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Dafür Sprüche wie der, daß besagte erst in Kleinserie gebaute Zwölf-Zylinder-Limousine »das Wasserstoffzeitalter eingeläutet« habe. Was für ein Schmarren. Aber von Automobilzeitschriften, auch von einer gewerkschaftsnahen, soll man nicht zuviel erwarten. Nicht einmal Klarheit darüber, ob nun BMW oder Daimler-Chrysler als erster ein Serienfahrzeug mit Wasserstoffantrieb auf den Markt bringt – was mich aber auch gar nicht interessieren muß, denn in jedem Fall werden sich nur wenige reiche Herren ein solches Auto leisten können. Nicht egal ist mir dagegen, daß gutwillige, am Umweltschutz interessierte Mitmenschen einem Täuschungsmanöver beider Autokonzerne aufsitzen könnten. Denn keine Automobilzeitschrift scheint darüber informieren zu wollen oder zu können, daß wasserstoffangetriebene Fahrzeuge die Umwelt noch schwerer schädigen werden als bisher die Benziner und Diesel. Daimler-Chrysler beabsichtigt, im Jahre 2004 mit der Serienproduktion eines Autos zu beginnen, das mit Brennstoffzelle, Wasserstofftank und Drehstrommotor ausgestattet ist. Der Staat – der bekanntlich überall, vor allem an Sozialleistungen spart – fördert das Vorhaben (wie auch andere »neue Techniken«: Transrapid, Großraumflugzeug usw.) mit einem dreistelligen Millionenbetrag. Bei Siemens setzt man zwar ebenfalls auf Wasserstoff als Energieträger von morgen, meint damit aber eine etwas fernere Zukunft. man schätzt den Zeit- und den Mittelaufwand für eine Umstellung der Energiewirtschaft von Erdöl auf Wasserstoff sehr viel vorsichtiger ein als die Automobilindustrie. Es werde Jahrzehnte dauern, bis dafür die Infrastruktur geschaffen sei, verlautet aus der Siemens-Forschungswerkstatt. Großen Aufwand erfordere der Umbau der Tankstellen zu Wasserstofflagern, denn der Stoff ätzt und ist hochexplosiv. Neue Transportwege und Leitungsnetze müßten geplant, neue Geräte entwickelt werden, zum Beispiel als Ersatz für die Ölheizung im Keller oder für das Diesel-Notstromaggregat im Krankenhaus. Warum aber klappern schon jetzt nicht nur die Erbauer großer, unnötig schwerer, unnötig schneller und unnötig teuerer Automobile, sondern auch die Lieferanten von Atomkraftwerken und die Ölmultis mit dem Thema Wasserstoff? Sollte es etwa ihre Absicht sein, sich eine zukunftsfähigere Konkurrenz aufzuhalsen? Das sollte ihnen füglich nicht unterstellt werden. Die multinationalen Konzerne beflügeln geradezu die Phantasie: Wasserstoff sei in unbegrenzter Menge verfügbar, und bei der Nutzung dieser Energiequelle werde nur unschädlicher Wasserdampf freigesetzt. – Wie jede wirksame Werbung hat auch diese einen wahren Kern: Bei der Verbindung von Wasserstoff mit Sauerstoff wird Energie frei, und tatsächlich entsteht dabei nur Wasserdampf, kein Treibhausgas. Das Übrige an der Reklame ist allerdings Humbug. Wasserstoff kommt nicht ungebunden in der Natur vor, so daß man ihn etwa gleich dort zapfen könnte. Er muß unter Aufwendung von viel Energie hergestellt werden. Ökologisch vertretbar wäre die Erzeugung aus Wasser mit Hilfe der Windkraft, der Solarenergie, des Biogases oder der Erdwärme. Doch zur Massenproduktion von Wasserstoff wird die Leistungskraft der alternativen Energiewirtschaft auch in Jahrzehnten noch nicht ausreichen. In Deutschland wird offiziell damit gerechnet, daß erneuerbare Energie (alle Produktionsverfahren zusammengenommen) im nächsten halben Jahrhundert allenfalls 25 Prozent Marktanteil erreichen wird. Deswegen müßten fossile Energieträger (bei erhöhtem Ausstoß umweltvergiftender Kohlendioxid-Abgase) oder die Atomkraft als Energiequelle dienen, um Wasserstoff herzustellen. Hinzu kommt, daß für eine Wasserstoffproduktion in industriellem Maßstab Wasser der ungeeignete Rohstoff wäre, weil man dafür besonders viel Energie brauchen würde. Statt Wasser verwendet man darum zumeist Erdgas. Unbeachtet bleibt die physikalische Grundregel, daß bei jeglicher Energieumwandlung ein Teil der Energie verloren geht. Am Ende solcher Prozesse ist stets weniger übrig, als anfangs vorhanden war. Aber je mehr Energie gebraucht wird, desto besser für die Ölmultis und die Konzerne der Gas- und der Elektrizitätswirtschaft; sie sehen auf jeden Fall einer ertragreichen Zukunft entgegen. Notwendig wären erst einmal vollständige, aussagefähige ökologische Kosten- und Nutzenrechnungen, gründliche Finanzierungskonzepte, die auch den großen Aufwand an Energie und Geld für Entwicklung, Herstellung und Einbau von Wasserstofftanks und flächendeckenden Wasserstoff-Leitungsnetzen einbeziehen. Doch die Energiewirtschaft legt sie nicht vor. Mit ihren großen Sprüchen, die von kleinen Geistern weitergeblasen werden, strebt sie vor allem eine breite Akzeptanz dafür an, daß nicht sie selbst, sondern die Gesellschaft die immensen Umstellungskosten trägt, daß also die energieabhängigen Verbraucher dafür zahlen müssen, wenn ein neuer Energieträger neben die alten treten soll. Zweitens wollen die Konzerne vorerst ungehindert weiter an der Vermarktung ihrer traditionellen Produkte verdienen. Drittens wollen sie verhindern, daß sich andere an den neuen Kraftquell Wasserstoff heranmachen. Wenn sie zu Produktion und Vertrieb von Wasserstoff übergehen, wechseln sie nur in eine ökologische Verkleidung. Ihr Geschäft bleibt die Ausbeutung der Ölvorräte der Welt, bleibt der Raubbau an natürlichen Lebensgrundlagen. Erdöl enthält Proteine und würde besser zu Nahrungsmitteln verarbeitet, anstatt klimaschädigend in Luxuslimousinen zu verbrennen. Wer aber zur Beruhigung seines ökologischen Gewissens freundliche Gedanken an Autos mit Wasserstoffantrieb verschwendet, geht den Ölmultis, der petrochemischen Industrie, den traditionellen Energieproduzenten sowie den Autoherstellern auf den Leim. Damit ist das Thema »Zukunft Wasserstoff?« jedoch nicht erschöpft. Volker Bräutigam wird sich im nächsten Heft weiter damit beschäftigen.
Erschienen in Ossietzky 15/2002 |
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