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Hartz hatte zunächst ein neues Aufbauprogramm Ost vorgeschlagen, ausgestattet mit 150 Milliarden Euro. Hierfür wollten er und seine Mitautoren einen Teil jener Gelder gewinnen, die reiche Deutsche im Ausland, vorrangig in den sogenannten Steueroasen Luxemburg oder Liechtenstein, deponiert haben, um die Erträge vor dem deutschen Finanzamt zu verstecken. Es wurde geschätzt, daß vermögende deutsche Steuerbürger ungefähr eine Summe von einer Billion Euro (also in der früheren Währung fast zwei Billionen Mark) mit den Erträgen, die sich zum Teil schon seit Jahrzehnten angesammelt haben, dem hiesigen Fiskus auf ihre Auslandskonten entzogen haben. Damit das geflohene Geld endlich in die Heimat zurückkehren könne, sollte seinen Besitzern »Straffreiheit« gewährt werden. Der Bundesfinanzminister schien zunächst einverstanden, und der Kanzler lieferte gleich noch eine schöne, volkstümliche Begründung für den genialen Plan: Lieber solle deutsches Geld in Leipzig Arbeitsplätze schaffen als in Liechtenstein nutzlos herumzuliegen. Der Kanzler der BRD ist offenbar der Meinung, in den Zwergstaaten seien die Banken nur mit Schließfächern ausgestattet für all die geflohenen Geldscheine – müßten die nicht sowieso in Euro umgetauscht werden? Schröder hat keine Ahnung davon, daß auch geflohenes Kapital nur als Kapital existieren kann, wenn es angelegt wird und Gewinne oder Zinsen einfährt – übrigens zu über 90 Prozent hier in Deutschland. Nach wenigen Tagen war der Plan vom Tisch. Übrig blieb die vage Absicht, noch 20 Milliarden Euro bei der Bank für Wiederaufbau als verbilligte Kredite oder Subventionen für den Osten aufzulegen, finanziert entweder durch ein neues Solidaropfer als Kopfsteuer oder über steuerfreie Einlagen. Was hatten die Initiatoren mit ihrem Angebot der »Straffreiheit« im Sinn? Daß Steuerhinterziehung, auch wenn sie über Banken im Ausland – zumeist Filialen deutscher Banken – läuft, empfindliche Strafen bis zu mehrjähriger Haft nach sich ziehen kann, wissen wir spätestens seit Peter Graf, dem Vater der Tennismillionärin Steffi. Auch für Boris Becker oder Michael Schumacher wurde schon Gefängnis befürchtet. Dabei gibt es die Möglichkeit, straffrei auszugehen oder mit einer geringen Buße davon zu kommen, wenn man sich selber nachträglich beim Finanzamt meldet und die vorenthaltenen Steuern der vergangenen Jahre mit Zins und Zinseszins doch noch zahlt. Verjährungsfristen können eingeräumt werden, und oft läuft das Ganze auf einen Deal mit den Finanzämtern hinaus. Straffreiheit für reuige Steuersünder zuzusichern, die ihre aufgelaufene Steuerschuld bezahlen, wäre demnach nichts besonderes gewesen. Warum ist die Diskussion so schnell beendet worden? Hartz und Co. einschließlich Kanzler meinten nicht nur Straffreiheit im exakten Wortsinn, sie wollten zusätzlich einen nachträglichen vollständigen Steuererlaß für alle Fluchtgelder. Das wäre nun in der Tat die Aufgabe jeglichen Rechts in der Steuergesetzgebung gewesen, und jeder hätte vor dem Bundesverfassungsgericht auf Gleichbehandlung klagen können. Nur dumme Unternehmer würden in Zukunft noch Steuern zahlen. Der Protest aus dem Lager der mittelständischen Wirtschaft kam prompt. Und Hans Eichel mußte – belehrt von den Fachabteilungen seines Ministeriums – schleunigst dementieren: Eine generelle Steuerbefreiung für Fluchtgeld könne es nach deutschem Recht nicht geben und sei mit ihm auch nicht zu machen... 