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Kalte Krieger auf dem Vormarsch

In den USA geht es nur noch um den Zeitpunkt für den Irak-Krieg

von Max Boehnel


Innerhalb der US-Regierung spielt sich ein Kampf zweier Linien ab, der auf dem kaum überbrückbaren Gegensatz zwischen Hardlinern und Moderaten innerhalb der Republikanerpartei und der Regierung beruht.

Während sich Europa erst seit kurzem über Triebkräfte und Zeitpunkt eines möglichen Angriffs auf den Irak Gedanken macht, war das Hussein-Regime in den Washingtoner Führungszirkeln schon kurz nach der Bush-Rede von der »Achse des Bösen« im Januar 2002 wichtiger Bestandteil außenpolitischer Zielsetzungen. Einen ersten Hinweis darauf hatte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bereits nach den Anschlägen vom 11. September geliefert, als er bei der Spekulation über die Täter den Irak nannte. Seit der Identifizierung Mohammed Attas als Hauptattentäter war dessen angebliches Treffen mit einem irakischen Diplomaten in Prag durch die Gazetten gegeistert. Anfang Februar noch sah dies der Chef der US-Auslandsspionage George Tenet allerdings als nicht bewiesen an. Und sowohl der CIA als auch dem Außenministerium schien die These von der Unterstützung Bagdads für Terroristen und von der Einsatzbereitschaft irakischer Massenvernichtungswaffen zu weit hergeholt.

Während der Krieg gegen die Taliban in vollem Gange war, mußten weitere Schritte im »Krieg gegen den Terror« zunächst verschoben werden. In der US-amerikanischen Öffentlichkeit bestanden große Zweifel, worin die Achse in der »Achse des Bösen« bestehen sollte, aber auch, inwiefern der zwangsabgerüstete und mit internationalen Sanktionen belegte Irak für seine Nachbarn oder gar die USA eine Bedrohung darstellen konnte. Innerhalb der US-Regierung spielte sich fortan ein Kampf zweier Linien ab, der auf dem kaum überbrückbaren Gegensatz zwischen Hardlinern und Moderaten innerhalb der Republikanerpartei und der Regierung beruhte.

Die Hardliner sind vor allem im Verteidigungsministerium sowie in den außen- und verteidigungspolitischen Denkfabriken angesiedelt. Es handelt sich um ehemalige Kalte Krieger, die nach Bushs Wahlsieg in die zweite Reihe gehievt worden sind. Schon seit Ende 2000 betrieben sie Werbung für Dauerangriffe auf den Irak und den Ersatz Saddams durch ein US-freundliches Regime. Zu den Hardlinern zählt insbesondere das Defense Policy Board (DPB). Dieser Lobbygruppe gehören 18 Mitglieder aus der Ex-Regierungs-, Polit- und Geheimdienstelite an, z.B. Henry Kissinger, Dan Quayle, James Schlesinger und Newt Gingrich. Laut New York Times ist der »omnipräsente« DPB-Vorsitzende Richard Perle ein Fürsprecher des umstrittenen irakischen Oppositions-Bündnisses Iraqi National Congress. Die illustre Runde des DBP äußere »manchmal Sichtweisen, die ihre Freunde in der Regierung nicht ausdrücken können«, hieß es weiter. Nur wenige Meter vom Büro des Pentagon-Chefs entfernt, betreibe das DPB – obwohl ohne offiziellen Status – Lobbyarbeit mit minimalem Aufwand und maximalem Erfolg. Sie frische alte Kontakte zu einflußreichen Medien, Machtzentren und neokonservativen Denkfabriken immer wieder auf. Zudem flimmern die Lobbyisten als gut bezahlte »Experten« zur besten Sendezeit der großen TV-Sender über die Bildschirme.

Zu ihren außenpolitischen Prinzipien gehören laut Lobbyforscher Jim Lobe die Feindschaft gegenüber der UNO und die Verachtung europäischer Eliten. Die Gruppe sei »absolut überzeugt davon, daß die USA gegenüber dem Ausland von ihren moralischen Prinzipien her überlegen und deshalb zur dauernden Erlösermission verpflichtet sind«. Seit 1997 existiert eine weitere Lobbygruppe, die sich für einen Krieg gegen den Irak einsetzt: Das »Project for a New American Century« (PNAC) sieht sich in Opposition zum US-Außenministerium, zu allzu vorsichtigen Militärs sowie zu politikorientierten Geheimdienstchefs.

Als Gegenpol zu diesen »Unilateralisten« gelten die »Internationalisten«, die den außenpolitischen Interessen der USA mit Hilfe von Alliierten auf Grundlage einer engen Bündnispolitik nachgehen wollen. So forderte z.B. der zu den Internationalisten zählende Außenminister Colin Powell, einem US-Alleingang gegen den Irak müsse die Wiedereinsetzung von UN-Waffeninspektoren voraus gehen. Die Moderaten in der Bush-Regierung setzen durchaus auch auf Krieg, legen aber über einen kurzfristigen »Regimewechsel« im Irak hinaus mehr Wert auf langfristigen amerikanischen Imagegewinn. In dasselbe Horn blasen seit der Rückkehr des Kongresses aus der Sommerpause auch konservative Republikaner. Dick Armey, Mehrheitsführer des Repräsentantenhauses, sieht im Alleingang Washingtons einen Verstoß gegen das Völkerrecht. Er sei »nicht im Einklang mit dem, was wir als Nation sind und sein möchten«. Der Sicherheitsberater der Golfkriegs-Regierung von Bush Sr., Brent Scowcroft, warnte, daß eine US-Invasion »die gesamte Region ins Chaos stürzen und dann den Krieg gegen den Terror verunmöglichen könnte«.

Aus der Sicht der wenigen prinzipiellen Kriegsgegner ist die »Debatte« innerhalb der Regierung allerdings beendet. So ist sich Phyllis Bennis vom »Washington Institute for Policy Studies« sicher, daß sich die Rechtsaußenfraktion bereits durchgesetzt hat. Der Meinungsunterschied in der Elite bestehe nur noch in der Frage, ob über das Wie eines Irakkriegs weiter diskutiert oder ob schnellstmöglich zugeschlagen werden solle. Auf die Frage, warum die Opposition der Demokratischen Partei kaum wahrnehmbar sei, verweist Bennis auf den laufenden Wahlkampf. Die Demokraten hätten die Republikaner eigentlich innenpolitisch überrunden wollen. Doch infolge der geschickten PR-Politik des Weißen Hauses spreche kein Mensch mehr von den Wirtschaftsskandalen um Enron und WorldCom, sondern nur noch vom Irak.

Der linke Autor George Monbiot sieht in einem neuerlichen Angriff auf den Irak »einen Krieg ohne strategischen Zweck«. Seine Gründe lägen in der US-Innenpolitik: Krieg erhöhe die Gewinnchancen im Wahlkampf; er lenke von den Verwicklungen Bushs und Cheneys in Wirtschaftsskandale ab; der riesige militärisch-industrielle Komplex verlange nach Bestätigung für sein Existenzrecht. Die USA, so Monbiot, »werden gegen den Irak in den Krieg ziehen, weil sie ein Land brauchen, gegen das Krieg geführt werden kann«. Dahinter stecke nichts anderes als »the logic of empire«.

Max Boehnel ist freier Journalist in New York.
Der Artikel erschien zuerst in der Nr. 264 der iz3w - blätter des informationszentrums 3. welt

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sopos 10/2002