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Todestages in großem Stil gedacht. Er erscheint auch als Bühnenfigur, nicht im Hecken-, sondern im jüngst wiederaufgebauten Schloßtheater, das ebenfalls auf ihn zurückging. Das Stück – eher eine Collage – heißt »Ephigenie in Rheinsberg – oder: Prinz Heinrich inszeniert eine Oper« und ist von Anton Perrey geschrieben, der eigentlich Frank Matthus heißt; sein Vater ist der Komponist Siegfried Matthus, der die Rheinsberger Festspiele leitet. Die Musik stammt aus Glucks Oper »Ephigenie auf Tauris«, die einst am Rheinsberger Hof aufgeführt wurde. Der Prinz schätzte Gluck wie auch andere zeitgenössische Komponisten, zahlreiche Werke ließ er aufführen, im Schauspiel auch Beaumarchais' »Figaros Hochzeit – oder: Der tolle Tag«. Nun inszeniert Prinz Heinrich diese Oper eigentlich nicht. Er hört zu, weist an und erzählt. Die jungen Sänger haben Doppelrollen. Sie singen den Thoas, den Orest und die Ephigenie wie auch Hofpersonal, Freunde, Günstlinge, Favoriten des homosexuellen Aristokraten. Er selber erzählt von sich, von Friedrich, dem zynischen Bruder, und ihrem schlechten Verhältnis, von den Demütigungen durch Friedrich. Mir gefiel der Abend vierfach. Erstens die guten Sänger. Zweitens Angelica Domröse. Aus der immer guten, ordentlichen Darstellerin ist eine außerordentliche geworden. Daß eine Frau diese Figur spielte, erhob den Prinzen erst recht zur Kunstfigur und ließ deren Widersprüchlichkeit deutlich werden. Daß er sich so viel Luxus leisten, Vermögen massenweise verschleudern und verschenken konnte, auch an seine Favoriten (es sollen etwa 50 gewesen sein), verdankte er seiner absolutistischen Stellung gegenüber dem Volk – wenngleich er eine konstitutionelle Monarchie anstrebte. Dieses in Konflikten mit seinem Bruder gereifte Konzept konnte er nicht umsetzen – in Preußen nicht, weil er nicht der König war, in Polen nicht, wo er hätte König werden sollen, was Friedrich verhinderte, und auch in den jungen Vereinigten Staaten von Nordamerika nicht, deren Regent zu werden er selber ablehnte, da er dort eine Republik für angemessener hielt. Das steht alles in der Rheinsberger Jubiläumsausstellung. Drittens gefiel mir die Ohrfeige, die dem Regietheater von einem Regisseur versetzt wurde. Und viertens die deftig-heftige Kritik an Friedrich (und damit an dessen schamlosen Hagiografen). Heinrichs Sicht, die lange verborgen war, hilft. Die Ausstellung schafft historische Gerechtigkeit. Heinrich prägte das Bild des Städtchens Rheinsberg. Ihm verdankt es die Grundlage des Ruhms, den später Fontane und Tucholsky verbreiteten; die Gemeinde zehrt heute davon. Fast das gesamte Schloß ist in die Ausstellung einbezogen. Auf neun Bereiche ist das Material dieses Lebens und dieser Zeit aufgeteilt. Es wurde weltweit gesucht und herbeigeschafft. Mich interessierten drei Bereiche am meisten: der Leser Heinrich, der Militär und der Politiker. In der Bibliothek von rund 5000 Bänden findet sich das Wichtigste seiner Zeit, vor allem die französische Literatur, dazu Naturgeschichte, Architektur, Gartenbau, Philosophie, Politik, Militärwesen. Im Bereich Militär werden ganze Legenden ausgeräumt, vor allem die des großen Feldherrn Friedrich. Vielleicht liegt hier die Wurzel des Hasses: Bruder Heinrich war besser. Selbst nach Friedrichs Aussage beging er keine militärischen Fehler. Er begann, die Lineartaktik seiner Zeit aufzulösen. Zu seiner Strategie gehörte es, den Gegner im Hinterland zu treffen, die eigenen Opfer geringer zu halten, Taktiken kleiner, partisanenartiger Verbände zu entwickeln. Vor allem wollte er Kriege vermeiden, und damit sind wir im Bereich Politik. Freilich hatte er nur geringe Handlungsmöglichkeiten; seine Warnungen und Vorschläge wurden von drei Monarchen – bis zu Friedrich Wilhelm III. – kaum berücksichtigt. Heinrich warnte, obwohl mit Louis XVI. befreundet, vor den Kriegen gegen das revolutionäre Frankreich; er hatte Anteil am Frieden von Basel 1795. Auch an der ersten polnischen Teilung 1772 war er beteiligt gewesen, die aber kaum zu seinem Ruhme beitragen kann. Ein Land aufzuteilen zwischen Großmächten zu deren Vorteil, war ein imperialer Akt. Da zeigte sich der aufgeklärte Prinz dem absolutistischen Denken der Zeit verhaftet. Anderen Auffassungen der – nicht genannten - Ausstellungsmacher kann ich nicht folgen. Und macht es ihn schon zum »Europäer«, das er mehrfach durch Europa reiste und, bei Wahrung preußischer Interessen, an dessen Balance arbeitete? Geschichte wird stets von den Siegern geschrieben, die auch Zensur ausüben. Heinrichs Korrekturen an Friedrichs Memoiren verfielen der Zensur; Friedrich Wilhelm III. nahm sie unter Verschluß. Jetzt werden Bilder freigekratzt – wie Ãœbermalungen in wieder zugänglichen Schloßräumen. Aber ob Deutschland wirklich anders aussähe, wenn Heinrich »nur 15 Jahre Regent von Preußen gewesen wäre« – das bleibt auch 200 Jahre nach seinem Tod fraglich. Die Ausstellung ist bis zum 27. Oktober geöffnet.
Erschienen in Ossietzky 17/2002 |
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