2000 Milliarden Mark auf Schwarzgeldkonten in Steueroasen. Das Gros wurde Anfang der neunziger Jahre mit Hilfe deutscher Banken auf deren Filialen nach Luxemburg etc. geschafft. Damals lagen die Zinsen auch für Wertpapiere des Staates bei über acht Prozent, mit Industriekrediten oder Aktien ließen sich leicht zwölf Prozent und mehr erzielen. Nehmen wir an, ein Vermögensbesitzer hatte zehn Millionen Mark frei. Seine Bank riet ihm zur Anlage in einem Misch-Fonds in Luxemburg, der auf zehn Jahre zehn Prozent jährlich garantierte, so gut wie steuerfrei. Mit Zinseszins weist sein Konto heute 25 937 400 Mark aus. Auf die ursprünglichen zehn Millionen Vermögen hätte er wohl keine Steuern mehr nachzahlen müssen, da Waigel schon Mitte der neunziger Jahre die Vermögenssteuer abgeschafft hat. Aber auf die Gewinne von fast 16 Millionen Mark. Der Spitzensteuersatz der Einkommenststeuer lag 1992 noch bei 60 Prozent (einschließlich Solidaritätsabgabe), heute bei gut 50 Prozent. Ungefähr neun Millionen Mark Steuern wären zu zahlen gewesen. Hartz und sein Kanzler wollten solche Steuerverbrecher straffrei ausgehen lassen, ihnen das zu Unrecht angeeignete Geld als honorigen Vermögensbesitz belassen, um es von ihnen als neue Staatsschuld ausleihen zu können – gegen Zinsen, die in Zukunft auch hierzulande von Steuern weitgehend befreit sein sollten. Rechnet man die obigen Zahlen hoch, ergibt sich eine Summe von gut 700 Milliarden Mark, die in den letzten zehn Jahren nur durch Fluchtgelder den deutschen Finanzämtern vorenthalten worden sind. Das sind weit mehr als der gesamte Bundeshaushalt des letzten Jahres. Hierauf waren Kanzler, Minister, Berater und Experten bereit zu verzichten. Daß sie durch schärfere Kontrollen schon längst die Steuerverbrecher hätten ausfindig machen können, kommt ihnen nicht in den Sinn. Daß sie über die EU auch Staaten wie Luxemburg oder Monaco zur Zusammenarbeit mit den deutschen Steuerbehörden veranlassen könnten, ist ihnen ebenfalls keinen Gedanken wert. Statt dessen hantieren sie mit den schönen »Modulen« aus der Hartz-Aufführung, damit sie die Kapitalbesitzer im eigenen Land noch weiter von Steuern befreien oder ihnen noch mehr Kosten abnehmen können. Das geht nur, wenn alle anderen noch größere Opfer bringen. So schlägt Hartz auch vor, zur Finanzierung der fehlenden Ausbildungsplätze solle eine 100-Euro-Abgabe von jedem jährlich erhoben werden. In »Modul 13« wird gefordert, der Kanzler solle »Meinungsbildner und Multiplikatoren« als »Profis der Nation« berufen – mit einem klaren Evangelisationsauftrag: »Sie sollen die Botschaft von Hartz – die Arbeitslosen sind das Problem aller, nicht der Politik und nicht der Wirtschaft – zum Prüfstein ihres gesellschaftlichen Engagements machen.« (FR 17.8.02) Deutlicher läßt sich kaum ausdrücken, daß Politiker und Wirtschaftsführer sich nicht für die Nöte der Allgemeinheit verantwortlich fühlen. Sie verstehen sich als Ministranten einer blinden Kapitalvermehrung, sind Diener der »unsichtbaren Hand« - eines verborgenen Gottes, der ständig vor den Problemen der Menschen flieht.
Erschienen in Ossietzky 18/2002 |
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