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So fand Stoiber heraus, daß sein Rivale im Endspurt zum Kanzlerstuhl mit seinen Versprechungen gegen die Arbeitslosigkeit den Mund zu voll genommen hatte. Das ist eine Tatsache, die allerdings schon allgemein bekannt war, ehe Edmund Stoiber sie überraschenderweise vor den TV-Kameras artikulierte, und die vermutlich auch nicht bekannter geworden ist als bekannt, nachdem er sie fünf- oder siebenmal in der gleichen Sendung mit den gleichen Worten wiederholt hat. Mir ist dieser raffinierte rhetorische Trick geläufig. Vor vielen Jahren und ganz ohne eigenes Verschulden geriet ich mal in einer Rostocker Versammlung, auf welcher der dortige Bezirksvorsitzende der SED eine für dreißig Minuten konzipierte Rede hielt, die aber sechzig Minuten dauerte, weil der Mann jeden Satz zweimal vortrug. Er hielt das für besonders eindringlich. Natürlich prägt sich die Aufforderung »Wir müssen dieses Programm so bald als wie möglich in die Wirklichkeit umsetzen« besonders tief ein, wenn man sie dem Publikum wie folgt zuruft: »Wir müssen dieses Programm so bald als wie möglich in die Wirklichkeit umsetzen! Wir müssen dieses Programm so bald als wie möglich in die Wirklichkeit umsetzen!« Dieser Methode des norddeutschen Meisterdemagogen (dessen Name mir glücklichweise entfallen ist) bediente sich auch der süddeutsche Kanzlerkandidat, als er die Schönheiten und Vorzüge seiner Heimat rühmte, wiederholt rühmte, dermaßen wiederholt, als könne er gar nicht mehr damit aufhören. Selbst langjährige Weizenbier-und-Weißwürschtl-und-Carolin-Reiber-Fans hatten kaum geahnt, wie wunderbar und großartig es in Bayern ist und wie fein man dort leben kann. Kaum Arbeitslose, zufriedene Leute, herrliche Musik mit nur geringem Richard-Wagner-Beiklang, feinste Klosterliköre und Oktoberfeste, glückliche Kühe und andere Tiere... Was die anderen Tiere betrifft, so fallen einem, wenn man Stoibern beim Reden zusieht, sogleich Papageien ein – nicht nur, weil diese amüsanten Vögel gern wiederholen, was sie auswendig gelernt haben, sondern weil sie ihre Vorträge auch gern durch bestimmte ruckartige Bewegungen des Köpfchens unterstreichen. Gewiß lobt der bajuwarische Patriot Stoiber sein Herkunftsland mit Fug und Recht, denn an der Loisach und der Isar, in Wolfratshausen und in München kennt er sich aus. Er hat auch an der Nordsee schon Urlaub gemacht, aber dort gibt's bekanntlich sehr viel Wasser, und deshalb dürfte er sich an Mulde und Elbe nicht besonders wohlgefühlt haben. Er hat flüchtige Blicke auf die Hochwasserflut geworfen und die Betroffenen ungemein getröstet mit der Randbemerkung, hier müsse man was tun, ohne zu erwähnen, was denn eigentlich und wie. Von der Katastrophe heimgesuchte Leute zeigten sich undankbar und malten auf das hübsche CDU-Wahlplakat mit den verschmitzten Lächel-Künstlern Merkel & Stoiber unter die gedruckten Spruch-Weisheiten »Gemeinsam für Deutschland. Zeit für Taten« in großen Buchstaben: SCHIPP KIES! WIR SAUFEN AB!!! Der Gast aus dem Süden war aber schon nach Berlin »geeilt«, wo seinetwegen stundenlang die Straßen gesperrt wurden wie einst und später für den weiland Schah von Persien, Herrn Breschnew, Herrn Bush und sonstige Päpste. Stoiber schwang keine Schippe, sondern Reden – und das im staubigen Berlin, einer München nicht vergleichbaren mäßig gepflegten Großstadt mit teilweise dubiosen Bewohnern, Schlaglöchern, Steuerschwindlern, Beischlafdiebinnen und einem zentralen Lehrter Bahnhof, der vielleicht niemals so vollendet werden wird wie beispielsweise der Freistaat Bayern. Und in der Nähe noch diese Folgen einer Naturkatastrophe, von der Edmund Stoiber sich womöglich einredet, Gerhard Schröder habe sie verursacht, weil der manchmal so große Töne spuckt. Ein seltsamer Gast aus dem Süden. Irgendwie ledern – ohne Lederhose. Zugleich rastlos und starr. In der Zeitung las ich von dem neuen Wundermittel Botox: »Es lähmt die Muskeln, welche die Falten bilden. Falten verschwinden innerhalb von Stunden. In jedem Fall sind Patienten danach nicht mehr zu jedem Gesichtsausdruck fähig.« Man fragt sich, was ein solcher Mann aus dem heiteren, gepflegten, almgrünen und schneeweißen Bayern eigentlich in dem verhältnismäßig tristen Berlin an der nächstens auch eingemauerten melancholischen Spree will. Warum bleibt er nicht zu Hause? Nicht nur Ernest Hemingway dürfte herausgefunden haben: »Ortswechsel hilft dir noch lange nicht aus deiner Haut.« Freunde hat Edmund Stoiber überall. »Deutschland war nie arm an Talenten. Doch der Stern des Edmund Stoiber strahlt besonders hell unter den Gestirnen der Politiker, der Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und der Bürger des neuen demokratischen und vereinten Deutschlands.« Findet ein außerordentlich erfolgreicher Politiker, dem es vor Jahren gelungen ist, sowohl die Partei, deren Generalsekretär er war, als auch den Staatenbund, dessen Präsident er war, zu liquidieren: Michael Gorbatschow. Na bitte. Aber strahlen kann einer doch an der Isar auch.
Erschienen in Ossietzky 18/2002 |
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