Günther Beckstein, bayerischer Innenminister. - Was taugt ein mutmaßlicher Sprengstoffbastler mit türkischem Vater, wenn ihm das terroristische Netzwerk fehlt, so werden Sie gedacht haben. Also haben Sie Osman P. aus Walldorf bei Heidelberg als unfreiwilligen Wahlkämpfer eingesetzt und in Al Quaeda-Rang erhoben. (Ihr Kollege aus dem für diesen Fall zuständigen Bundesland war da vorsichtiger.) Aber woher die Indizien nehmen? Ihnen ist eingefallen: Für Bomben mit dem vermuteten Verwendungszweck braucht man Zeitschalter, und den Umgang damit "lernt man nicht auf der Volksschule, da ist Anleitung erforderlich". Als Sicherheitspolitiker müssen Sie die Begrifflichkeit für das heutige Schulsystem nicht kennen: Osman P. hat eine Hauptschule besucht. Aber Sie sollten doch wissen, daß die Ihnen befreundete Regierung des Landes Baden-Württemberg, in dem Osman P. zu Haus ist, auf das Ausbildungsniveau der Schulen dieses Typs recht stolz ist.

Michael Rogowski, Bundesverband der Deutschen Industrie. - Im Auftrag Ihres Interessenverbandes haben Sie erstmals vor einer Bundestagswahl einen konkreten Katalog mit Forderungen an die nach der Wahl einzusetzende Bundesregierung vorgelegt und dabei besonders herausgestellt, daß deutschen Rüstungsexporten mehr Raum gegeben und der deutsche Militäretat heraufgesetzt werden müsse. Unverbindliche Absichtserklärungen einer neuen Regierung seien da nicht ausreichend, die deutsche Industrie benötige "zuverlässige Grundlagen für unternehmerische Planungen". Nur so könne die Wirtschaft "ihrer Verantwortung für die Sicherung von Arbeitsplätzen nachkommen". Es ist Ihnen hoch anzurechnen, daß Sie, getrieben von der Sorge um das Wohl der arbeit suchenden Menschen, Ihre marktwirtschaftlichen Prinzipien hintanstellen und auf die Rüstungsplanwirtschaft setzen.

Hans-Ulrich Klose, SPD-Politiker. - Ihre Stimme hat Gewicht, in der jetzt ausgelaufenen Legislaturperiode waren Sie Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag. Daß Ihr Parteivorsitzender eine deutsche Beteiligung am geplanten Krieg gegen den Irak ablehnt, zur Zeit jedenfalls, hat Ihnen nicht gefallen, und so haben Sie eingewendet: "Wenn man eine politische Lösung eines Problems will, muß man eine militärische Drohkulisse entwickeln." Unklug war es, als Auditorium für die Verkündung dieser These den Deutschen Historikertag in Halle zu wählen. Dadurch wird der Blick auf die Geschichte gerichtet, und in der ist erkennbar: Bei militärischen Drohungen wird nicht mit Kulissen, sondern mit Realien gedroht. Die Weltpolitik ist kein Theater. Und in den meisten Fällen folgte der Androhung des Krieges dieser selbst, vorausgesetzt, der Drohende fühlte sich dem Bedrohten überlegen. Daß dieses Gefühl bei der Regierung der USA gegenüber dem Irak besteht, wissen Sie; schließlich sind Sie ja Experte für Außenpolitik. Sie hätten also besser das sagen sollen, was Sie meinen: Noch ist nicht ganz ausgemacht, daß es zum Krieg gegen den Irak kommt, aber die Bundesrepublik sollte doch schon mal im Vorbereitungsstadium klarstellen, daß sie gegebenenfalls mitmacht, denn späteres Einschwenken der deutschen Regierung in die militärische Front könnte leicht peinlich wirken, zumal dann, wenn die SPD wieder regiert. Nicht mitbedacht haben Sie bei dieser Ihrer Einschätzung, daß Ihre Partei erst mal die Wahl gewinnen muß. Aber das fällt ja auch nicht in Ihr Ressort.

Günter Wallraff. - Was Du zwischen 20 und 40 geschaffen hast, reicht für Deinen Weltruhm. Jetzt wirst Du 60. Fast scheint es, als hätte Dich seit Hermann Gremlizas böser Unterstellung, Du seist nicht imstande, ohne fremde Federn zu schreiben, der Mut verlassen. Ich halte eben dies für Deine Leistung: andere zur Mitarbeit am großen Werk gründlicher Erkundung von Macht-und-Gewaltverhältnissen gewonnen, die Zusammenarbeit klug geplant und die Projekte, in die Du Dich selber mit Haut und Haaren einbrachtest, allen politischen, hetzpropagandistischen, juristischen und geheimdienstlichen Widerwärtigkeiten trotzend zum Erfolg geführt zu haben. Gerade deswegen sollten jüngere Journalisten - wenn "Recherche" und "Aufklärung" für sie nicht, wie üblich, hohle Worte sind - Dich zum Vorbild nehmen. Sie könnten von Dir lernen, daß es nicht nur persönlichen Mutes, sondern auch intensiver Gepräche, langfristiger Verabredungen und gemeinsamer Kraftanstrengung bedarf, gesellschaftliche Wahrheiten ans Licht zu bringen. Apologetische Lügner habenleichter. Mit guten Wünschen grüßt dich in alter Freundschaft Dein Eckart Spoo

ein freund, Osman P (10. Sep. 2006, 23:49)

Erschienen in Ossietzky 19/2002