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Dabei ist das Umfrageergebnis strikt logisch betrachtet doch eindeutig. Mehr noch: Es zeugt von einer verblüffend geradlinigen Konsequenz der Wählerinnen und Wähler. Die Mehrheit wünscht sich offensichtlich eine Regierung der Unionsparteien unter der Führung Gerhard Schröders. Oder anders formuliert: Die meisten Deutschen sehen in ihm den bestmöglichen CDU/CSU-Kanzler. Stimmvieh macht auch Mist, aber daß es ihm an Durchblick mangelt, kann man danach kaum behaupten. * Jeder Lebensratgeber empfiehlt, in Krisensituationen, bei Schicksalsschlägen und Unglücksfällen sogar schlimmster Art das im Keim stets vorhandene Positive nicht aus den Augen zu verlieren. So ist es auch im Falle der »Jahrhundertflut«, die – darüber sind Fachleute sich einig – aufgrund einer verfehlten Umwelt- und Klimapolitik künftig zur alljährlichen Normalsituation werden kann. Schlimm genug. Andererseits: Gleichgültig, wie die Wahl am 22. September ausgeht, wird jede Bundesregierung die Sommer-Sintflut des Jahres 2002 als glückliche Fügung des Schicksals betrachten dürfen. Für die nächsten Jahre wird alles und jedes, besonders jeder Mißerfolg, begründbar sein. Haushaltslöcher, Staatsverschuldung? Die große Flut! Sozialkürzungen? Solidarität mit den Hochwasseropfern! Steigerung des Militäretats? Wer hat denn schließlich geholfen an Elbe und Mulde, wenn nicht die Bundeswehr? Geschenke an die Großindustrie? Anschubfinanzierung nach der Katastrophe! Müssen wir als Schicksalsgemeinschaft jetzt nicht alle Opfer bringen? Vor allem jedoch: Egal, wer die nächste Bundesregierung stellt, stolz wird sie darauf verweisen können, daß der nach der Wahl im Herbst 2002 schlagartig einsetzende Aufschwung ihrer klugen Wirtschaftspolitik zu danken sei. Hieß das Sorgenkind der krisengeschüttelten Wirtschaft nicht »die Bauindustrie, die sich nach dem Boom der frühen Neunzigerjahre in den neuen Bundesländern jetzt plötzlich einem fühlbar geringeren Auftragsbestand gegenüber« sah (ZDF)? Es gehört absolut keine Prophetie dazu, vorauszusagen, daß ihr Auftragsvolumen sofort nach dem Fallen der Pegelstände steigen und so die Wirtschaft beleben wird. Es müssen ja nicht immer nur Kriege sein, die einen Wiederaufbau erforderlich machen; manchmal hilft auch Mutter Natur. Bei der Dresdner Bank geht das sogar noch schneller. Sie ließ nämlich ihren Routine-Werbespot im Fernsehen (»Was wären die großen Erfolge ohne die kleinen«) per spontaner Blitzaktion mit einem grünen Schrift-Band der Sympathie versehen: Man möge doch bitte sofort für hochwassergeschädigte Mitbürger spenden. Als einziges Spendenkonto wurde – wie der solidarische Zufall so spielt – eines der Dresdner Bank genannt. Bedauerlicherweise fehlte jeder Hinweis des Geldhauses darauf, ob und ggf. welche Gebühren es für die Verwaltung der zu erwartenden Millionenbeträge berechnen muß, wer nach welchen Kriterien über die Vergabe der Mittel entscheidet um welche Verzinsung das Kreditinstitut bis dahin auf die doch wohl mindestens im siebenstelligen Bereich erhofften Solidaritäts-Einlagen zu gewähren bereit ist. Als sicher annehmen darf man dagegen einen entsprechenden Anstieg des Umsatzes der Dresdner Bank und damit eine erfreuliche Kursverbesserung ihrer Aktien. So läßt sich das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Ein