Peter Hartz, Heilsbringer. – »Wer nicht mitmacht, wird dies dann Deutschland zu erklären haben.« Diese Warnung haben Sie Kritikern jener Vorhaben erteilt, die Ihre »Kommission moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt« demnächst auch offiziell verkünden will und die der Bundestag noch kurz abnicken soll. Standrechtliche politische Erschießung droht also allen Verweigerern. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski, sagt jedoch Ätsch. Die 1,5 Millionen offener Stellen, die Sie mit billiger Leiharbeit besetzen wollen, seien überhaupt nicht vorhanden. Da stehen Politiker und Arbeitslose dumm da, allerdings erst nach den Wahlen.

Wolfgang Bötsch, CSU-MdB. – In Ihrer Heimatzeitung Main-Post werben Sie mit folgendem Text für Ihre Wiederwahl: »Die Ankündigungspolitik Schröders wurde nicht umgesetzt. Das muß geändert werden. Dafür setze ich mich ein.« Sie meinen sicherlich, die politischen Ankündigungen des jetzigen Bundeskanzlers seien nicht realisiert worden – aber auch die laut PISA lesestarken Bayern werden nicht ohne weiteres verstehen können, weshalb ein CSU-Parlamentarier gebraucht wird, damit Absichten des SPD-Vorsitzenden endlich in die Tat umgesetzt werden. Es sei denn, Sie haben die Große Koalition im Sinn. Aber das hätten Sie den Wählerinnen und Wählern doch nicht schon im Wahlkampf mitteilen müssen.

Edmund Stoiber, Kanzlerkandidat. – »Die Leute überbewerten den Bundestag« – diese Äußerung ist Ihnen herausgerutscht, als Sie erklären sollten, weshalb Sie der letzten Grundsatzdebatte im Parlament ferngelieben und lieber ein paar hundert Meter entfernt Wirtschaftsprominenten einen Vortrag gehalten haben. Das hat Ihnen manche Kritik eingebracht, schließlich sei doch im Grundgesetz nachzulesen, daß der Bundestag das höchste Verfassungsorgan sein soll. Aber so ganz unrecht haben Sie nicht. Zwar stimmt es nicht, daß »die Leute« den Bundestag überbewerten; offensichtlich ist jedoch, daß der Bundestag sich selbst schon längst unter dem verfassungsmäßig vorgesehenen Wert verkauft.

Anke Koch, Ministerpräsidentengattin. – In der Welt am Sonntag haben Sie begründet, weshalb Sie sich aus der hessischen Politik heraushalten: »Meine Kinder haben schon keinen Vater, da sollen sie wenigstens eine Mutter haben.« So wissen wir es nun: Auch die christlich-konservative Parteipolitik zerstört die Familie. Katherina Reiche wird sich weitere Rettungsmaßnahmen ausdenken und erst einmal in den eigenen Reihen tätig werden müssen, sogar im eigenen Hause. Sonst klagt demnächst der dann zum Gatten erhobene Vater ihrer Kinder: »Meine Kinder haben schon keine Mutter, da sollen sie wenigstens einen Vater haben.«

Gregor Gysi, Berliner Wirtschaftssenator. – Warum hört man eigentlich nichts von Ihnen zu der Ministererlaubnis für Eon und Ruhrgas, sich zusammenzuschließen? Selbst die Grüne Michaele Hustedt hat das »undemokratisch« genannt: »Da werden einzelne Großkonzerne zu Lasten der Verbraucher und Konkurrenten gepäppelt.« Die Folge seien »höhere Preise beim Gas und Strom«. Wäre solche Kritik nicht Aufgabe eines sozialistischen Politikers? Erst recht, wenn der gegenwärtige Bundeswirtschaftsminister aus dem Vorstand der Eon stammt und die ganze Sache stinkt? Wir wollen doch hoffen daß die Worte des früheren Bundeswirtschaftsministers Rexrodt (FDP), die wir in der jungen Welt lasen, nur laue Luft sind. Er sagte, Herr Gysi sei sowieso kein Sozialist mehr und Berlin werde nicht sozialistisch, sondern gar nicht regiert.

Ann E. Liese, und Benno F. Walder, Berlin-Hohenschönhausen. – Zu unserem Bedauern haben wir erfahren, daß Sie Lothar Kusches Glosse »Wie werde ich sofort gesund?« (Ossietzky 13/02), in der Sie freundlich erwähnt werden, unvorsichtigerweise von vorn bis hinten gelesen haben und daraufhin nicht sofort gesund, sondern bettlägerig geworden sind. Lachen ist nicht immer die beste Medizin. Vielleicht hatten Sie auch nicht genügend Proposil in Ihrer Hausapotheke beziehungsweise keine Bienen, die angeblich das sagenhafte Proposil produzieren, auf dem Balkon. Tut uns wirklich leid. Glücklicherweise können schätzungsweise 127 597 andere einschlägige Medikamente gegen alle Beschwerden und Leiden helfen, insbesondere den notleidenden Apothekern, die unentwegt am Hungertuch nagen müssen, was bekanntlich zu Zahnschmerzen und -ausfall führen kann.

Erschienen in Ossietzky 14/2002