Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Guter Schluß macht nicht alles gutvon Anne Dessau Das Ensemble »Neuköllner Oper« zeigt seine Eigenproduktion: »Angela,« eine »Nationaloper«. Alle Zutaten für dieses Polit-Potpourri passen, nur die Würze fehlt. Peperoni, Tabasco, Chili. Alles, was sich an roter Schärfe gewinnen ließe. Komponist Frank Schlemmer, Texter Michael Frowin, Regisseur Robert Lehmeier haben einen vortrefflichen Aufführungsort für ihr Stück gefunden, das sich mit der Ware Politik und deren Verkäufern, den Politikern, beschäftigt: die Baustelle U-Bahnhof Reichstag, zwischen Paul-Löbe-Haus und Bundeskanzleramt, den Reichstag fest im Blick. Hier, inmitten pompöser, geschichtsträchtiger, Macht demonstrierender Architektur, aber unter der Erde, zwischen nacktem, noch dumpfigem Beton die Spezies Politiker demontieren zu wollen, ist ein bestechender Einfall. Der U-Bahnhof ist eine Investitionsruine. Sparmaßnahme. Gut gelauntes Publikum taucht aus strahlendem Sonnenschein ab in feuchte Finsternis. Vorbei an proper gekleidetem Catering-Personal, an Garnelenspießchen, Petit Fours und Sektkelchen. Die niedlichen, mobilen Toilettenhäuschen nicht zu vergessen. Alles gut organisiert. Tiefer hinab in den Untergrund. Hat man die Plastikabhängung der Firma Gerüstbau durchschritten, lacht und leuchtet ein buntes Blümchenmuster vom Teppichboden und der Wandbekleidung, es verwandelte den gigantischen Raum mit Säulen, mächtiger als denen des Herrn Litfaß, in ein freundliches und, obwohl die Blüten sich allesamt lieblich runden, kleinkariertes Ambiente. Die heitere Erwartung steigt, denn Ironie scheint angesagt. Und die, so dachte ich vorab, ist gewiß ein geeignetes Stilmittel, Angela Merkels Biographie zu Leibe zu rücken. Wie gesagt: Es stimmt alles. Wie stets in der Neuköllner Oper, die jetzt seit 25 Jahren erfolgreich arbeitet in dieser Stadt Berlin. Musik, Ausstattung, Regie, das Ensemble und seine Protagonisten (Kathrin Unger als Merkel, Stephan Korves als Stoiber, Dieter Goffing als Schäuble, Regine Gebhardt als Baumann und Christian Grygas als Westerwelle) – sie verstehen ihr Handwerk. Applaus, Applaus. Trotz alledem floppt der Abend. Eben weil die satirische Würze fehlt, das genüßliche Tranchieren der Strukturen der Macht. Es gibt Ansatzpunkte in der Inszenierung, und sofort springt der Funke über, elektrisiert für den Moment die Menge, erlischt – und es ist langweilig. Bedauerlich, aber folgerichtig. Denn Frau Merkels Biographie als Oper ist unfreiwillig komisch. Das kostet die Kunst ihren Rang. Werden verbalisierte Allgemeinplätze gesungen, wird's lächerlich. »Angie, die Schlange, wem wird da nicht bange« oder »Machen Sie mehr aus Ihrem Typ. – Ich mach den Quatsch nicht mit, ich kann mich nicht den ganzen Tag um meine Ponys kümmern.« Das ist Daily Soap, nichts weiter. Dann gibt es ein Duett Merkel-Schäuble, in dem das schreckliche Schicksal von Politikern besungen wird, »schnell vergessen zu sein«. Das sind knallkomische Elemente, als Elegie vorgetragen, fallen sie in den Abgrund der Peinlichkeit. Grandios hingegen der Schluß. So könnte, müßte die Vorgabe insgesamt umgesetzt sein, da wird – hochstilisiert – die Satire auf Macht und Politik vorgeführt und abgekanzlert: 17. Bild. Showdown. Stoiber und Merkel beim Frühstück in Wolfratshausen. Sie schweigen sich an, führen pantomimisch ihr Kräftemessen mit wechselndem Sieg vor, dann Stoiber, sprechend: »Das Heil für Deutschland ist immer schon von Süden ausgegangen. Ich will es machen.