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So wissen wir inzwischen, und alle Welt weiß es, daß Krieg wie jede militärische Gewalt nach der von nunmehr 191 Staaten unterzeichneten UNO-Charta absolut verboten ist (Art. 2, Z. 4) und daß es nur zwei Ausnahmen gibt: die direkte Verteidigung gegen einen unmittelbaren Angriff (Art. 51) und militärische Maßnahmen auf der Grundlage eines eindeutigen Beschlusses des UN-Sicherheitsrats (Art. 39, 42). Wir wissen inzwischen, und alle Welt weiß es, daß trotz dieses völkerrechtlichen Verbotes allwöchentlich seit Ende des zweiten Golfkrieges (1991) irakisches Territorium nördlich des 36. und südlich des 33. Grades in einem "geheimen" Krieg durch US-amerikanische und britische Bombenangriffe zerstört wird, die von der UNO zwar übersehen, aber nie gebilligt worden sind. Wir wissen inzwischen, und alle Welt weiß es, daß der Ursprung der irakischen Produktion biologischer und chemischer Waffen in Lieferungen aus den USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland liegt und daß es die USA sind, die alle Bemühungen um eine Verstärkung des weltweiten Verbots von Biowaffen und eine Verschärfung der Kontrollen blockieren. Wir wissen inzwischen, und alle Welt weiß es, daß nach dem Giftgaseinsatz des Regimes von Saddam Hussein gegen die eigene kurdische Bevölkerung in Halabja im März 1988 der UN-Sicherheitsrat alle Staaten aufgefordert hat, gegen Staaten einzuschreiten, die chemische Waffen einsetzen, und daß die NATO-Staaten dies offensichtlich als Einladung verstanden haben, im folgenden Frühjahr 1989 ihre Rüstungsindustrie auf der Militärmesse in Bagdad zu präsentieren. Wir wissen inzwischen, und alle Welt weiß es, daß, bevor Dick Cheney als Vizepräsident in die heutige US-Regierung eintrat, seine Firma Halliburton unbeeindruckt von dem Dämon in Bagdad lukrative Geschäfte mit dem Irak getätigt hat, wahrscheinlich auch danach noch immer. Wir wissen inzwischen, und alle Welt weiß es, daß der UN-Sicherheitsrat bereits 1981 einstimmig den "präventiven Verteidigungsangriff" Israels auf die von Frankreich gelieferten Kernreaktoren in Tuwaitha in der Nähe von Bagdad als schweren Verstoß gegen das Völkerrecht verurteilt hat und die USA nur durch die Kumpanei Englands und Frankreichs um eine ähnliche Verurteilung herumgekommen sind, als sie 1986 nach dem Terroranschlag auf die Berliner Disco "La Belle" Tripolis und Benghasi bombardierten, was sie zum ersten Mal als "präventive Verteidigung gegen den Terrorismus" ausgaben. Alle Welt weiß es, und wir sollten es auch wissen, daß vor der Bombardierung Bagdads im Dezember 1998 nicht etwa Saddam Hussein die Waffeninspektoren aus dem Land geworfen hat, sondern die USA sie angesichts des geplanten Angriffs zum Verlassen des Irak aufgefordert haben. Wir wissen, und alle Welt weiß es, daß die Entsendung neuer Inspektoren für die USA und Großbritannien kein Hinderungsgrund für einen Krieg sein wird. In den ganzen USA weiß man es, und wir sollten es auch wissen, daß Bush junior dieselbe PR-Firma für seine Kriegspropaganda engagiert hat wie seinerzeit Bush senior zum selben Zweck im Golf-Krieg 1991, Hill & Knowlton aus Washington, die damals auf die geschmackvolle Idee verfiel, die Tochter des kuwaitischen Botschafters zu mieten und als angebliche Krankenschwester in den Kongreßausschuß und über Land zu schicken, wo sie überall weinend zu erzählen hatte, wie irakische Soldaten auf den Babystationen die Versorgungsanschlüsse von den Inkubatoren entfernt hätten - was die Firma später selbst als PR-Lüge eingestehen mußte. Und schließlich weiß alle Welt, und auch wir wissen es, daß die militärischen Einsätze der israelischen Armee im Westjordanland und im Gaza-Streifen blanke Kriegsverbrechen und schwere Verstöße gegen das Völkerrecht sind, die ohne Duldung und Unterstützung der Bush-Administration nicht geschehen würden. Aber was hilft uns das, und was machen wir mit diesem Wissen? Was sagen wir z.B. jenen sechzig amerikanischen Intellektuellen, die unter Federführung des Institute for American Values einen Brief an ihre deutschen Kollegen sandten, um ihnen die moralische Rechtfertigung des Krieges jenseits von UNO und Völkerrecht zu erklären und die Theorie vom gerechten Krieg näherzubringen? "Moralische und intellektuelle Einstellungen zum Thema Krieg teilen sich in vier grundlegende Kategorien," heißt es in ihrem Brief. "Dem Pazifismus zufolge ist jeder Krieg moralisch verwerflich. Der Realist sagt, daß es in Kriegen nur um Macht und Eigennutz geht, weshalb moralische Analysen darüber unerheblich sind. Die Anhänger von Heiligen Kriegen oder Kreuzzügen sind davon überzeugt, daß Gott - oder eine säkulare Ideologie, die ein oberstes Ziel verfolgt - die Tötung von Nichtgläubigen autorisieren kann. Von diesen drei Positionen unterscheidet sich die Theorie des gerechten Krieges fundamental. Ihr zufolge gelten