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Nach der Einleitung des Verfahrens tappten die Antragsteller (Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat) prompt in eine geheimdienstliche Falle, obwohl sie hätten voraussehen können, was sich bald zur handfesten Affäre entwickelte: Der unter seinem Tarnnamen »Verfassungsschutz« (VS) hinlänglich bekannte Inlandsgeheimdienst ist seit Jahrzehnten über ein ganzes Netz von bezahlten V-Leuten in die rechtsextreme NPD und ihre rassistischen Machenschaften verstrickt. Als das Bundesverfassungsgericht eher zufällig davon erfuhr, daß solche Zuträger als Belastungszeugen gegen die NPD fungieren sollen, wurde es hellhörig und verlangte Aufklärung. Es könnte nämlich sein, daß der VS mit seinen »schmut zigen« Mitteln der Unterwanderung und Infiltration, der Täuschung und des Verrats mehr an dieser Partei und ihren verbietenswerten Inhalten beteiligt ist, als rechtsstaatsgläubige Menschen sich vorzustellen wagen. V-Leute in der NPD – das allein ist noch kein Skandal, solange diese anrüchige Maßnahme gesetzlich erlaubt ist. Aber die dubiosen Gestalten sind in aller Regel vom VS mit mehr oder weniger Druck rekrutiert worden, oder sie haben sich, zumeist aus Eigennutz, selbst als Informanten angeboten. Sie stammen aus der jeweils zu beobachtenden Szene, in der sie einschlägig tätig sind und die sie ausspionieren sollen – im Fall der NPD handelt es sich also um hartgesottene Neonazis und gnadenlose Rassisten. Nicht selten sind sie bereits straffällig geworden, betätigen sich als Provokateure und verhalten sich weiterhin kriminell, schließlich wollen sie in ihrem Milieu nicht auffallen. Die V-Mann-Skandale etwa in Thüringen und Brandenburg, früher in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben diesen Mechanismus der klandestinen Verstrickung des VS in die zu beobachtenden Szenen in erschreckender Weise offenbart. Im übrigen finanziert der VS das rechte Treiben auch noch mit beträchtlichen Summen, denn V-Leute erhalten für ihre Spitzeldienste Honorare oder ein regelmäßiges Salär. Damit fördert der VS zumindest indirekt das Objekt, das er beobachten soll – kontraproduktiv, aber arbeitsplatzsichernd. Eigentlich müßten die Spitzel ihre Einnahmen versteuern, doch eine Einkommenssteuererklärung bleibt ihnen erspart, weil der VS bereits einen günstigen Steuersatz von gerade mal zehn Prozent pauschal an das Finanzamt abführt. Viele der V-Leute in der NPD sind in führende Funktionen der Partei aufgestiegen und haben trotzdem fleißig weitergespitzelt, obwohl dies angeblich durch interne Dienstanweisungen ausgeschlossen ist. Das Dilemma, einerseits über V-Leute keinen bestimmenden Einfluß in der Partei ausüben zu sollen, andererseits gerade über Funktionäre hochkarätige Informationen über Ziele, Strategien und Planungen der Partei erlangen zu können, wurde vom VS so aufgelöst: Etwa 30 der 200 NPD-Vorstandsmitglieder, so wird mittlerweile offiziell zugestanden, stehen seit Jahren als V-Leute im Sold des Staates – also fast jeder siebte. Ein wahrlich hoher Staatsanteil allein in den Vorständen auf Bundes- und Landesebene – wie viele mögen es dann in der gesamten NPD sein (hinzu kommen noch V-Leute der Polizei)? Damit könnte der VS erheblichen Einfluß auf die Politik der NPD, ihr Programm und ihre Aktionen nehmen – obwohl er als Geheimdienst durch Verfassung und Gesetz ursprünglich auf das Sammeln von Nachrichten beschränkt bleiben sollte. Eine längst vergessene Restriktion. V-Leute werden für ihre VS-Tätigkeit in der Regel förmlich verpflichtet und von »V-Mann-Führern« mehr oder weniger straff geführt. Ihnen wird Vertraulichkeit zugesichert: Ihre heimliche Nebentätigkeit und ihre Identität sollen Dritten, also auch Gerichten gegenüber grundsätzlich verheimlicht werden – einerseits um sie im Interesse künftiger Geheimdienstarbeit nicht zu »verbrennen«, andererseits um sie vor Racheakten der Ausspionierten zu schützen. Diese amtliche Verdunkelungsstrategie, eine Konsequenz geheimdienstlicher Methoden, hat