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Die Jury (zu deren Mitgliedern Ossietzky-Mitherausgeber Rolf Gössner zählt) bedachte noch etliche weitere Institutionen mit dieser wenig begehrten Auszeichnung, z.B. auch die Bayer AG in der Kategorie Arbeitwelt (wegen des Urintests, dem sich alle Bewerberinnen und Bewerber um einen Ausbildungsplatz in diesem Großunternehmen unterziehen müssen) und den nordrhein-westfälischen Innenminister Fritz Behrens in der Kategorie Regionalpreis wegen besonderer Verdienste um die Einführung der Videoüberwachung. Der Bundesrat versteckte seinen nunmehr preisgekrönten Beschluß in einem Gesetz "zur Verbesserung der Ermittlungsmaßnahmen wegen des Verdachts sexuellen Mißbrauchs von Kindern". Was die Vorratsdatenspeicherung von Verbindungsdaten der gesamten Bevölkerung mit der Bekämpfung des Kindes-mißbrauchs zu tun haben könnte, ist unerfindlich. Wie lange die Daten gespeichert bleiben sollen, hat der Bundesrat nicht festgelegt. Dies wie sämtliche anderen Details will er der Exekutive zur Regelung in einer Rechtsverordnung überlassen - und macht damit den Bock zum Gärtner. Eigentlich ist es Aufgabe des Parlaments, die Exekutive zu kontrollieren und zu beschränken; aber nun soll diese Aufgabe der Exekutive selbst anheimgegeben werden. Eine Zweckbindung der Daten ist nicht vorgesehen. Bisher dürfen die Nutzungs- und Verbindungsdaten nur gespeichert werden, soweit sie für Abrechnungszwecke erforderlich sind. Nach Beendigung der Verbindung sind diese Daten umgehend zu löschen. Das soll nun nach dem Willen des Bundesrates nicht mehr gelten. Die Betreiber der Telekommunikationsdienste sollen die Daten unentgeltlich speichern und den sogenannten Bedarfsträgern, also Polizei, Strafverfolgungs-behörden, Geheimdiensten etc., zur Verfügung stellen. Die Deutsche Telekom und die anderen größeren Unternehmen dieser Branche müssen mit Kosten im mehrstelligen Millionen-Euro-Bereich rechnen. Der Beschluß des Bundesrats bedeutet: Wenn der Bundestag zustimmt, werden von allen Menschen in der Bundesrepublik sämtliche Nutzungs- und Verbindungsdaten gesammelt - ohne daß der Verdacht einer Straftat oder einer konkreten Gefahr vorliegen müßte. Wer hat mit wem wann wie lange telefoniert oder gefaxt, an wen eine SMS oder eine e-mail geschickt, welche Internet-Seiten aufgerufen, welche Dienste in Anspruch genommen - all diese Daten werden verfügbar. Bei der Kommunikation mit Handys oder sonstigen Mobilgeräten kommen noch die Angaben über den Gerätestandort hinzu. Da immer mehr Menschen immer mehr Aktivitäten im Internet und in sonstigen Netzen entfalten, werden auch immer mehr Lebensbereiche erfaßt. Resultat ist die vollständige telekommunikative Überwachung. Wer nicht komplett durch leuchtet werden will, wird die Netze geflissentlich nicht mehr nutzen. Das schon heute nicht sehr starke Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den e-Commerce, den Handel per Computer, würde durch das geplante Gesetz nachhaltig erschüttert. Auf die gespeicherten Daten hätten nicht nur Polizei und Staatsanwaltschaft Zugriff, sondern ohne effektive Kontrolle auch sämtliche deutschen Geheim-dienste. Die Datenspeicher würden zu einem Selbstbedienungsladen für Verfas-sungsschutz, Militärischen Abschirmdienst und Bundesnachrichtendienst. Gar nicht davon zu reden, daß solche riesigen Sammlungen auch bei anderen "Bedarfsträgern" Begehrlichkeiten auslösen würden, z.B. bei Finanzämtern, Arbeitgebern, Krankenkassen oder bei der Werbewirtschaft - und nicht zu vergessen bei Hackern und Kriminellen. Das Bundesverfassungsgericht hat 1983 klargestellt, daß eine Sammlung per-sonenbezogener "Daten auf Vorrat zu noch nicht bestimmbaren Zwecken" verfassungswidrig ist. Doch genau das soll nach dem Beschluß des Bundesrats zur gesetzlichen Pflicht werden - nur weil mit Hilfe der Telekommunikation auch Straftaten vorbereitet und begangen werden können. Aber auch auf der Straße oder in privaten Wohnungen geschehen Straftaten, ohne daß deswegen (bisher) alle Straßen und alle Wohnungen Tag und Nacht überwacht werden dürften. Die Bundesratsmehrheit hat mit ihrem Beschluß zum Ausdruck gebracht, daß ihr unser Grundgesetz und das darin gewährleistete Telekommunikationsgeheimnis, ja generell die betroffenen Grundrechte gleichgültig sind. Mit der versteckten Art der Beschlußfassung hat die Länderkammer zugleich gezeigt, daß sie an einer öffentlichen demokratischen Auseinandersetzung, wie sie das Grundgesetz vorsieht, kein Interesse hat. Zugleich verrät die Entscheidung des Bundesrats, daß er nichts dagegen einzuwenden hat, unsere freiheitliche Demokratie in einen Überwachungsstaat à la George Orwell umzubauen. Wegen dieser verfassungsfeindlichen Bestrebungen hat der Bundesrat den "Big Brother Award" 2002 im Bereich Telekommunikation verdient. Herzlichen Glückwunsch, Deutscher Bundesrat. Der "Big Brother Award" wurde in diesem Jahr zum dritten Mal vergeben. Der Jury gehören Vertreter mehrerer Datenschutz- und Bürgerrechtsvereinigungen an (Näheres dazu unter www.bigbrotherawards.de). Die diesjährige Preisverleihung fand im Ravensburger Park in Bielefeld statt, der in einem "Modellversuch" des nordrhein-westfälischen Innenministeriums videoüberwacht wird. Minister Behrens behauptet, seit der Installation der Kameras sei die Zahl der Straftaten in dem Park entscheidend zurückgegangen. Tatsächlich ist sie seitdem um 50 Prozent gestiegen. Zurückgegangen war sie vorher, nachdem man das Gelände aufgeräumt, Sträucher zurückgeschnitten, eine Ruine entfernt, Lampen erneuert und die Angebote für Suchtkranke verbessert hatte. Der schleswig-holsteinische Datenschützer Thilo Weichert hielt in Bielefeld die Laudatio auf den Deutschen Bundesrat.
Erschienen in Ossietzky 22/2002 |
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