auch im Krieg universelle moralische Prinzipien, die festlegen, ob und wann der Einsatz von Gewalt moralisch gerechtfertigt ist ... Auf der Grundlage dieser Theorie des gerechten Krieges sind wir davon überzeugt, daß der Gebrauch militärischer Gewalt gegen die Mörder des 11. September und gegen diejenigen, die sie unterstützen, nicht nur moralisch gerechtfertigt, sondern sogar moralisch geboten ist." Damit niemand von uns auf den Gedanken kommt, diese Entscheidung über den gerechten Krieg nicht den einzelnen Staaten, sondern allein der UNO im Rahmen des VII. Kapitels ihrer Charta (Art. 39 - 42) zu überlassen, bemühen sie das Argument der Autorität, welches im Zeitalter des allgemein begrüßten Souveränitätsverlustes der Staaten wiederum selbst von nur minderer Autorität ist: "Es ist fraglich, ob ein internationales Gremium wie die UN der beste Richter sein kann, wann und unter welchen Bedingungen ein Waffeneinsatz als letzter Rechtsweg gerechtfertigt ist ... Nach Aussage eines Beobachters, der früher Vize-Generalsekretär der UN war, könnte es selbstmörderisch sein, die UN zu einer Schatten-Imitation eines Staates zu machen mit dem Ziel, den internationalen Gebrauch von Gewalt zu regeln ... Ein gerechter Krieg kann nur von einer legitimen Autorität geführt werden, die Verantwortung trägt für die öffentliche Ordnung. Eine nichtstaatliche, opportunistische oder individuell begründete Gewaltanwendung kann niemals moralisch akzeptiert werden." Doch welches sind die "universellen moralischen Prinzipien", die den gerechten Krieg rechtfertigen? Unsere US-amerikanischen Kollegen meinen: "Die primäre moralische Rechtfertigung eines Krieges ist, Unschuldige vor sicherem Leid zu bewahren ...Wenn jemand unzweifelhafte Beweise hat, daß Unschuldigen, die sich nicht selbst schützen können, schweres Leid droht, sofern der Aggressor nicht mit zwingenden Gewaltmaßnahmen gestoppt wird, dann verlangt der moralische Grundsatz der Nächstenliebe den Einsatz von Gewalt." Aber wenn die primäre moralische Rechtfertigung die Nächstenliebe ist, fragt sich, welches die sekundäre moralische Rechtfertigung sein könnte. Da hilft uns dann die jüngst von der Bush-Administration verabschiedete Nationale Sicherheitsstrategie, welche ganz im Sinne der "American Values" und in Anknüpfung an die 1999 in Washington verkündete neue NATO-Strategie den freien Markt und Handel zum moralischen Prinzip erhebt: "Das Konzept des Freihandels entstand als moralisches Prinzip, schon bevor es ein Pfeiler der Ökonomie wurde." Nächstenliebe und Freihandel, Moral und gerechter Krieg - seit Jahrhunderten hat es diese und ähnliche Rechtfertigungen für den immer gerechten Krieg gegeben. Diese "Theorie" ist nicht erst seit den spanischen Spätscholastikern in der Auseinandersetzung um die Conquista von Jimenez de Sepúlveda bis Bar-tholomé de las Casas bekannt, sondern geht zurück bis zu Cicero und Augustinus. Noch im 20. Jahrhundert konnte die Lehre vom gerechten Krieg Universalität beanspruchen, bis ausgerechnet die USA und Frankreich durch ihre Außenminister Briand und Kellogg im Jahr 1928 einen Vertrag aushandelten, der dem Krieg seine moralische und juristische Rechtfertigung nahm. Traditionelle Moral hat ihre alte Universalität verloren, weil die herkömmlichen Institutionen der Universalität: Kirche, Aristokratie und Bürgertum untergegangen sind. An ihre Stelle sind neue Institutionen der Universalität getreten: die Menschenrechte, die UNO - und mit ihnen eine neue Moralität, die sich, zumindest in den internationalen Beziehungen, nicht mehr auf postulierte Werte und einseitig verkündete Prinzipien gründet, sondern auf die formale Basis des Konsenses unter den Staaten. Völkerrecht und UNO haben die Moral in den Beziehungen der Staaten untereinander nicht abgelöst, sondern neu definiert und mit neuen Inhalten versehen: rule of law und Gewaltverbot. Die Bedeutung und die Verläßlichkeit dieser neuen Moral liegt darin, daß ihre Weiterentwicklung oder Neudefinition nicht durch die Doktrinen einzelner Staatsmänner oder die Interpretation ihrer Mandarine erfolgt, sondern nur durch den Konsens und die Praxis der Staaten. "Leider versäumen Sie es, uns mitzuteilen, wie Menschen, die angegriffen werden, sich aktuell verteidigen können," werfen uns die Vertreter der "American Values" schließlich vor. Ihnen hat unser Hinweis auf die UNO-Charta nicht ausgereicht, vielleicht wird es sie mehr überzeugen, wenn ich ihnen im Geiste des Mannes, dessen Geburtstags wir am 3. Oktober gedenken, Carl von Ossietzky, mit einem Wort ihres Präsidenten aus seiner Nationalen Sicherheitsstrategie vom September diesen Jahres antworte: "Amerika muß fest für die nicht verhandelbaren Werte der menschlichen Würde stehen: die rule of law, die Grenzen der absoluten Macht des Staates..."
Erschienen in Ossietzky 21/2002 |
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