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Deshalb fühlt sich Hans-Olaf Henkel berufen, uns allen Moral beizubringen; sein neues Buch trägt den Titel: Die Ethik des Erfolgs - Spielregeln für die globalisierte Gesellschaft. Henkel predigt - wen wundert's - die Litanei von Wettbewerb, Leistungsbereitschaft, Erfolg für die Tüchtigen, Freiheit des Individuums als des homo oeco-nomicus. Die Verlierer will er zwar fari behandelt wissen, aber wer ihnen beim Aufstehen helfen sollte und mit welchen Mitteln sie eine zweite Chance bekommen könnten, wird nicht klar. Denn der Staat - so erfahren wir - darf nicht mit sozialer Absicherung die Menschen daran hindern, sich auf ihre eigenen Kräfte zu besinnen; Sozialstaat macht nicht nur träge, er versklavt. Sozialabgaben gehören abgeschafft, Steuern müssen runter, und überhaupt müssen gesetzliche Auflagen, vor allem für Arbeitsbedingungen und Umweltschutz, beseitigt werden, allesamt, bei uns und weltweit. Wer sich z. B. über Kinderarbeit in Indien aufregt (hat nicht Hans-Olaf mit 13 Jahren schon sein Taschengeld durch Gelegenheitsjobs gerne aufgebessert?) und deshalb bestimmte Produkte nicht kaufen will, hindert die indischen Kinder daran, ihrer Familie beim Überlebenskampf zu helfen. Henkel preist die laufende "Globalisierung", wie sie durch die transnationalen Konzerne vorangetrieben wird, als die Freiheitsbewegung des 21. Jahrhunderts. Die Globalierungskritiker sind Heuchler oder blind, weil sie die Wirklichkeit nicht wahrhaben wollen. Wer gegen die Globalisierung - wie Henkel sie versteht - kämpft, ist wie einer, der gegen das Wetter anrennt. Wer anderer Meinung ist, wie beispielsweise Oskar Lafontaine und seine Staatssekretäre Noé und Flassbeck 1998 im Bundesfinanzministerium oder der Bremer Professor Hickel, gehört zu den Verrückten unter den deutschen Volkswirten... Und so geht das weiter und wiederholt sich: 292 Seiten neoliberale Kreuz-zugsideologie, angereichert mit dem Schwadronieren über eigene "Erfolge" und deutschnationalem Ressentiment. Der kleine Hans-Olaf war zunächst ein Schulversager. Warum? Die Lehrer nach dem Krieg hingen noch der Gleichmacherei aus der Nazizeit an, vertraten sozialistische Ideen und achteten zu wenig auf die besonderen Fähigkeiten, die einem durch Gene und Erziehung vermittelt worden sind. Er konnte sich nur langweilen, mußte die Schulen wechseln, landete gar auf einer Mittelschule! Erst als ein Lehrer in einer Schule des "Rauhen Hauses" auf ihn aufmerksam wurde, war er innerhalb kurzer Zeit Klassenprimus. Überhaupt die Freiheit des Individuums: Da Henkels Vater im Krieg geblieben war und seine Mutter keine Zeit hatte (sie mußte sich um den Wiederaufbau der Firma kümmern), konnte der aufstrebende junge Mann schon als Lehrling (er mußte sich seinen Aufstieg schwer erarbeiten!) ein ziemlich freies Leben führen: Die Mutter stellte ihm eine eigene Wohnung zur Verfügung, die er untervermietete, und so konnte er sich in einem Alter, wo andere noch unfrei bei Vater und Mutter ängstlich ihre Beine unter deren Tisch steckten, einen kleinen Citroen leisten. Als Wirtschafts- und Meinungsführer aus der neuen Elite dieses Landes fordert auch H.-O. Henkel den Schlußstrich unter die Verbrechen des Nationalsozialismus: Die Deutschen müssen sich von der nur eingeredeten "Erbsünde" befreien und ihr Büßergewand ablegen. Mit dem Holocaust betreiben doch nur solche Politiker ihr Geschäft, die den Leuten Angst einjagen wollen, um sie so an der vollen Leistung im globalen Wettbewerb zu hindern. Henkel weiß, warum die Deutschen nicht schuld sein können: Sie haben alle nichts gewußt. Wie zeitweilig sogar das Ausland lebten auch die Deutschen in einer Wolke aus Desinformation und Schönfärberei. Dummerweise nahmen die Deutschen ... in der Depression der Niederlage die schreckliche Schuld auf sich. Was ein fundamentalistischer Massenmörder größtenteils im Verborgenen angerichtet hatte, wurde nun zur öffentlichen Schande. Hitlers vorherige totale Propaganda konnte übrigens nur wirken, weil es damals noch nicht das Internet gab! Und nur weil Hitler sein Volk bewußt von jeglicher Globalisierung ausschloß, konnte er es nach Belieben manipulieren und schließlich in die Massengräber schicken". Man reibt sich verwundert die Augen: Das eigene Volk wurde also in die Massengräber geschickt - wollte Henkel nicht vom Holocaust reden, und assoziiert der Leser nicht zuerst bei "Massengräbern" die Millionen ermordeter Juden in Auschwitz oder Maidanek? Henkel will aber genau dies sagen: Die eigentlichen Opfer waren die Deutschen selber, und eigentlich sind sie's immer noch, weil sie die Schuld an Hitlers fatalem Sonderweg mittragen sollen, bis heute. Will man doch diesem Schuldgefühl zu Beginn des neuen Jahrhunderts im Herzen unserer Hauptstadt ein monumentales Bauwerk errichten - für Henkel ein Reichstrauerfeld Speerschen Ausmaßes. Wenn das schon