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Ich selbst gedenke für meine unangemessene Kritik an Ihrer Irak–Politik Buße zu tun, indem ich den Stuhl des Bundeskanzlers zugunsten des Kandidaten einer in jahrzehntelanger Vasallentreue gegenüber den USA bewährten Partei räume. In der Hoffnung, höchstdero Unwillen damit etwas besänftigt zu haben, zeichne ich mit vorzüglicher Hochachtung G. Schr. Da der Chef unserer nun bestätigten Koalition statt einer solchen Ergebenheitsadresse nur ein paar Zeilen an den kumpelhaft geduzten Schorsch Dabbelju richtete, mußte er auf dessen sonst diplomatisch übliche Gratulation verzichten und der deutsche Verteidigungsminister bei der NATO–Tagung in Warschau sich mit einem flüchtigen Händedruck seines US–amerikanischen Amtskollegen Rumsfeld begnügen, der zuvor hatte verlauten lassen, er habe "sicherlich keine Pläne", sich "mit dieser Person zu treffen". Was Struck nicht davon abhielt, verzweifelt nach einer Gelegenheit zu suchen, mit dem arroganten Vertreter der Supermacht doch noch ein paar Worte zu wechseln. Auch wenn die Aufgeregtheiten des Wahlkampfes hierzulande etwas abgeklungen sind, die demonstrative Verstimmtheit in Washington dürfte noch eine Weile anhalten. Majestätsbeleidigung wird nicht geduldet. Dabei spielt es keine Rolle, daß Frau Däubler–Gmelin gewiß nicht die Person Bush mit Hitler gleichsetzen wollte. Hätte sie in der widersprüchlich dargestellten, nicht mehr zu verifizierenden Diskussion mit 30 Gewerkschaftern den deutschen Massenmörder als Beispiel heranziehen wollen für die Methode, durch Kriegvorbereitung von innenpolitischen Problemen abzulenken, wäre das ohnehin schief gewesen, denn "Adolf Nazis" Aggressionslust hatte ganz andere Gründe. Unbestreitbar aber ist die Kernaussage. Daß sie dann von der Union unter Berufung auf Macchiavelli gegen Schröder ins Feld geführt wurde, gehörte zu den Perversionen des Wahlkampfes. (Bezogen auf die USA hat vor Jahren schon der Hollywood–Film "Wag the Dog", dem man seiner Aktualität wegen eine Wiederaufführung wünscht, komödiantisch–treffend die Ablenkungsfunktion eines künstlich entfesselten Krieges angesichts präsidialer Schwierigkeiten illustriert.) Die Affäre Däubler–Gmelin bestätigte wieder einmal die nicht nur in Wahlkampfzeiten praktizierte üble Praxis, echte oder vermeintliche Zitate aus dem Zusammenhang zu reißen, mißzuverstehen und auf bestimmte Reizworte zu reduzieren. Das gilt besonders für Vergleiche. Auch wenn sie hinken oder böswillig angestellt werden, genießen sie eher Nachsicht, wenn sie in den propagandistischen Mainstream passen – wie Kosovo=Auschwitz oder DDR=NS–Diktatur. Für die Richtigkeit von Ludwig Stieglers Vergleich der USA mit dem alten Rom liefert dagegen die Hybris der US–Administration täglich neue Beweise. Wobei die Analogie von Pax Americana und Caesaren–Imperium auf der Hand liegt. Wer am Weltherrschaftsanspruch US–amerikanischer Politiker noch zweifeln sollte, braucht sich nur die neue "Nationale Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten" anzusehen, die Bush dem Kongreß vorgelegt hat – von der FAZ als "geschichtsphilosophisches Traktat und geostrategisches Grundlagenreferat für das 21. Jahrhundert" gerühmt. Unmißverständlich wird da festgestellt: "Der Präsident wird es nicht zulassen, daß irgendeine fremde Macht den großen Abstand aufholen wird, der sich seit dem Zerfall der Sowjetunion vor mehr als einem Jahrzehnt gebildet hat." FAZ–Kommentar: "Deshalb muß zur Aufrüstung die zwar nicht neue, aber bisher nicht so prominent propagierte Doktrin der vorbeugenden Selbstverteidigung treten." Noch direkter und brutaler als Bush hatte vor über einem halben Jahrhundert schon George Kennan formuliert: "Wir haben 50 Prozent des Reichtums, aber nur 6,3 Prozent der Weltbevölkerung. In dieser Situation wird unsere wahre Aufgabe in der nächsten Zeit sein (...), diese Position der Ungleichheit aufrechtzuerhalten. Um das zu tun, müssen wir von aller Sentimentalität Abstand nehmen (...). Wir sollten damit aufhören, über Menschenrechte, Hebung des Lebensstandards und Demokratisierung nachzudenken." (Slavoj Zizek zitierte diese Sätze neulich in der Basler Zeitung.) Ebensowenig wie jede Kritik an Scharons Brachialpolitik von vornherein als antiisraelisch – was angesichts krimineller deutscher Vergangenheit in der Tat nicht hinnehmbar wäre – oder gar als antisemitisch abgetan werden darf, dürfen Bushs den Weltfrieden gefährdende Anmaßungen etwa mit dem als Schlagwort inflationär mißbrauchten Begriff Antiamerikanismus der Kritik entzogen werden. Bush ist trotz starker Unterstützung seiner Politik im eigenen Lande nicht Amerika. Unvergessen sind der Blutzoll vieler GIs für die Befreiung vom Hitler–Faschismus und die schließlich erfolgreichen Proteste von US–Bürgern gegen den Vietnamkrieg. Auch heute mehren sich Stimmen eines anderen Amerika. Ein demokratischer Abgeordneter hat sogar der deutschen Regierung für ihre Haltung in der Irak–Frage gedankt, und mehr als 2000 Intellektuelle, meist prominente Vertreter von Kunst und Wissenschaft, fordern in einem Antikriegsmanifest "das Volk der Vereinigten Staaten auf, sich der Politik beziehungsweise der generellen politischen Richtung seit dem 11. September 2001 zu widersetzen, da diese eine ernsthafte Gefahr für die Menschen in der Welt bedeutet". Auch die in New York und Berlin erscheinende traditionsreiche jüdische Zweiwochenzeitung Aufbau bezieht in einem Artikel des Politik–Professors Herbert Millstein aus San Francisco eindeutig Stellung gegen die offizielle US–Politik. Und noch ein ähnlich "antiamerikanischer" Amerikaner sei zitiert, Larry Hagman, der als J. R. Ewing in der Serie "Dallas" weltweite Popularität genießt: "Das Land wird heute von einem Menschen regiert, der gefährlich und dumm ist." Amerika ist für Hagman "ein wunderbares Land, das von korrupten Politikern und Geldhaien zerstört wird". Und er fragt: "Wieso sitzt Kissinger nicht im Knast? Er ist ein Kriegsverbrecher." Kritisiert werden in dem Manifest der amerikanischen Intellektuellen auch die "eingeschüchterten Medien" – übertragbar auf deutsche Verhältnisse. Zunächst bleibt nur die bescheidene Hoffnung, daß der Aufruf, am 6. Oktober, dem Jahrestag des Beginns der Bombardierung Afghanistans, überall in den USA zu Kundgebungen gegen "Krieg nach außen und Repression nach innen" zusammenzukommen, genügend Resonanz findet und daß nach dem zu erwartenden Berliner Kotau vor Weißem Haus und Pentagon doch noch etwas vom Wahl–Gesicht eigenständiger deutscher Außenpolitik erkennbar bleibt.
Erschienen in Ossietzky 20/2002 |
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