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In dem Braunbuch aus Ostberlin waren mit entsetzlichen Todesurteilen belastete Richter und Staatsanwälte beim Namen genannt worden, die ihre Karrieren in Westdeutschland fortgesetzt hatten; es enthielt auch einige Namen minder belastete oder sogar teilweise zu Unrecht angegriffener Politiker. Gerade mit diesen Fällen aber befaßte sich nun die Fernsehsendung – um so die angeblich mangelnde Fundierung des Braunbuchs belegen zu können? Verharmlost wird die Vorgeschichte Hans Globkes, des Staatssekretärs in Adenauers Bundeskanzleramt. Zutreffend wird erwähnt, daß er kein Nazi war (er war ein anpassungswilliger Karrierist), unzutreffend wird behauptet, er habe die Nürnberger Blutschutzgesetze einschränkend kommentiert. Verschwiegen wird, daß Globke jahrelang maßgeblich an der Entrechtung der Juden mitgewirkt hat, als Mitverfasser der Nürnberger Rassegesetze und durch die personenstandsrechtliche Feinsteuerung, die als Grundlage des späteren Massenmordes unentbehrlich war. Gerade in einer Sendung über die Braunbuch-Kampagne hätte es sich aufgedrängt, über das Weiterwirken der vielen mit Todesurteilen belasteten Richter und Staatsanwälte zu informieren; die DDR-Kritik richtete sich ja schwerpunktmäßig gegen die westdeutsche Justiz. Mit der Deutung der Kampagne als bloße scheinheilige Propagandaaktion wird die ungeheure Provokation ausgeblendet, die die unter Hitler verfolgten Kommunisten darin erblicken mußten, daß sie und ihre Gesinnungsgenossen in der Bundesrepublik erneut von schwer- und schwerstbelasteten Richtern – wie sie zahlreich an den Staatsschutzkammern und auch beim Bundesgerichtshof amtierten – ins Gefängnis geschickt wurden. Hat diese doppelte Kontinuität mit Beispielen, an denen es nichts zu deuteln gibt, zu dem vergangenheitspolitischen Konzept der fünften Folge nicht gepaßt? Jedenfalls wird das Weiteramtieren der Funktionseliten Hitlers nicht als moralisches Problem und Hemmnis auf dem Weg zu einer demokratischen Gesellschaft, sondern in Aufrechnungsmentalität vorrangig als Gegenstand einer einseitig vom Osten betriebenen Kampagne behandelt. Deshalb fehlt jeder Hinweis darauf, daß der Sympathie mit dem DDR-Regime unverdächtige westdeutsche Kritiker der personellen Kontinuitäten offiziell als »Agenten des östlichen Kommunismus« diffamiert wurden, entsprechend dem Ausspruch der niedersächsischen Abgeordneten Maria Meyer-Sevenich: »Entnazifizierung ist nichts anderes als die Bolschewisierung des westdeutschen Raumes.« Mit der Ausblendung der personellen Kontinuitäten in der westdeutschen Justiz ist die Sendung weit hinter die in den neunziger Jahren erreichten Positionen zurückgefallen. Das Weiterwirken von Hitlers Funktionseliten wurde hier nicht thematisiert. Es ging allein um die Herausstellung des rein propagandistischen Charakters der östlichen Kampagne. Ganz überraschend kam die Herausnahme der Juristen aus der Reihe allerdings nicht. Auch sonst geben unsere Massenmedien den über die Tagesaktualität hinausgehenden Problemen im Rechts- und Justizbereich wenig Raum. Liegt es an der (vermeintlichen) Schwierigkeit, die Eigenart juristischer Tätigkeit fernsehgerecht darzustellen? In der Tat bedienen sich Juristen, wenn sie Unrecht begehen, nicht – optisch wirksam – eines Revolvers, sondern des Schreibwerkszeugs, juristischer Kommentare und einer trickreichen Gesetzesauslegungskunst. So wie es – geradezu mediengerecht - das Nürnberger Juristenurteil von 1947 formuliert hat: »Der Dolch des Mörders war unter der Robe des Juristen verborgen.« Was den Tatbeitrag der Juristen unter Hitler besonders lehrreich macht, ist die Methode ihres Vorgehens: Indem sie ihre Entscheidungen mit dem Schein der Legitimität und Vertrauenswürdigkeit versahen, unterstützten sie die Machthaber noch wirksamer, als es etwa der mordende SS-Mann tat. Würde man die Gefahr problematisieren, daß Juristen mit Hilfe ihres vielseitig einsetzbaren Instrumentariums Unrecht »verrechtlichen« können, dann könnte manchen Fernsehzuschauern allerdings die Frage durch den Kopf gehen, wie es denn mit dem Kritikvermögen und der Zivilcourage der heutigen Juristen bestellt sei. Was bedeutet es aber für Demokratie und Rechtsstaat, wenn die Massenmedien meinen, Problemfälle der Justiz seien für das Publikum nicht darstellbar? Es würde bedeuten, der Justiz einen von demokratischer Diskussion abgeschirmten Naturschutzpark zuzugestehen. Für eine anschauliche Vermittlung ist das Fernsehen freilich auf Ratgeber angewiesen, die mit dem erforderlichen rechtssoziologischen und justizkritischen Blick ausgestattet sind. Für eine Sendung über die Braunbuch-Kampagne sollte man jedenfalls nicht Berater hinzuziehen, die sich ersichtlich noch immer in den ausgetretenen Pfaden der geschichtspolitischen Gräben des Kalten Krieges bewegen. Ursprünglich war als letzte Folge der Reihe die Sendung »Juristen: Freispruch in eigener Sache« angekündigt worden. Sie wurde in den weniger bekannten und längst nicht überall zugänglichen Nachrichtensender Phoenix verbannt. Auf eine Anfrage nach den Gründen antwortete die ARD unzutreffend, die Sendung sei deshalb ausgefallen, weil zu dem vorgesehenen Termin ein Bericht zur Hochwassersituation habe gezeigt werden müssen; der Termin für die ausgefallene Sendung stünde leider noch nicht fest. Tatsächlich hat die ARD die Sendung über die Juristen-Elite ersatzlos an Phoenix abgetreten.
Erschienen in Ossietzky 18/2002 |
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