Michael Sommer, DGB-Vorsitzender. - An den Vereinbarungen der roten und grünen Koalitionäre zum Zwecke der Haushaltskonsolidierung des Bundes sei "die Handschrift der sozialen Gerechtigkeit zu erkennen" - so Ihre Stellung nahme bei einem Fernsehauftritt, Wir sind erstaunt über Ihre graphologischen Künste. Die Zeitung Financial Times Deutschland, linker Anwandlungen unverdächtig, beschreibt den Sachverhalt nüchtern: "Rot-Grün will zwei Drittel der geplanten Einsparungen in Höhe von 11,6 Milliarden Euro aus den Sozialetats holen - Drastische Kürzungen für viele Arbeitslose". Es mag dahingestellt bleiben, ob Sie, wenn auch das letzte Drittel bei den Arbeitslosen eingespart würde, eine andere Handschrift erkennen könnten. Solange es die der Regierung Schröder ist, werden Sie sicher weiterhin den Glauben predigen, es gehe sozial gerecht zu.

Hans-Christian Ströbele, Vorzeigeaußenseiter. - Die Presse, die Sie gern als Zeugen für eine innerparteiliche Streitkultur bei den Grünen heranzieht, zitiert Ihre Kritik am Bundeskanzler, die längere Laufzeit für das Atomkraftwerk Obrigheim betreffend. Mit seinem bisher verdeckten "Männerwort" gegenüber dem Chef eines Stromkonzerns, der an Obrigheim noch ein bißchen länger und mehr verdienen will, habe Gerhard Schröder den Grünen eine "dicke Kröte" zugemutet. Aber keine Sorge, die Partei, naturnah wie sie ist, wird auch diese Kröte schlucken. Wenn dabei Schluckbeschwerden öffentlich sichtbar werden, schadet das nicht, die Anhänger der Grünen behalten dann das angenehme Gefühl, die Partei sei demokratisch vital geblieben. Schlucken, aber Schluckbeschwerden zeigen - das macht den politischen Charme der Grünen aus, und deshalb kann auch Vizekanzler Joseph Fischer Ihren Auftritten etwas abgewinnen.

Colin Powell, US-Außenminister. - Wir verstehen ja, daß Sie pikiert waren über die Äußerung von Harry Belafonte, der wie Sie aus Jamaika stammt und von dort die schöne dunkle Hauttönung hat. Er hat Sie mit den "privilegierten Sklaven" Ihrer gemeinsamen Heimat verglichen, die - wenn sie unterwürfig und gelehrig waren - von den Feldern als Diener in das Haus ihres Herrn gerufen wurden. Aber "sobald er etwas anderes vorschlägt, als sein Herr hören will, wird er wieder aufs Feld geschickt". Sie meinten, diese Anspielung sei "unglücklich und ein Rückschlag in eine andere Zeit". Das glauben die Sklaven seit langem, aber glauben es auch ihre Herren?

Erschienen in Ossietzky 21/2002