Karin Stoiber, Kanzlerkandidatengattin. – In einem Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung haben Sie Unverständnis darüber geäußert, daß Ihrem Mann rhetorische Fähigkeiten abgesprochen werden. Der sei in Wahrheit »ein toller Redner, mitunter ein richtiger Vulkan«. Wenn er gelegentlich »zu gehetzt daherkomme«, dann liege das »an den engen Terminplänen. Die lassen kaum Luft zum Atmen«. Diese Beschreibung stimmt uns denn doch nachdenklich: Ein vulkanischer Spitzenpolitiker, dem sein Beraterstab die Luft abschneidet... Wir geben Ihnen einen wohlgemeinten Rat: Sorgen Sie dafür, daß der Vulkan an Ihrer Seite zur Ruhe kommt!

Edmund Stoiber, Kanzlerkandidat. – Von Ihrem Wahlkampfteam ins überflutete Sachsen gehetzt, haben Sie dem Fernsehpublikum vor dem Bildhintergrund sandsackschleppender DresdnerInnen verkündet: »Die Deutschen sind viel belastbarer, als das bisher gesagt wurde.« Ob das für Sie persönlich zutrifft, mag Ihre Gattin entscheiden. Aber der Gedanke drängt sich auf, daß Sie, falls Sie Kanzler werden, versuchen könnten, Ihre deutschen Mitmenschen zusätzlichen Belastungsproben zu unterziehen.

Angela Merkel, Beinahekanzlerkandidatin. – Auf den Vorwurf in den Medien, in Edmund Stoibers Kompetenzteam sei Umweltpolitik nicht vertreten, haben Sie entgegnet, es stünde doch Angela Merkel als CDU-Vorsitzende »mit ihrer Person sehr gut für Nachhaltigkeit«. Zunächst kommt einem dieses Argument unverständlich vor, denn Ministerin wollen Sie ja erklärtermaßen nicht werden, auch nicht Nachhaltigkeitsministerin. Und dem »Kompetenzteam« mochten Sie nicht angehören. Dann kommt man dahinter: Auf subtile Weise haben Sie Edmund Stoiber zu verstehen gegeben, daß Sie ihn politisch zu überleben gedenken. Rache für Wolfratshausen.

Gloria von Thurn und Taxis, Fürstin. – Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung bot Ihnen Gelegenheit, dem Volke mitzuteilen, welcher Partei Sie am 22. September Ihre Stimme geben werden: der Union. Überraschend ist das nicht, wohl aber Ihre Begründung dafür. Minister der CDU/CSU, so hoffen Sie, würden »beim Amtseid in Berlin die Erwähnung Gottes in der Schwurformel nicht unter den Tisch fallen lassen«. Offenbar trauen Sie der Stoiber-Mannschaft nur dann etwas zu, wenn Gott zur Hilfe gerufen wird.

Ronald Barnabas Schill, (PRO), Hamburger Innensenator. – Mit Schußwaffe unter weißer Dinnerjacke sind Sie nun in der Party-Szene der Insel Sylt, wo Sie sich zum Wochenende einfliegen lassen, kein Nobody mehr. Die Spitzenkandidatur für Ihre »Partei Rechtsstaatliche Ordnung« zur Bundestagswahl hat Ihnen bisher nicht viel Respekt eingebracht, aber Ihr umgeschnallter Schulterholster und Ihre Entschlossenheit, sich künftig selbst zu verteidigen, obwohl Sie rund um die Uhr von Kriminalbeamten bewacht werden, machen Sie auf der Whisky-Meile von Kampen fast wieder zu dem »Richter Gnadenlos«, vor dem einst die kleinen Hamburger Delinquenten zu zittern hatten.

Peter Struck, Verteidigungs- und Besichtigungsminister. – Der Freien Presse Chemnitz konnten deren glückliche Leser entnehmen, daß Sie nach Kabul und von dort aus unglücklicherweise auch zurück geflogen sind (14 000 Kilometer Luftreise) und ans Reiseziel »einen halben Tag mitbrachten, um das Land am Hindukusch zu studieren«, zu welchem Zweck Sie aber auch noch ungefähr dreißig deutsche Journalisten sowie eine blaue Minensucher-Mütze bei sich hatten. Ja, das Studium der Fremde ist schwer. Da sieht einer, der an einem halben Tag Afghanistan erforscht hat, abends noch genau so gebildet aus wie zuvor. »Beim Besuch des deutschen Feldlagers nahm Peter Struck einen sechsjährigen afghanischen Jungen auf den Arm.« Nur einen? Nur einen Jungen? Nur einen Jungen aus Afghanistan? Und sonst niemanden?

Erschienen in Ossietzky 17/2002