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Das blitzende Metallgerüst, Untergestell für die ansteigenden Sitzreihen der Kammerspiele, assoziiert Zuflucht, Irrgarten, Erbarmungslosigkeit (Ausstattung Claudia Rohner). Der Text ist wahrhaftig aus der Realität in die Fiktion eines Bühnengeschehens transportiert. Michael Schweighöfer hat die Fähigkeit zur psychologisch einfühlsamen Darstellung eines liebenswerten, überdrehten, törichten und weisen "Unverheilbaren". Die Schwäche dieses Monologes sehe ich darin, daß die Figur kaum in soziale Zusammenhänge gestellt worden ist. Zudem fehlen die Momente, in denen Patient Tom verzweifelte Ahnungen seines Andersseins quälen. So bleibt der Abend unverbindlich–launig. Daß kein Abgrund sich herstellt, kein Schrecken, kein Entsetzen, keine Trauer, ist der Regie (Wenke Hardt) anzulasten. Das Herumirren kranker Seelen, ihr Leben in anderen, erweiterten Dimensionen, kann nicht nur als Gaudi abgehandelt werden. Fahrlässigkeit im Umgang mit dem Thema? Wahrscheinlich nicht. Vielleicht lag's daran, das es die zweite Vorstellung, war, die ich sah; Schauspieler fürchten sie stets als schwach. Sicher ist: An diesem Abend flog keiner über das Kuckucksnest. * "Gertrud", Monolog nach Einar Scheef, aus der Sicht Edith Clevers, Schauspielerin und Regisseurin dieser Textfassung. Weiße Hände tanzen im dunklen Bühnenraum des Theaters am Schiffbauerdamm, zeigen die Gegend um den Kyffhäuser und wollen uns in die Geschichte von "Gertrud" ziehen, Schleefs Mutter. Der Protagonistin ist es gelungen, Schleef aus seinem Text zu eliminieren, obwohl es sein Wortgefüge ist. Clever hat daraus ein Kunsterzeugnis gemacht, aber hat sie auch Kunst daraus gewonnen? Eine Biographie wird aufgeblättert, doch die Lupe, mit der Clever die Urschrift betrachtet, wird zum Brennglas, verschmort deren Inhalt, macht die Figur zu einer anderen als Gertrud Schleef. Frau Clever postulierte öffentlich, daß sie das genau so wollte, doch da wäre Einspruch vonnöten gewesen, denn hier geht es um "Gertrud" und Schleefs katha rtischen Blick auf seine Mutter. Das ist es, was ich sehen wollte, weswegen ich gekommen war. Das hat sich nicht ereignet. Die Aneignung der Figur durch Clever ist weder sozial hergeleitet, noch stimmt ihr Gestus. Sie steigert ihr "Kunstprodukt" zu hoher Künstlichkeit, dies Sichselbstinszenieren gerät zur Selbstbefriedigung, und das beschädigt die Figur, den schmerzlichen, wunden Text von Schleef, folglich die Kunst. Zu empfehlen ist die Lektüre des Romans "Gertrud" (I und II), erschienen bei Suhrkamp, 1980 und 1984. * Kürzlich las ich in der Zeitung, im Stadtbad Oderberger Straße wird Theater gespielt. Als ich mir jüngst im Deutschen Theater Schumannstraße die Premiere von "Trauer muß Elektra tragen" ansah, meinte ich, mich in der Straße geirrt zu haben. Der Bühnenboden war reichlich unter Wasser gesetzt, alle Akteure warfen sich hinein, durchglitschten es und patschten danach klatschnaß durch die Szenen. Wasser wurde in die Gesichter gespritzt, über die Darsteller gegossen. Da gerät man ins Grübeln. Alles Leben ist aus dem Wasser gekommen, weiß man. Soll ich mich daran erinnern? Im Interview mit der Regisseurin Konstanze Lauterbach lese ich später: "Grundelement unseres Stückes ist viel Wasser. Eigentlich wollten wir die Bühne überfluten, aber es sollte nicht aussehen, als reagierten wir auf die Hochwasserkatastrophe, und also zeigten wir stehendes Brackwasser..." Aha. Man könnte noch hinzufügen, daß O´Neill, der Autor, das Meer und Seeleute liebte, dito das Schiff als Zuhause. Gründe genug, Schauspieler ins nasse Element zu ditschen. Die Orestie also. In diesem Fall ist das Schicksalsdrama nach Amerika versetzt, die Familien–Bande sind reiche Leute, puritanisch, asketisch nebst peinigenden Leidenschaften, Mordlust und Tötungen in zwangsläufiger Folge. Mitte des vorigen Jahrhunderts als "modernes psychologisches Drama" gelobt, der Autor nobelpreisgekrönt. Heute: Die Schauspieler spielen modern und schreiten antik. Wird aber die Tragödie des klassischen "Familiengeheimnisses" so wohnzimmermäßig gespielt, dazu noch im Wasser, dann geht die Geschichte buchstäblich baden, wird trivial, lächerlich. Publikumsreaktionen bestätigten das. Es gibt, wie stets bei Konstanze Lauterbach, zwingende, zeichenhafte und daher eindrucksvolle Erfindungen in Körpersprache für die Schauspieler, aber diesmal sind sie nur selten schlüssig. Ratlos saß ich in meinem Stuhl, die Protagonisten schlappten durchs Wasser. Langeweile. Das ist darum so jammervoll, weil da ein Ensemble prachtvoller Darsteller agierte: Christian Grashof, Julia Wieninger, Petra Hartung, David Rott, Robert Gallinowski, Peter Ehrlich, Ellen Schlootz, Simone von Zglinicki, Gabriele Heinz, Günter Falkenau, Jürgen Huth. Dieser Stoff sollte als große Tragödie inszeniert werden oder gar nicht. Gehen Sie hin, urteilen Sie selbst. Badelatschen nicht vergessen.
Erschienen in Ossietzky 20/2002 |
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