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"Statt weiterhin die neue Mitte zu beschwören, hat sich die Bundesregierung dazu entschlossen, auf ihre alten und treuesten Verbündeten zu setzen, und das sind für die SPD die Gewerkschaften. Dafür werden die Begünstigten sogar einige Kröten schlucken..." Das mit den Kröten für die Gewerkschaften glauben wir sofort. Die Hartz-Vorschläge sollen "eins zu eins" umgesetzt werden, sagt der Koalitionsvertrag. Das bedeutet: Die Arbeitslosenunterstützung wird für Menschen mit Kindern von jetzt noch 67 auf 60 Prozent gesenkt und künftig nicht mehr jährlich an die Lohnentwicklung angeglichen. Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen erhalten erheblich weniger Geld als bisher, überhaupt wird weniger fortgebildet. Die Arbeitslosenhilfe wird mit der Sozialhilfe zusammengelegt, aus den Nachteilen beider Systeme will man "Synergieeffekte" gewinnen. So werden sich die Zahlungen an Arbeitslose u.a. dadurch verringern, daß Partner- und Verwandteneinkommen angerechnet werden, wie es bei der Sozialhilfe bereits geschieht. Die Billigjobs werden vermehrt, die Einzahlungen der Jobber und ihrer Arbeitgeber in die Sozialkassen sollen aber statt der sonst vorgeschriebenen 40 Prozent nur noch zehn Prozent betragen. Die Beiträge für Arbeitslose in die Renten- und die Krankenkassen werden noch einmal zurückgefahren. Was zur Folge hat, daß dort weitere Finanzierungsnöte auftreten werden, die zu Beitragserhöhungen für alle Beschäftigten führen. Und so weiter. So bricht Rot-Grün in der Arbeits- und Arbeitslosenpolitik mit allen Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit. Es geht nicht mehr um solidarischen Schutz vor Armut bei Verlust des Arbeitsplatzes, nicht mehr um Hilfen zur Wiedereingliederung; jetzt organisiert der Staat die Verelendung, und die zu "Jobcentern" umgestylten Arbeitsämter richten die Menschen auf Dumping-Löhne und -Arbeitsbedingungen zu. Von Schröders angeblicher "Kehrtwende" gegen die Bosse keine Spur. Was wurde aus all den Wünschen der Linken? Wiedereinführung der Vermögenssteuer bei Reichen mit mehr als einer Million Euro Besitz, ähnlich wie in USA, England, Frankreich? Kein Thema mehr in den Koalitionsverhandlungen. Jürgen Trittin sagte dazu bei Sabine Christiansen: Man wolle sich doch nicht die Finger verbrennen an einer Sache, für die sowieso die Länder zuständig seien... Einbeziehung aller Immobilienvermögen in die Erbschaftssteuer, deren Anhebung auf das Niveau vergleichbarer Staaten? Solch überfällige, in Teilen längst vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Maßnahme zur Herstellung von Steuergerechtigkeit findet im Koalitionsvertrag keine Erwähnung. Erhöhung der Tabaksteuer zur Entlastung der gesetzlichen Krankenkassen? Hans Eichel hat sofort eingegriffen: Eine Steuererhöhung werde es mit ihm nicht geben, schon gar nicht gegen die vielen Arbeitsplätze in der Zigarettenindustrie... Typisch war die Reaktion von Schröder und Co. Auf den vernünftigen und längst fälligen Vorschlag aus dem Gesundheitsministerium, die Einkommensgrenze für einen Wechsel von der Gesetzlichen Krankenversicherung in eine private auf das Niveau anzuheben, wie es in der Rentenversicherung gilt. Bisher darf man der solidarischen GKV den Rücken kehren, sobald man mehr als 3325 Euro verdient. In diesem Jahr haben das schon über 300 000 Versicherte getan. Das Gesundheitsministerium hatte vorgerechnet, daß dem Solidarsystem auf diese Weise 1.3 Milliarden Euro Jahr für Jahr kumulierend entzogen werden, also im zweiten Jahr 2,6, im dritten 3,9 Milliarden und so fort. Kaum lag der Vorschlag auf dem Tisch, schrie das Präsidium des Gesamtverbandes der