« Diesen Text spricht er als Tonschleife, wieder und wieder, endlos. Angela greift in ihr Handtäschchen, zückt ein Pistol, erschießt den Widersacher ungerührt. Der spricht weiter, unberührt. Wieder holt sie die Waffe raus, entleert das Magazin in ihn. Stoiber, mit Computerstimme: »Das Heil für Deutschland ist immer schon von Süden...« Ein furioser, Gänsehaut erzeugender Schluß. Leider steht der Teil nicht für das Ganze. Ein Publikumserfolg wird's allemal. * »Da Ponte in Santa Fe« von Peter Turrini am Berliner Ensemble, Premiere, inszeniert von Claus Peymann. Ich sehe das so: Drei Freunde (Turrini, Peymann, Beil) haben Spaß beim Wein oder Wandern, werfen sich – pingpong – Ideen, Witze, Worte zu, Versatzstücke aus der Asservatenkammer Theater, und basteln lachend einen Theaterspaß. Turrini skizziert's, und weil sie sich mögen, die Drei, gut und gerne miteinander vergnügen, scheint es ihnen, ein Bühnenstück sei geboren. Aber vorhanden sind vorerst Einfälle, Blitzlichter, Akzente, »Stellen« sozusagen. Kein Ganzes. Dies Stückwerk machen sie flugs zum Werkstück, in dem es da und dort funkelt, aber nicht brennt. Es ist nicht das, was Turrini allenthalben postuliert: »Ich beharre auf einer Betrachtungsweise, in der das menschliche Ich, das geschundene und das Verantwortung tragende, einen Platz in dieser Welt hat. Ich lasse mir die menschliche Existenz nicht als eine unterschieben, in der die Frage nach dem Glück, die revolutionärste, die es überhaupt gibt, nicht mehr gestellt werden kann.« Hier dagegen werden Figuren verraten, lächerlich gemacht, Peinlichkeiten vorgetragen, Dilettantismus breitet sich aus. In einem wundervollen, Einfälle provozierenden Bühnenbild (Rolf Glittenberg) wird zumeist frontal, wie bei Opernarien, herumgestanden und Text deklamiert oder töricht gerangelt, artistische Möglichkeiten versäumt man, die Schmiere regiert. Ich vermute, das soll Stil der Aufführung sein, kommt aber als Unfähigkeit daher. Die Ausstellung von verhauenen Typen aus einem Monstrositätenkabinett, dazu etwas Fäkalkomik und ein paar Erotik-Utensilien aus Beate Uhses musealer Abteilung – das macht keinen witzigen Theaterabend. Ich habe Jörg Gudzuhn (Da Ponte) ein Theaterleben lang mit Vergnügen bei seiner Arbeit zugesehen, diesmal stand Striese auf der Bühne. Ohne dessen Charme. Heribert Sasse spielt sein Rolle wie aus dem Bühnenhandbuch für zu vermeidende Unarten. Langeweile breitete sich aus. Als meine Sitznachbarin lautstark eine Bonbonniere öffnete, war ich dankbar für die Abwechslung. Ich fasse es nicht. Permanent fühlt sich Claus Peymann unverstanden, ungeliebt von der Kritik. Könnte es nicht sein, daß es auch in diesem Metier Leute gibt, die ihr Handwerk verstehen? Ach, ich bin traurig und wütend über den fahrlässigen Umgang mit der Möglichkeit Theater. Dabei hätte das ein Stück werden können. Es stecken wundervolle Einfälle darin, das Ende ist phantastisch, überraschend. Ironisch, witzig wird die reale Handlung mit dem Schluß der Oper »Don Giovanni« verschränkt. Da Ponte singt den Komtur im Duett mit Don Juan. Das ist wirklich Theater auf dem Theater auf dem Theater. Ein großer Einfall. Er bleibt einsam diesen Abend. Schwacher Beifall. Buhrufe für Peymann.
Erschienen in Ossietzky 18/2002 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |