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Wie weise waren da doch ihre Großväter, die Opas im Politbüro, die einfach erklärten: "Unsere Menschen sind dafür noch nicht reif" und ihnen die Wahl erleichterten, zum einen durch faktischen Wahlzwang, zum andern durch die Einheitsliste. Da ist zu verstehen, daß manche angesichts des Desasters in das alte Kampflied einstimmen: Wir wollen unsern Erich Honni wiederham... Nicht zu verstehen sind jene Analysen, die wohl sämtlich von Anna–Liese und ihrem männlichen (noch inkognito arbeitenden) Kompagnon verfaßt, aber von verschiedenen Flügeln "in und bei der PDS" abgegeben wurden. Anna–Liese I & Co. glaubt, daß die Mehrzahl derer, die im Osten nicht mehr PDS gewählt haben, zur SPD "übergelaufen" ist, also den Aufruf "Stoiber verhindern" in dem Sinne mißverstanden hat, Schröder zu wählen. Aber von den dort der PDS abhanden gekommenen 616 680 Stimmen (diese und die folgenden Zahlen gemäß Berliner Zeitung vom 24. 9.) sind ziemlich genau zwei Drittel (411 930) überhaupt nicht abgegeben worden, und erst an zweiter Stelle folgt die Schröder–Partei mit etwa einem Viertel (151 210), an dritter die Grünen mit drei Prozent (19 330). Was soll also das Gerede von taktisch falschen Wahlslogans, Konstellationsfalle und ähnlichem? Wahrscheinlich soll es bemänteln, daß Wählerinnen und Wähler im Osten zutiefst enttäuscht sind von der PDS – ob nun zu Recht oder zu Unrecht, das ist eine ganz andere Frage – und die Partei deshalb nicht mehr gewählt haben. Am stärksten waren ihre Verluste genau dort, wo sie koaliert (Mecklenburg–Vorpommern) und toleriert (Sachsen–Anhalt) hat, ohne daß dies an der sozialen Lage der Bevölkerung etwas gebessert hätte. Im noch immer zweigeteilten Berlin sieht das scheinbar anders aus. Genaueres Hinsehen zeigt jedoch, daß die Wenigen, aber Mißerfolgsgewohnten im Westen zur Stange gehalten und viele im Osten enttäuscht sich abgewandt haben. Anna–Liese II & Co. meint dagegen, die Partei spiele im Westen gar keine Rolle, Konzentration auf den Osten sei angesagt. Werch ein Illtum! Wenn sie ihr selbstgestecktes Ziel, im Westen zwei Prozent der Stimmen zu bekommen, um einen Zehntelprozentpunkt übertroffen hätte, wäre sie wieder ganz knapp mit Fraktionsstatus im Bundestag vertreten. Daß sie durch solide "Westarbeit" das Debakel hätte verhindern können, glaubten aber gerade jene nicht, die so gern in dieser westdeutsch dominierten Gesellschaft ankommen möchten. Angesichts derartiger Ostarroganz gegenüber der (wahrlich nicht fehlerfreien) altbundesdeutschen Linken, gepaart mit Anbiederung an etablierte West–Parteien, ist es kein Wunder, daß sich viele (fast 40 000) von denen, die letztens PDS gewählt hatten, nun ihrer Jugendsünden erinnerten und (wieder) Grün gewählt haben, wogegen die SPD dort sogar 23 270 Stimmen an die PDS abgegeben hat. Anna–Liese III & Co. wiederum macht die Vorstände verantwortlich sowie in deren Auftrag agierende Personen. Daß die Angeklagten, zumeist wiederholt, in ihre Ämter und Funktionen gewählt worden sind, und zwar von der jetzt klagenden Basis (und deren selbsternannten Fürsprechern), diese Tatsache wird geflissentlich übersehen, denn sie paßt nicht in das gewünschte Bild. Aber genau dies Trauerspiel läuft nun mal seit zwölf Jahren in der PDS ab: Mitglieder ("die" Basis) wählen die Vorstände (bzw. Delegierte, die diese Vorstände wählen), später beklagen sie sich über die Vorstände und... wählen sie das nächste Mal ganz genauso. Da ist man durchaus versucht, in Abwandlung eines Hegel–Wortes zu formulieren: Die Basis ist der Teil der Partei, der nicht weiß, was er will. Oder, eine Formulierung Alexander Herzens abwandelnd: Unsicher im Dogma, suchen sie den Glauben – unsicher im Glauben, suchen sie das Dogma. Auch das gehört zum Erbe realsozialistischer Parteierziehung. Dagegen wissen die Mitglieder von Vorständen und Fraktionen sowie jene, die ihnen zuarbeiten, zumeist sehr genau, was sie wollen, übrigens fern jeglichen Glaubens, vom Dogma gar nicht zu reden. Da wird dann selbst Gregor Gysi, der meinte, sich des "Dogmas" elementaren Anstands erinnern zu müssen, der Vorwurf gemacht, den Wahleinbruch verschuldet zu haben (daß er selbst in den Chor einstimmt, ist allein der Eitelkeit des Polit–Entertainers geschuldet: Wenn schon Abgang, dann doch bitte mit Pauken und Trompeten). Das Desaster auf Bundesebene kündigte sich mit dem Debakel in Sachsen–Anhalt an. Da hätten auf allen Ebenen die Alarmglocken schrillen sollen. Sofort hätte die schonungslose Analyse eines anscheinend veränderten Wahlverhaltens einsetzen müssen. Aber nichts dergleichen geschah. Roland Claus, der sich schon als künftiger Ministerpräsident geriert hatte, blieb Fraktionschef im Bundestag und durfte sich noch ungestraft bei Bush für das "Fehlverhalten" dreier Abgeordneter entschuldigen (alle drei übrigens "aus dem Westen"). Hochmut kommt eben vor dem Fall. So auch, als Gysi meinte, Wirtschaftssenator in Berlin werden zu müssen, und Bärbel Grygier flugs ihr Amt als Bürgermeisterin im Ost–West–Bezirk Friedrichshain–Kreuzberg aufgab und in den Bundestag wechselte, statt die nahezu einmalige Chance zu nutzen, ganz konkret und unmittelbar vor Ort den Nachweis zu versuchen, daß ("unter der Führung der PDS") Möglichkeiten einer Vereinigung anderer Art realisierbar sind, zumindest auf kommunaler Ebene. Nicht das grüne Urgestein Ströbele hat ihr die Show gestohlen, sie selbst hat sich im Kampf um das Direktmandat mit diesem Vorgehen auf Platz 3 und ins verdiente Aus manövriert. Und mit dem Verhalten der PDS–Oberen bei der Flutkatastrophe war dann wohl das Maß voll: Daß sie, im Unterschied zu Schröder, Stoiber e tutti quanti, nicht im Fernsehen zu sehen waren, das ist man ja gewohnt in dieser medialen Einheitslandschaft. Aber daß sie auch nicht vor Ort zu sehen waren und statt dessen meinten, ihre hochwichtigen Geschäftchen am Schreibtisch verrichten zu müssen, das war vielen doch zu viel. Auf die Frage, wie es mit der "West–PDS" weitergehe, meinte Ulla Jelpke in einem Interview der jungen Welt: Bei einer Fortsetzung der bisherigen Linie "sehe ich, ehrlich gesagt, schwarz für die Zukunft der PDS im Westen als eigenständige Organisation... Ich denke, daß die Linken in der Partei sich zusammen schließen müssen. Wir müssen auf dem Parteitag in Gera mit unseren Positionen auftreten. Dabei geht es nicht darum, die PDS ideologisch zu verengen, sondern die Anbiederungspolitik an die SPD und an die Macht muß aufhören und die Partei statt dessen für soziale Bewegungen geöffnet werden." Völlig richtig, aber nur dann, wenn Linke aus West– und Ostdeutschland sich zusammensetzen, um sich auseinanderzusetzen und eine gemeinsame Basis zu erarbeiten, eine Basis, auf der sie sich wieder zusammensetzen können. Ob der Parteitag dafür eine Gelegenheit ist? Gegebenenfalls werden sich Linke aus Ost und West an anderem Orte zusammensetzen müssen, um Klartext zu reden und anschließend an die Öffentlichkeit zu gehen, nicht als rechthaberische Sekte, sondern den wirklichen Problemen dieser Gesellschaft zugewandt, also ihren potentiellen Wählerinnen und Wählern, die sich in neuen sozialen Bewegungen zu organisieren begonnen haben. Sonst erodiert die Linke immer weiter, im Westen wie im Osten.
Erschienen in Ossietzky 20/2002 |
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