Deutschen (privaten) Versicherungswirtschaft Alarm: Der zu befürchtende Einbruch beim Neugeschäft werde dazu führen, daß der Versicherungsschutz für die älteren Mitglieder nicht mehr zu gewährleisten sei. Außerdem wies der Verband darauf hin, daß ein Großteil der jährlichen 22 Milliarden Euro Beitragseinnahmen an der Börse angelegt werde. Wenn da jetzt was wegbrechen sollte, werde das verheerende Folgen für die Aktienkurse haben. Sofort reagierten die Koalitionäre: Nur noch für Berufsanfänger, die vielleicht in zehn Jahren die Befreiungsgrenze erreichen, soll die Anhebung der Einkommensgrenze gelten - also keine Entlastung für die GKV in absehbarer Zeit. Gerhard Schröder hatte schnell verstanden: Die Pflege der Börsenkurse ist wichtiger ist als eine ausreichende Gesundheitsversorgung für alle. Ähnlich wird es wohl den Ankündigungen ergehen, die Steuer-Schlupflöcher für Unternehmer oder Besserverdienende zu schließen. Bis zur Gesetzesvorlage werden die Lobbyverbände ihren Einfluß in den Ministerien zu nutzen wissen, unterstützt vom Chor der großen Medien. So etwa bei der geplanten Erhöhung des Steuersatzes für privat genutzte Firmenwagen. Im Handelsblatt hieß es dazu per Balkenüberschrift: "Steuerpläne bremsen deutsche Autohersteller". VW habe dem Kanzler schon vorgerechnet, daß dann im Bereich der Mittel- und Oberklassewagen der Absatz um 100 000 zurückgehen werde. Oder bei der Ankündigung, Aktiengewinne generell zu besteuern und hierfür das Bankgeheimnis abzuschaffen. Das Handelsblatt titelte: "Neue Steuer schadet Aktienkultur". Und selbst in der Frankfurter Rundschau stand die Mahnung zu lesen, man könne doch die Leute nicht dazu animieren, Aktien für ihre Rente zu kaufen, um ihnen anschließend die Gewinne wieder wegzusteuern. Nach solcher FR-Logik müßten eigentlich alle Gewinne - ob aus Immobilien, Aktien, Staatspapieren oder anderen Anlagen - von der Steuer befreit werden, weil die Besitzer ja alle für ihr Alter vorsorgen müssen. Einknicken bei Klagen aus dem Unternehmerlager, wohlfeiles Nachgeben bei dessen Wünschen nach Steuererleichterungen jeder Art, auf der anderen Seite weitere Belastungen bei Löhnen und Sozialleistungen - das alles gab es auch schon in der vorigen Legislaturperiode. Der Kurs wird nicht geändert, die Fahrt ins Elend beschleunigt sich. Denn wie sich die Kapital- und Wachstumskrise verstärkt, so verstärken sich die Zumutungen für all diejenigen, die außer ihrer "Ich-AG" nichts oder zu wenig besitzen. Wo sollen die Reichen, die immer noch reicher werden wollen, ihre überschüssigen Kapitalien anlegen, wenn doch die Verkäufe an die Unteren mangels Kaufkraft zurückgehen und damit die Gewinnmöglichkeiten versiegen? Finanzspekulationen allein reichen auch nicht hin. Aber da ist noch der Staat. Der kann und soll jetzt wieder mehr Schulden machen! Das ist die kleine Kurskorrektur. Bei vermehrter Ausgabe von Staatsanleihen haben all die überzähligen Milliarden, die den Reichen per Steuererlaß auf die Konten geflossen sind, wieder eine sichere Anlagemöglichkeit mit Zins und Zinseszins. Dei USA exerzieren vor, wie solch vom Staat geliehenes Geld nicht doch wieder zu höheren Sozialausgaben führen muß - was ja die Reichen sehr stören würde. Mit Staatsschulden werden dort nämlich Rüstungsprogramme auf Erden und im Himmelsraum finanziert und Kriege weltweit geführt. Auf eine ähnliche Ausrichtung könnte die Kursabweichung mittels vermehrter Staatsschulden auch hierzulande hinauslaufen. Unsere halblinken Keynesianer, die jetzt wieder bessere Zeiten wittern, sind aufgefordert, genau aufzupassen, wohin die Reise geht.
Erschienen in Ossietzky 22/2002 |
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