Kriegswahl 02

von Dietrich Kittner

Wir sind mitten im Krieg, unsere Spezialtruppen schießen scharf in Zentralasien – doch plötzlich sprechen sich alle für den Frieden aus. Allerdings nur beschränkt: SPD, CDU/CSU, FDP und die Grünen raten von einer deutschen Beteiligung am bevorstehenden US-amerikanischen Krieg gegen Irak dringend ab. Widersprüchlich oder sonstwie verblüffend ist solches Verhalten nicht. Schließlich sind es nur noch zwei Wochen bis zur Wahl. Danach wird man weitersehen...

Vor vier Jahren hieß es im Wahlprogramm der Grünen: »Kampfeinsätze und militärische Friedenserzwingung lehnen wir ab.« Bei der SPD las es sich so: »Das internationale Gewaltmonopol liegt allein bei der UNO. Die NATO ist und bleibt ein reines Verteidigungsbündnis.« Damit wurde »Rot-Grün« gewählt, und sofort nach der Wahl haben die Protagonisten der neuen Regierungsmehrheit einfach mal weitergesehen... Krieg! Wer glaubt ihnen heute noch?

Um nun doch wieder ein wenig Glaubwürdigkeit zu gewinnen, haben die Grünen jetzt in letzter Minute eine Wähler-Verarschung von nahezu Haiderschen Ausmaßen gestartet: Sie wollen sich per »Vertrag« verpflichten, ihre Wahlversprechen auch wirklich einzuhalten! Hat man jemals soetwas gehört? Wirklich einhalten... – wie letztes Mal? Oder noch wirklicher?

Natürlich verlangt solch hehres vertragliches Versprechen, Versprechen tatsächlich zu halten, eine Gegenleistung »der Menschen draußen im Land«: Acht Prozent der abgegebenen Stimmen müssen an die Grünen gehen! Sollten es am Ende doch nur 7,9 Prozent sein, giltet alles nicht. Ätsch.

Und überhaupt: Konkretes können sie natürlich sowieso nix versprechen; man weiß ja, wie es dann so geht mit den Sachzwängen. Aber »einsetzen« wollen sie sich immerhin, sogar »kämpfen«. Nanu, doch wieder kämpfen? Oder nur: Kämpfen bis zum Umfallen?

Einklagen kann man die Vertragserfüllung durch die Obergrünen ohnehin nirgendwo. Für wie dumm halten die wohl inzwischen selbst die eigene Klientel?

Was also tun? Soll man als Kriegsgegner die Wahl boykottieren? Wohin das führt, haben die französischen Linken vorexerziert.

Soll man den rechten Kanzler wählen, um den noch etwas rechteren zu verhindern?

Etwa die PDS? Weil in der Zeitung stand, falls die nicht in den Bundestag komme, habe »Rotgrün« keine Chance, der Sieger heiße dann Stoiber? Aber haben da nicht auch schon etliche in der Führungsriege gewackelt?

Derzeit steht auf riesigen Werbetafeln der Partei zu lesen: »Nie wieder: Nein zum Krieg!« Das wird doch wohl bitte keine Rückversicherung sein?

Ach, sie meinen es ja sicher richtig. Bloß: Wer um Stimmen wirbt, sollte seine Meinung wirklich unzweideutig formulieren können oder seinem professionellen Werbeteam genauer auf die Finger sehen. Es wird vermutlich dasselbe sein, das den PDS-Werbebleistift verbrochen hat, der weiß auf rot mit dem Logo »pds« versehen ist. Warum sagt denen niemand, daß es auch Links(!)händer gibt, die den Schriftzug dann anders lesen müssen, nämlich auf dem Kopf stehend. Wer es nicht glaubt, drehe diese Seite um 180 Grad: pds.

Also, Genossinnen und Genossen, jetzt muß es heraus: Nie wieder einen Doppelpunkt hinter nie wieder, sondern das dort mehr als berechtigte Ausrufezeichen! Nebenher: Dafür brauchtet Ihr Euch wirklich nicht zu entschuldigen. Und: Schreibt euch nicht kleiner, als die PDS ist. Nur Mut!

Bleibt jedoch immer noch die konkrete Frage: Wen also wählen? – Schwer, hier zu raten. Auch Kriegsgegnern bleibt eben die Qual der Wahl. Ihnen kann man streng überparteilich empfehlen: Suchen Sie sich aus der Vielzahl der Parteien, die im Deutschen Bundestag in Fraktionsstärke bisher regelmäßig geschlossen gegen deutsche Kriege gestimmt haben, eine heraus! Es geht nicht anders.

Erschienen in Ossietzky 18/2002