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Gleich zur Eröffnung auf Kampnagel das indonesische Theater »Mandiri« aus Jakarta, das ein Stück von Kuo Pao Kun aus der Law&Order-Republik Singapur zeigt. Eine Leiche, die zu groß ist für die vom Staat genormten Särge und Gräber. Eine einfache Vorlage, aus der sich viel machen ließe. Aber Einfälle und Ideen werden verschenkt, alles zerfließt wie Schatten. Mag auch das traditionelle Schatten-Theater als Vorlage gedient haben, es ergibt sich kein Gesamteindruck. Ein riesiger Vorhang, Projektionsfläche für die Tänzer, verwandelt sich in Wasser, verhüllt – aber macht nichts sichtbar. Das Geheimnis fehlt. Keine Gamelanmusik. Elektronisches Gedröhn ohne leise Töne – es stört. Soll es die Zerrissenheit des Vielvölkerstaates symbolisieren, eine Situation zwischen Tradition und westlicher Moderne? Wenn doch der Regisseur aus Bali (Putu Wijaya) als Musik »Jaipongan« gewählt hätte, einen eigenständigen, neuen Musikstil aus Südwestjava. Sukarno hat ihn gefördert als Gegengewicht zur bloßen Nachahmung dessen, was aus dem Westen kommt. Sehr rhythmisch, mitreißend, obwohl mit traditionellen Instrumenten gespielt – eine Art indonesischer Pop, aber völlig ohne westliche Anleihen. Nein, das Publikum muß auch noch Schnulzen ertragen. Die in Ansätzen balinesisch tanzende Schauspielerin mit Blumenschmuck auf dem Kopf. Ihre Rolle? Die Zuschauer bleiben ratlos. Aber dann: Ein Riesenleichnam als Puppe, der aufgehängt wieder herunterfällt und die kleinen Menschen unter sich begräbt – ein Bild, das bleibt. Von der »Black Swan Theatre Company« aus Perth (Australien) mit ihrem Stück »The Career Highlights of the Mamu« ließ die Laokoon-Präsentation nicht viel erwarten. Fotos zeigten die Mitwirkenden, wie in einer Show aufgereiht, dazu elektrisch verstärkte Gitarren. Wo bleibt die eigene Kultur? Man darf aber nicht vergessen: Es war den Aborigines lange Zeit nicht gestattet, ihre eigene Musik zu spielen. Der Anfang bestätigt jedes Vorurteil. Ein »Performer« in Jeans, den Oberkörper bemalt, gibt Popsongs zum Besten, gut gemacht, aber längst bekannt. Doch dann: Auf der rechten Seite der Bühne die Familienangehörigen, vom Kind bis zur Großmama, traurig eintönige Gesänge summend. Eine eigenartige Lethargie liegt über allem. Die Mitglieder einer Familie von Spinifex, Ureinwohnern dieses Landes, in weite schwarze Gewänder gehüllt, kauern auf dem Boden, ihren Gesang mit Holzklappern akzentuierend. Links moderne westliche Instrumente. Trevor Jamieson erzählt ganz locker die Geschichte der Familie, auf drei Leinwänden im Hintergrund dokumentiert. Wer wußte denn bei uns, daß in den Jahren 1956/57 im Südosten Australiens Atombomben-Versuche stattfanden, auf Anordnung der britischen Regierung? Für die Spinifex war das von Mamu, dem Teufel, befohlen. Die Ureinwohner wurden aus ihrem eigenen Land vertrieben, das nun verseucht war. Ich vergesse meine Einwände, werde gefesselt von dem anrührenden Gesang einer alten Frau, zahnlos und so gar nicht gestylt wie unsere Sängerinnen, die oft nur noch Mensch an makellosem Gebiß präsentieren. Die »Black Swan Company« überzeugt mit ihrer Mischung aus Spiel und Information, Bekanntem und Fremdem. Das Licht fällt auf eine menschengroße Marionette in prächtigem Gewand. Es ist der Schauspieler-Tänzer Arjun Raina aus Delhi. Die Starrheit löst sich, und Shakespeare-Verse in feinstem Oxford-Englisch durchbrechen die Stille, unterstrichen durch ausdrucksvolle Bewegungen der Hände, Othello spricht durch die Gestik der Mudras. Arjun Raina versucht, westliches und östliches Theater zu vereinen. Zu Shakespeares Zeit entwickelte sich auch das südindische Kathakali-Theater neu. Diese Synthese nennt er »Khelkali«. Wir erleben, wie Emotionen ausgedrückt werden können im Mienenspiel. Das durch die farbige Schminke verfremdete Gesicht tanzt, spricht differenzierter als Worte. Arjun Raina ist Jago und Desdemona, ist alle Tiere im Sommernachtstraum und im Wald von Kerala. Eine Tiermaske verwandelt ihn in den Esel aus Zettels Traum. Kurios, eine Barbie-Puppe hier? Ein blonder GI im Tarnanzug läuft, redet, bedient das Gewehr. Aber er ist nicht Bhima, der Krieger aus dem Mahabharata-Epos, der für Blumen bis in den Himmel steigt. Vielleicht ist es ja ein Engländer, dieses Spielzeug. Der Kathakali-Tänzer nimmt es in die Hand, sprachlos – und wirft es weg. Ein Stück Erinnerung, fast 25 Jahre alt und zugleich ein Höhepunkt: »Kontakthof« von Pina Bausch. Neu einstudiert mit Tänzern, nein, mit Laien, Damen und Herren ab 65. Jetzt zum letzten Mal in Deutschland. Fast drei Stunden lang – ohne Langeweile – zeigen sie die Gefühlsskala von Einsamkeit, Sehnsucht nach Zärtlichkeit, Sich-Unverstanden-Fühlen, Trauer, Wut, Aggression, Lust, Bosheit, Klatschsucht und sehr viel Komik. 27 Personen, die erstaunlich exakt und mit sichtbarer Lust am Spiel die Bühne beherrschen und ihr Alter völlig vergessen lassen. Großer Beifall.
Erschienen in Ossietzky 18/2002 |
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