Philosophie der Wissenschaften wurde, suchte dort Zuflucht. Wie viel harte Enttäuschung und leidvolle Erfahrung verbindet sich mit jeder dieser Biographien! Wie viel wissenschaftliche Kompetenz! Welches Verdienst, in Jahrzehnten harter wissenschaftlicher Arbeit angehäuft! Alle Unterzeichner sind heute emeritiert, keiner von ihnen hat sich behaglich zurückgelehnt und den Platz des bloßen Beobachters eingenommen. In ihrem Appell argumentieren sie jedoch, wozu ihnen ihre Lebenswege hinreichend Recht geben, nicht allein mit dem Verweis, daß Menschen in Deutschland Unrecht dadurch geschah, daß ihnen nach 1990 Lebensperspektiven verbaut wurden, auf die sie wegen ihres Wissens und nachgewiesener Leistung einen Anspruch geltend machen könnten - vorausgesetzt, Gleichberechtigung wäre ein Prinzip der Berufungspolitik an deutschen Hochschulen. Sie verweisen darauf, daß die Abwicklung derer, die bei Fortexistenz des ostdeutschen Staates aufgrund ihrer Qualifikation nahezu ausnahmslos Lehrstühle an Hochschulen bezogen haben würden, nicht ohne schwere soziale und politische Folgen geblieben ist. Mit der nahezu vollständigen Ausschaltung dieser Gruppe sei in den neuen Bundesländern ein verbindendes Glied zwischen der Intelligenz und der alten Einwohnerschaft verloren gegangen, denn "die neue importierte westdeutsche Führungsschicht und die Mehrheit der ostdeutschen Bevölkerung" seien einander fremd geblieben. Und: Den ins politische Abseits gedrängten Wissenschaftlern, die in der DDR mindestens bis zur Promotion gelangt waren, trauen die Unterzeichner auch zu, daß sie, gäbe man ihnen dazu Gelegenheit, sich den namentlich unter Jugendlichen in Ostdeutschland verbreiteten rechtsextremen Ansichten mit mehr Initiative und Erfolg entgegenstellen würden, als das zugereiste Akademiker tun können, selbst wenn sie wollten. Um es beim Allgemeinen nicht zu belassen: Ein inzwischen am Ende der Vierziger angekommener Historiker, der 1984 seine Doktorarbeit als Assistent an der Humboldt-Universität bei Helmuth Stöcker angefertigt hatte, deren Gegenstand die letzten, am Ende des 19. Jahrhunderts zur Unterwerfung des südlichen Afrika geführten Kriege bildeten, arbeitete bis 1991 - da wurde es geschlossen - am Institut für Allgemeine Geschichte der DDR-Akademie. Von da an folgte ein Wechsel dem anderen, Tätigkeiten in verschiedensten Einrichtungen, die zu seinem Glück so beschaffen waren, daß er sein Fachwissen behaupten und entwickeln konnte. Er legte 1997 eine zweite Dissertation an der Freien Universität vor und habilitierte sich 2002. Seine Publikationsliste ist von ansehnlicher Länge. Die seiner Lektionen und Vorträge auch. Nun gehört der Privatdozent Dr. Dr. Ulrich van der Heyden, dessen wissenschaftlicher Weg hier kurz skizziert ist, zu den Einladenden für eine Konferenz über "Ostdeutsche Sozialwissenschaftler - Wege der Reintegration". Er wie seine Mitstreiter, die als Sprecher für eine "Initiative Sozialwissenschaftler Ost" zeichnen, haben den Eindruck gewonnen, daß "in Politik und Wissenschaft" die Absicht wächst, hochqualifizierte Gesellschaftswissenschaftler "aus der DDR dauerhaft zu integrieren". Mögen sie da richtig sehen. Denn daß ihre "Abwicklung" vor mehr als einem Jahrzehnt nur in Erwartung eines kurzfristigen und obendrein nur geglaubten Nutzens erfolgt wäre, ist so naiv, daß man den Einladenden da gedanklich nicht folgen kann. Doch möchten sie selbstredend nicht unter sich bleiben. Sie hoffen vielmehr, daß Politiker, Parlamentarier, Wissenschaftler und von ihnen noch nicht erreichte Betroffene ihre Konferenz besuchen werden. Das ist ihnen sehr zu wünschen. Und vielleicht geht von ihr ja wirklich ein Anstoß aus, der die eine oder den anderen trotz einstiger Zugehörigkeit zur Organisation der Jungen Pioniere und verflossener FDJ-Mitgliedschaft auf einen ihren Fähigkeiten angemessenen sicheren Platz in Lehre und Forschung gelangen läßt. Es müßten einen solchen Schritt nicht unbedingt jene prinzipiellen Überlegungen leiten, die im eingangs zitierten Aufruf sich aussprechen. Das ganz stille Bedürfnis, die eigene Rolle als "Abwickler" vor sich selbst zu verdrängen oder für andere vergessen zu machen, würde schon reichen. Die Konferenz tagt am 30. November/ 1. Dezember 2002 im Wissenschaftszentrum Berlin, Reichpietschufer 50 (Näheres bei mariokessler@sirecontact.de oder StefanBollinger@compuserve.com). Reichhaltiges Material enthält das Buch von Stefan Bollinger und Ulrich van der Heyden (Hg.): "Deutsche Einheit und Elitenwechsel in Ostdeutschland" mit Beiträgen von Ulrich Busch, Heinz Niemann, Wolfgang Dümcke, Ingrid Matschenz, Helmut Steiner und Fritz Vil mar, trafo verlag, 262 Seiten, 24.80 Euro
Erschienen in Ossietzky 22/2002 |
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