nicht zu verhindern ist, dann sollte es für alle gelten, die Hitlers Vernichtungsapparat zum Opfer fielen. Und da fallen unserem Ethiker (neben den Juden) nicht die gemordeten Sinti und Roma ein oder die 20 Millionen Toten in der UdSSR, sondern ausschließlich dies: Wie viele Millionen deutscher Zivilisten starben in den Bombennächten, bei den Vertreibungsaktionen, auf den Flüchtlingstrecks. Er fordert zumindest Parität: Eine Trauer, die nur der einen Seite des Leichenfeldes gilt, kann niemals wahre Trauer sein. Auch in diesem Zusammenhang kann sich der Autor nicht aus seiner Egomanie lösen und plaudert so einige Ungeheuerlichkeiten deutschbürgerlicher Normalität aus: Zunächst fallen ihm die Amateurfilmaufnahmen seines offenbar für Hitler und die NS-Parteitage begeisterten Vaters ein - als Beleg dafür, wie ahnungslos die Deutschen waren. Dann verrät er, daß seine Eltern Antiquitäten sammelten, und so gingen sie Ende der dreißiger Jahre zu Auktionen, auf denen sie wertvolle Möbel günstig ersteigern konnten. Und nun fragt sich Hans-Olaf Henkel manchmal ..., wie viele von den Stücken, die mir unser Haus wie ein Schloß erscheinen ließen, möglicherweise von Juden waren, die aus Hamburg emigrieren mußten - sie sind ja alle nur "emigriert", einige vielleicht auch nach Auschwitz. Henkel, der aufrechte Bekenner, der die Deutschen und sich selber aus der nur eingeredeten Erbsünde befreien will, offenbart weiter: Das Haus selbst, in dem ich aufgewachsen war (er ist 1940 geboren), hatte, wie ich später herausfand, einer jüdischen Familie gehört." Alles kein Grund zur Beunruhigung: Meine Mutter versicherte mir aber, daß meine Eltern einen fairen Preis dafür bezahlt hatten. So fair, daß die Mutter nach dem Krieg verkaufen mußte, und zwar für den bescheidenen Betrag von 10 000 Mark und seltsamerweise unter Einschaltung einer Agentur, die die erbrechtlichen Interessen ermordeter Juden ohne Erben wahrnahm, die Jewish Claim Agency. Demnach waren die Vorbesitzer seines Elternhauses Juden, die anschließend ermordet wurden, also bei Vertragsabschluß wahrscheinlich vor der Deportation standen. Wie damals Ende der dreißiger oder gar Anfang der vierziger Jahre "faire Preise" zustande kamen (der "bescheidene Betrag" von 10 000 Mark entsprach vermutlich der Kaufsumme), sollte und könnte heute jeder Spätgeborene wissen; wer nur einen Hauch von Interesse hat, weiß inzwischen auch, daß als Käufer in der Regel nur verdiente Parteigenossen den Zuschlag erhielten und daß das NS-Regime den Erlös sogleich konfiszierte. Aber nicht die deutlichen Hinweise auf Nutznießerschaft und vermutlich Beteiligung seiner Eltern an den Nazi-Verbrechen irritieren H.-O. Henkel. Vielmehr teilt er uns seinen Ärger über die typisch jüdische Agentur mit, die sich nach 1945 den Löwenanteil des Verkaufswerts angeeignet hat: Dieselbe Agentur meldete sich bei mir 1989 wegen des einen IBM-Grundstücks in Ostberlin... In seiner Zeit als BDI-Präsident (1995-2000) ging es auch um den heiklen Punkt der Entschädigung von Zwangsarbeitern des Dritten Reiches - für Henkel ein besonders eklatanter Fall von ideologischem Musterknabentum. Er weiß, daß eine Aufrechnung aller Entschädigungsforderungen Deutschland ruinieren würde. Doch streng genommen (war Deutschland) schon einmal ruiniert worden ..., nämlich durch die von uns verschuldeten und von den Alliierten gründlich vorgenommenen Zerstörungen und Vertreibungen. Für unseren Erfolgs-Ethiker ist damit die Rechnung ausgeglichen. Denn wollte man nach fünfzig Jahren mit den gegenseitigen Aufrechnungen beginnen, fände man wohl für weitere fünfzig Jahre kein Ende. Zum Glück nahm ja Graf Lambsdorff die Abwicklung in die Hand. Damit muß die Sache jetzt aber auch gegessen sein! Henkel beruft sich auf Nietzsche und empfiehlt: um zukunftsfähig zu sein, "unhistorisch" zu sein und sich ... ganz den eigenen Möglichkeiten zu öffnen - im Ausleseverfahren des Weltmarktes. Denn eine Spezies, die sich nicht anpaßt, wird untergehen. Der Typus Hans-Olaf Henkel paßt in die Zeit. Schröder und Fischer haben Auschwitz in Jugoslawien entsorgt, Möllemann redet "Klartext", Walser fürchtet nicht mehr die "Auschwitzkeule". Henkel weiß sich im Einklang mit seiner bürgerlichen Klasse im Deutschland der Berliner Republik. Verantwortung übernehmen für die "Erbsünde" am 2. Weltkrieg und dem Genozid bedeutet jetzt, den gescheiterten Nationalsozialismus positiv beerben, nämlich endlich zu den Siegern im globalen Ausleseverfahren aufzuschließen. Der deutsche Wirtschaftsführer outet sich als Standort-Imperialist im friendly fashism der neoliberalistischen Globalisierung. Sein Buch "Die Ethik des Erfolgs" wird bestimmt wieder ein Bestseller. Hans-Olaf Henkel: "Die Ethik des Erfolgs. Spielregeln für die globalisierte Gesellschaft", Econ Verlag, 293 Seiten, 22 Euro
Erschienen in Ossietzky 19/2002 |
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