Volksfeind, wer Schlechtes dabei denkt. Am schnellsten ging es in einem anderen Bereich der Solidarität. Kaum hatte sich abzuzeichnen begonnen, daß auch die Stadt Magdeburg mit extremen Hochwasserständen rechnen mußte, kletterte der Preis für die dringend benötigten Sandsäcke auf einen Euro – pro Stück! – , während derselbe Artikel im 45 Kilometer entfernten Helmstedt für 22 Cent zu haben war. Wer wollte hier den engen Zusammenhang zwischen Pegel- und Preisanstieg leugnen? Immerhin durften auf diese Weise die von den Fluten bedrohten Magdeburger auch ihrerseits einen kleinen Beitrag zur Stärkung schwer ringender lokaler Baumärkte leisten. Solidarität ist schließlich keine Einbahnstraße, oder? Natürlich ist ein Extra-Profit von 78 Cent nur ein Elbwassertropfen auf den heißen Baustein-Markt; aber die Masse bringt es bekanntermaßen dann eben doch. Die Masse nämlich der Hochwassergefährdeten. Und vermutlich haben sich die mittelständischen Baumittelhändler den Slogan der Dresdner Bank zu eigen gemacht: Was wären die großen Erfolge ohne die kleinen! * Erfolge gibt es auch bei der Einführung der westlichen Zivilisation in Afghanistan. Der auf dem Petersberg bei Bonn abgesegneten, unter Anleitung der USA und EU in Kabul agierenden Regierung ist bei der Verwirklichung rechtsstaatlicher Grundsätze ein großer Schritt nach vorn gelungen. Laut Pressemeldungen hat der im Zuge der Globalisierung stilgerecht von einer Leibgarde schwerbewaffneter US-Soldaten bewachte, gleichwohl, wie es heißt, afghanische Präsident Karsai in der Landeshauptstadt wieder eine Religionspolizei installieren lassen. Diese dreihundert Kopf starke Truppe soll unnachsichtig gegen Afghanis vorgehen, die Alkohol trinken oder »Unzucht« treiben. Anders als unter der Terrorherrschaft der Taliban sind jedoch nur maßvolle, der Art eines der obengenannten Verbrechen entsprechende Strafen wie etwa Auspeitschen vorgesehen. Nicht bekannt ist, ob der Hamburger Innensenator Schill bereits zu einem Studienaufenthalt in Kabul eingetroffen ist, bei dem er sich über die konsequente Durchsetzung von Recht und Gesetz informieren und zugleich das deutsche Ausbilderteam besuchen will, dem im Rahmen humanitärer Hilfe nicht nur die Einführung der deutschen Straßenverkehrsordnung in Mittelasien obliegt, sondern auch die Schulung der afghanischen Polizeitruppen. Offen bleibt auch, inwieweit die erfreuliche Hinwendung der Kabuler Regierung zu einer menschlicheren Rechtspraxis nicht am Ende doch dem beharrlichen still-diplomatischen Drängen Berlins zu danken ist. Immerhin hatte der Oberrichter Afghanistans bereits Anfang des Jahres, sofort nach Eintreffen der deutschen Schutztruppe, erklärt, man werde sich künftig bei allfälligen öffentlichen Exekutionen humanerer Grundsätze befleißigen und die Leiche des Delinquenten nicht wie bisher üblich drei Tage zur Abschreckung am Galgen hängen lassen, sondern nur noch eine Stunde. Auch sollten ab sofort zu Hinrichtungen durch Steinigen kleinere Steine verwendet werden. Mal ehrlich: Rechtfertigen solche Erfolge nicht schlagend das deutsche Engagement im Krieg gegen den Terror, für die Freiheit? Wie anders sollte man unseren Soldaten erklären, daß ihre weltweiten Einsätze einzig dem Kampf für die Menschenrechte dienen.
Erschienen in Ossietzky 17/2002 |
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