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Die Gewerkschaften wollten nicht schuld sein, wenn das Gremium scheitern sollte. Wäre es nach des Kanzlers Willen gegangen, so hätte das »Bündnis« weitreichende Entscheidungen in der Arbeits- und Sozialpolitik festklopfen sollen – abseits der berufenen Volksvertretung, vorbei an den Tarifparteien, bar jeglicher verfassungsrechtlicher Legitimation. Wenn selbst die stockkonservative Hannoversche Allgemeine Zeitung die Spitze des »Bündnisses« als »Nebenregierung« bezeichnete, so spricht das für sich. Stichwort »Airbus«. Kriegsminister Scharpings – vom Kanzler gedeckter – Handstreich bei der Bestellung einer Unzahl militärisch zu nutzender Maschinen des Typs A 400 M, ein gravierender Fall von Parlamentsmißachtung, beschäftigte sogar das Bundesverfassungsgericht. Beim Abschluß der Verträge war das parlamentarische Budgetrecht, Kernrecht jeder Volksvertretung, verletzt worden; für einen beträchtlichen Teil der Bestellung fehlte es an der Billigung des Haushaltsausschusses. Selbst in der Koalition herrschten Unverständnis und Entsetzen über den rüden Alleingang der Regierung. Als diese schließlich, mühsam ihre Blöße bedeckend, dem Parlament Respekt gezollt hatte, nahmen CDU und CSU ihren Rechtsschutzantrag beim Bundesverfassungsgericht zurück. Stichwort »Hartz-Kommission«. Am Ende einer gescheiterten Arbeitsmarktpolitik wird sie mit großen Verheißungen aus dem Hut gezaubert. Sie soll das Heil bringen, die Wende auf dem Arbeitsmarkt – vor allem die Wende bei den Wahlprognosen, die für die SPD immer trister ausfallen. Der Kanzler geht mit seiner Kommission um wie ein Jahrmarktsgaukler mit seinem Tanzbären. Unab lässig läßt er Zwischenberichte und Vorausmeldungen verbreiten, die dann einer öffentlichen Unsinns-Diskussion unterzogen werden – Unsinn, weil nichts fertig, nichts ausgegoren, nichts nachlesbar ist. Fest steht aber schon das Verkündungsdatum, und zwei Tage später soll Schröders Partei das Resultat billigen. Mehr noch: Der Bundestag soll kurz vor dem Wahltag umsetzen, was man gerade mal rasch zu Wahlzwecken inszenieren kann. Wer so unsolide mit dem Verfassungsorgan Bundestag umgeht, Kanzler wie Partei, hat die Rote Karte verdient. Fragt sich nur, ob die mit dieser Farbe etwas anfangen können. Stichwort »Zuwanderungsgesetz«. Wie bekommt man eine Bundesratsmehrheit zusammen, die man eigentlich nicht hat? Bei der Steuerreform war es noch gelungen, die Zustimmung Berlins und Brandenburgs durch Ansiedlung einer opulenten neuen Bundesbehörde zu erkaufen, doch nun fehlte es sowohl an Geld als auch an Vorteilsnehmern. So mußte Brandenburg das Zwei-Personen-Stück aufführen, in dem der SPD-Ministerpräsident Stolpe den Anspruch erhob, seinen gegenteilig abstimmenden CDU-Innenminister Schönbohm überstimmen zu dürfen – obwohl das Grundgesetz die einheitliche Stimmabgabe eines Landes fordert. Das Gesetz ist gescheitert, soll aber nach dem Willen des Partei- und Regierungschefs als angenommen gelten. Die ungewöhnlich deutlichen Worte des Bundespräsidenten reichen zur Verurteilung solcher Übergriffe nicht aus. Hoffen wir auf den Spruch aus Karlsruhe! Stichwort »Konsenspolitik«. Gemeint ist ein permanenter Abbau staatlicher Macht zugunsten der Wirtschaft. Statt notwendige Regelungen durch Rechtssatz zu treffen, hat es sich die Regierung Schröder zu Gewohnheit gemacht, mit Unternehmern und Unternehmerverbänden wie mit Gleichgeordneten zu verhandeln. Am Ende solcher Feilschereien steht dann entweder eine »Selbstverpflichtung« auf niedrigstem Niveau – etwa bei der Begrenzung des Kohlendioxid-Ausstoßes – oder gar der Abschluß eines Vertrages, dessen Regelungen, wenn unumgänglich, in ein Gesetz einfließen; Beispiel hierfür ist der ridiküle »Atomausstieg«, der seinen Namen nicht verdient. Selbst der FDP-Politiker Graf Lambsdorff mokierte sich über die »komische Konsenspolitik« in Berlin. Die Rechtswissenschaft diskutiert indes beflissen den »Rückzug des Staates«, den »Gesetzesvollzug durch Verhandlung« und die »Privatisierung der öffentlichen Verwaltung« als beachtliche neue Phänomene. Der schwache Staat aber macht die Mächtigen noch stärker und versagt den Schwachen den Schutz des Rechts. Stichwort »Auslandseinsätze«. Die wohl schlimmste Verhöhnung unseres Verfassungsrechts ist die Kriegspolitik des Kabinetts Schröder, die der Kanzler mit rabiaten Mitteln durchsetzte; dazu gehörte die Irreführung der Öffentlichkeit wie später die Vertrauensfrage, mit der er Abgeordnete sowohl der Koalition als auch der Opposition zwang, gegen ihre Überzeugungen abzustimmen. Trotz Verbots des Angriffskriegs in Art. 26 GG trat Deutschland dem unseligen Krieg gegen Jugoslawien bei, das weder Deutschland noch seine NATO-Verbündeten angegriffen hatte. Selbst wenn Nothilfe zugunsten der Kosovo-Albaner geboten gewesen wäre – in der Rückschau wird diese Behauptung immer dubioser –, so hätte unser Grundgesetz die deutsche Kriegsbeteiligung verwehrt. Der Gebrauch bestimmter Kriegswaffen wie z.B. Munition mit abgereichertem Uran verstieß auch gegen Kriegsvölkerrecht. Das alles wurde hingenommen, und deshalb kann es munter weitergehen: Afghanistan, Horn von Afrika, demnächst wohl auch Irak. Um das Maß voll zu machen, veranstaltet die NATO gegen den jugoslawischen Ex-Präsidenten Milosevic nach dessen rechtswidriger Sistierung einen Schauprozeß ohne zureichende völkerrechtliche Grundlage, und die deutsche Bundesregierung heißt ihn gut. Den Bundestag beiseite geschoben und übergangen, den Bundesrat ausgetrickst, die soziale Staatsverantwortung aufgeweicht und den Krieg zur Normalität gemacht – mehr an Mißachtung des Grundgesetzes kann sich ein Land nicht leisten, das noch vor kurzem der Verfassungstreue von Briefträgern inquisitorisch nachging. Am Ende dieser Legislaturperiode ist Deutschland wahrlich in schlechter Verfassung.
Erschienen in Ossietzky 16/2002 |
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