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Sta-Si (in dieser Schreibweise) hat keinesfalls etwas mit dem ähnlich klingenden volkstümlichen Kürzel für die Körperschaft zu tun, der einst in einem inzwischen liquidierten deutschen Staat die Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung oblag und deren Unterlagen heute in einer eigenen Behörde aufbewahrt, gepflegt und bei Bedarf gern veröffentlicht werden, Sta-Si soll hier vielmehr aus Platzgründen und der Einfachheit halber für jenen Verband der bundesdeutschen "Dienste" stehen, deren Tätigkeit die Mütter und Väter unserer Verfassung aus gutem Grund streng voneinander abgeschottet sehen wollten, die jedoch desungeachtet heute so eng vernetzt arbeiten, daß man schon von einer einzigen allmächtigen Super-Behörde für die Sicherheit des Staates, die Staats-Sicherheit (Sta-Si) also, sprechen kann. Diese Arge Horch & Guck setzt sich aus vier Hauptabteilungen (HA) zusammen: - dem Verfassungs"schutz" (VS), dem gelegentlich auch mal die - wenigstens finanzielle - Förderung krimineller Vertreter des nationalen Gedankens obliegt, - dem Bundesnachrichtendienst (BND), der sich beispielsweise der uneigennützigen Unterstützung von Räuber- und Mordbanden sogar im fernen Afrika annimmt und der heldenmütig seiner seit einigen Jahren bestehenden gesetzlichen Verpflichtung zum Abhören jedes einzelnen Auslandstelefonats aller Bundesbürger nachkommt, - dem Militärischen Abschirm-Dienst (MAD), der seine humanitäre Aufgabe so engagiert erfüllt, daß er laut Medienveröffentlichungen schon vor dem Kosovo-Krieg, großherzig die Gesetze außer acht lassend, notleidende Heroinhändler von der albanischen UCK an Panzerfäusten ausbildete, - und dem Bundeskriminalamt (BKA), das, zukunftsorientiert, seiner Zeit stets weit voraus, beispielshalber Telefonüberwachung und große Lauschangriffe längst durchführte, als solch Treiben vom Gesetz noch streng verboten war. Über die fünfte Kolonne, die Organisation "Stay Behind" (Gladio) mit ihren großen Waffenlagern, Liquidierungslisten und Sabotageübungen, spricht seit Sommer 1989 im Deutschen Bundestag leider niemand mehr öffentlich. Die Unterlagen dieser Sta-Si werden zwar auch zentral gesammelt und gespeichert, jedoch, anders als bei der Stasi, unter keinen Umständen der Öffentlichkeit bekannt gemacht. (Nicht einmal dem Bundesverfassungsgericht.) Cum grano salis könnte man angesichts der Machtfülle der Sta-Si von Grau-Zonen-machthabern sprechen statt von Zonen-Machthabern. - Soweit die einführenden Definitionen. Der AStA der Universität Hannover hatte unlängst Gelegenheit, die selbstlosen Bemühungen des o.a. Schildes und Schwertes unserer Demokratie einem breiten Publikum nahezubringen: Er stellte nämlich eine veritable Sta-Si-Agentin in seinen Reihen vor. Unter dem falschen Namen Kirsti Weiß - selbstverständlich mit offiziell gefälschtem Ausweis - hatte eine "inoffizielle Mitarbeiterin" (IM) des VS dort rund zwei Jahre das Amt der Referentin für Presse- und Informationsarbeit bekleidet, gewissermaßen einen Ministerposten der demokratisch gewählten, gesetzlich legitimierten Studierenden-Regierung. Daß "Weiß" in dieser Schlüsselstellung Einblick in alles, aber auch alles genoß, was sich im AStA tat, versteht sich von selbst. Zu diesem Zweck war sie schließlich langfristig von der Sta-Si ausgebildet und nach Hannover geschickt worden, um sich dort - als Pseudostudentin - immatrikulieren und dann wählen zu lassen. Eventuelle Wissenslücken füllte die Agentin durch rege Mit-"Arbeit" in Antifa-Ausschüssen, Anti-AKW-Gruppen und ähnlichen Komitees. Daß "Kirsti Weiß", wahrscheinlich vom Charme der antiautoritären Bemühungen der Kommilitonen überwältigt, unter Tränen nach zwei Jahren ihre ganz anders geartete "Aufklärungsarbeit" gestand, war sicher nicht das Verdienst der Sta-Si. Es soll hier nun keineswegs darum gehen, etwa zu prüfen, inwieweit die zahlreich von der IM "Kirsti" unter falschem Namen unterzeichneten Verträge, Dokumente und Presseerklärungen als rechtsgültig angesehen werden dürfen, ob die Wahl einer getarnten Agentin nach dem Gesetz überhaupt legal war. Das muß ein Gericht entscheiden, denn der AStA wird, wenn er gut beraten ist, klagen. Der Fall ermöglicht vielmehr erheblich weitergehende Schlußfolgerungen. Wenn Studentenkammern bespitzelt werden, läßt sich annehmen, daß dies bei Handwerks-, Ärzte-, Industrie- und Handelskammern, bei Arbeiter-, Angestellten- und Apothekerkammern grundsätzlich nicht anders ist. Die staatliche Unterwanderung von Parteien - beileibe nicht nur der NPD - darf man inzwischen als bekannt voraussetzen, ebenso die Infiltration ausnahmslos aller Gewerkschaften. Erwiesen ist auch die bundesweite Bespitzelung unzähliger demokratischer Vereine und Verbände, von der Humanistischen Union bis zur Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Gespräche auf der Straße oder in der Tram werden be lauscht und Bahnhofsbuchhandlungen elektronisch überwacht. Die Zahl der im zentralen NADIS-Computer der Sta-Si gespeicherten Bürgerinnen und Bürger wird begründet auf inzwischen 40 Millionen geschätzt. (Personennummer 14 572 473 beispielsweise bedeutet: Dietrich Kittner, Geburtsland: "PBO" - polnisch besetzte Ostgebiete!) Kirchengemeinden und Jugendgruppen werden ausgeforscht, Betriebsräte beobachtet, Kleidungseigenheiten und literarische Vorlieben unbescholtener Bürger gespeichert. Die BRD ist Weltmeister im Abhören von Telefongesprächen. Es gibt inzwischen keinen Bereich, aber auch gar keinen, der nicht von der Sta-Si infiltriert würde, und sei es bloß, um Ausreiseverbote zu verhängen. Der Verdacht, der sich jetzt aufdrängt, ist jedoch haltlos. Denn: "Unsere Arbeit besteht nur darin, die Wünsche der Bürger zu erkunden, damit die Regierung ihnen besser nachkommen kann ...", so lassen sich Verfassungs"schützer" in einem schon vor Jahren heimlich mitgeschnittenen und damals verdienstvollerweise auf - leider vergriffener - Langspielplatte veröffentlichten authentischen Anwerbungsgespräch vernehmen. Und: "Wir kommen doch von der Humanitas." Zitatende. Na also: Sie lieben uns doch alle. Ein Lump, der da Sta-Si nochmal Stasi schreibt!
Erschienen in Ossietzky 21/2002 |
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