Hubertus Schmoldt, Gewerkschaftsvorsitzender. – Vor der »gefährlichen Sehnsucht nach Opposition« haben Sie »die politische Linke und Teile der Gewerkschaften« gewarnt. Die Arbeitnehmerorganisationen – die von Ihnen geleitete Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie ist seit langem oppositioneller Tendenzen unverdächtig – könnten »ihre Positionen nur mit Regierungen umsetzen«, argumentieren Sie. Offenbar denken Sie hier an die Gesetzgebung. Aber soll die nicht laut Grundgesetz vom Parlament geleistet werden? Egal, Sie kommen als Riester-Nachfolger in Betracht, wenn nicht unter Schröder, dann unter Stoiber. Denn aufs Regieren kommt es an, meinen Sie, und die Gewerkschaften sollen, was das Opponieren angeht, endlich suchtfrei werden.

Harald Schmidt, Showmaster. – Die Welt am Sonntag gab Ihnen Gelegenheit, sich über die Friedensschwüre des Kanzlers und des Kanzlerkandidaten zu äußern: »Ja was ist jetzt mit der Aussage, wir greifen den Irak nicht an? Wenn die Amis morgen sagen, es ist soweit? Für uns ist es dann spannend zu sehen, wer kippt wann um und wie kommuniziert er das. Denn daß umgekippt wird, ist ja keine Frage.« Zu Unrecht wird Ihnen nachgesagt, Sie seien ein Spaßmacher. Sie sind Realist.

Thomas Goppel, CSU-General. – Der Springer-Konzern, so lesen wir aus Ihrer Feder in der Tageszeitung Die Welt, sei »im Medienbereich so etwas wie das Grundgesetz der Bundesrepublik«, an dem sich »eine in Deutschland den Menschen gerecht werdende Meinungsbildung« messe. Da wird, wenn Ihr Chef Kanzler wird, das Bundesamt für Verfassungsschutz zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen. Noch immer gibt es einige Journalisten hierzulande, die den Ansprüchen der Bild-Zeitung nicht gerecht werden.

Roger Kusch, (CDU), Hamburger Justizsenator. – Sie planen große Veränderungen in den Hamburger Strafanstalten. Auf Ihren Studienreisen, die Sie zu diesem Zwecke unternehmen, suchten Sie zunächst im fernen US-Wüstenstaat Arizona den Brutalo-Knast des Sheriffs Joe Arpaio auf. Dabei sammelten Sie nicht etwa nur miles, sondern more: »Ich habe eine Fülle von Einzeleindrücken mitgebracht. Viel davon war atmosphärischer Art«, berichteten Sie vor der Landespressekonferenz. Nächste Station war der Männerknast im russischen St. Petersburg sein. Behagte Ihnen die dortige Atmosphäre?

Leipziger Rechts- und Traditionswahrer– Vor einem in Leipzig geplanten Neonazi-Aufmarsch urteilte das Landgericht, das öffentliche Brüllen der Parole »Ruhm und Ehre der Waffen-SS« sei nicht unter Strafe gestellt. »Mit dieser Begründung«, so hieß es in Agenturmeldungen, »verwarf die Berufungskammer die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen den Rechtsextremisten Steffen Hupka abzulehnen. Der Mitveranstalter eines Neonazi-Aufmarschs am 1. September 2001 in Leipzig war wegen Verwendens von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation angeklagt worden...« Was im Reichstagsbrandprozeß von den Vorgängern Ihresgleichen als Recht praktiziert wurde, muß allemal Recht bleiben. Es lebe die Tradition des Reichsgerichts, durchweht vom Brandgeruch des späteren Volksgerichts und dem anscheinend sehr dauerhaften Leipziger Justiz-Mief. Sie sollten zwecks Aufpolierung ihres dunkel glänzenden Stolzes darauf dringen, daß die vor Jahren vom Berliner Senat in Danziger Straße rückbenannte Dimitroffstraße endlich den wahrhaft gebührenden Namen erhält: Reichsmarschall-Göring-Allee.

Markus Wolf, Autobiograph. – In Ihrem jüngsten Buch »Freunde sterben nicht« nennen Sie Ihre zumeist verstorbenen Freunde nur mit Vornamen. Das mag bei einigen immer noch berufsbedingte Gründe haben, aber lassen Sie doch die Karl-May-Romantik »Kundschafter« weg, sagen Sie »Spion« wie alle Welt. Daß Sie den guten Michael Wischniewski nur als den »kleinen Mischa« bezeichnen, hat er nicht verdient, zumal sein ehrlicher Name auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee auf einer Gedenktafel steht. Und warum nur »Rosemarie« für die wegen ihrer historischen Romane zu rühmende Rosemarie Schuder? Und nur »Rudolf« für Rudolf Hirsch, den Gerichtsberichterstatter, jahrzehntelang für die Wochenpost tätig, in der Ihre »Troika« zuerst erschien, damals nicht ohne Ärger mit den Behörden! Den eigenen Nachnamen ließen Sie lieber nicht weg. Man hätte sonst nur in einer evangelischen Buchhandlung nach Ihrem Buch fragen können.

Erschienen in Ossietzky 18/2002