weitreichende Auswirkungen auf Gerichtsverfahren, in denen V-Leute eine Rolle spielen. Die Geheimmethoden führen fast zwangsläufig zu rechtsstaatswidrigen Geheimverfahren. Der eigentliche Skandal der personellen NPD-VS-Connection liegt eben darin, daß die Exekutive gegenüber dem Bundesverfassungsgericht die Beteiligung von V-Leuten schlicht vertuschen, jedenfalls nicht offen legen wollte, obwohl dem Vernehmen nach wesentliche Teile des Verbotsantrags gerade auf Aussagen solch dubioser »Belastungszeugen« basieren. Jedenfalls ist die Grenzlinie zwischen VS und VS-unterwanderter NPD nur noch schwer auszumachen. Ob V-Leute in führenden Positionen tatsächlich Beweise für das Parteiverbot mitproduziert haben, sei noch dahingestellt – die NPD, ganz verführte Unschuld, behauptet, die inkriminierten Äußerungen und Verhaltensweisen seien das Werk derjenigen, die im VS-Auftrag in der Partei tätig waren. Doch allein die Tatsache, daß es sich bei V-Leuten zumeist um Personen handelt, die aus purem Eigennutz zu Verrätern werden oder – wie auch im Fall der NPD – quasi als Doppelagenten fungieren, also in jedem Fall massive Eigen- oder Parteiinteressen verfolgen, machen Informationswert und Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen und Berichte hochgradig zweifelhaft. Trotzdem haben die Antragsteller im Verbotsverfahren Ende Juli gegenüber dem Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, daß sie die Identität der bislang nicht enttarnten VS-Spitzel in der NPD weiterhin geheim halten werden. Nach Abwägung der »zwingenden Geheimschutzbelange« mit dem »Informationsbedürfnis« des Verfassungsgerichts seien Bund und Länder lediglich zu einer Beweisführung bereit, die sich in schriftlichen Erklärungen der Zeugen oder in einer Vernehmung der VS-Behördenchefs erschöpft. Auch an eine »kommissarische richterliche Vernehmung von Auskunftspersonen unter Ausschluß der Antragsgegnerin und der Öffentlichkeit« sei zu denken. Genauere Auskünfte und einschlägige Akten könnten dem Bundesverfassungsgericht nur unter »besonderen Vorsichtsmaßnahmen« zugänglich gemacht werden, die sicherstellen müßten, daß weder die Öffentlichkeit noch die NPD als Verfahrensbeteiligte etwas davon erfahren. Eine andere Verfahrensweise würde nicht nur die präventive Tätigkeit des VS insgesamt – »und dadurch auch die freiheitliche demokratische Grundordnung«(!) – gefährden, sondern auch die »staatliche Schutzpflicht« gegenüber den V-Leuten verletzen. Nach der versuchten Täuschung eines Verfassungsorgans durch die Exekutive noch immer darauf zu bauen, man könne das Verfahren mit solchen geheimen »Belastungszeugen« fortführen, ja man könne ihre Identität aus Gründen des »Staatswohls« oder zu ihrem Schutz geheim halten oder sie in einem »in- camera-Verfahren« unter Ausschluß der Öffentlichkeit und der NPD vernehmen, wäre dreist und rechtsstaatswidrig. Schließlich geht es um ein Parteiverbot – eine verfassungsrechtliche Ultima-ratio-Maßnahme. Unerträglich wäre es, wenn nicht etwa die unmittelbaren Belastungszeugen dem Gericht über ihre Beobachtungen berichten würden, sondern sogenannte Zeugen vom Hörensagen, nämlich die amtlichen V-Mann-Führer, quasi »aus zweitem Munde« über die Aussagen ihrer Quellen. Die Verfahrensbeteiligten hätten keine Chance, die Glaubwürdigkeit der ursprünglichen Zeugen zu überprüfen – was dringend erforderlich wäre, denn erfahrungsgemäß stellen die V-Mann-Führer ihren V-Leuten in punkto Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit in aller Regel die besten Zeugnisse aus. Wer würde zugeben, daß seine Quelle so unglaubwürdig, rassistisch und trübe ist wie die Szene, aus der sie stammt. Ein makabres Lehrstück, das da aufgeführt wird: Die Geheimdienste und ihre rassistischen Zuträger werden von den Antragstellern offenbar höher eingestuft als ein rechtsstaatlich-faires Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Wird sich das Gericht dieser Zumutung widersetzen? Kontext:
Erschienen in Ossietzky 16/2002 |
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