Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Berlin highlightsvon Lothar Kusche Wer das Glück hat, in einer Metropole zu leben (die sich unentwegt, zumindest verbal, als Metropole bestätigt), der ist von all den Glanzpunkten oder auch Hochlichtern der hauptstädtischen Entwicklung fast geblendet. Mir hat Reinhold Meßmer (oder war es Luis Trenker?) mal eine abgelegte dunkelblaue Schneebrille geschenkt, die ich vorsichtshalber sogar im Schlaf trage. Besonders beeindruckt, vor allem im Schlaf, haben mich letztens drei große Berliner Themen: 1. die längst überfällige Wiedergeburt des Hohenzollernschlosses aus dem Schoße des Herrn v. Boddien (Hamburg), 2. die Lösung des weltbewegenden Bratwurst-Problems am Pariser Platz, 3. die Schließung des S-Bahn-Rings. 1. Der Neuaufbau des Schlosses oder wenigstens der Schloß-Fassade ist nunmehr von den Behörden beschlossen worden; es fehlt nur noch das Geld, welches die Behörden bekanntlich weder für Schlösser oder Riegel noch für sonst etwas haben (ausgenommen natürlich für Schlösser und Riegel an Haftanstalten, deren Finanzierung allemal gesichert ist). Aber Herr v. Boddien ersucht in großen und hoffentlich bezahlten Zeitungsanzeigen um mildtätige Spenden. Was soll denn auch ein Schloßplatz, der wie ein Schuttabladeplatz aussieht, ohne Schloß? Na also. Man könnte natürlich den Schloßplatz umbenennen, aber wer soll die neuen Schilder bezahlen? Denn das erklärte Ziel findet sich in einem Metropolen-Blatt treffend formuliert: »So wie im Jahr 1900 soll's bald wieder aussehen.« Bald nach 2010, vorgesehen als frühester Termin für den Baubeginn, denn noch sind die Auftragnehmer nicht ausgetrudelt. Apropos Auftragnehmer: Dem zitierten Blatt verdanke ich die blitzartige Erkenntnis, warum der Palast der Republik zum Abriß verurteilt ist: »Es war immer viel Publikum im Palast – aber es war nie wirklich gemütlich.« 2. Neuerdings erscheint in dieser Stadt die Bratwurst in neuem Licht (um nicht zu sagen: Hochlicht), nämlich als geschichtsbildender Faktor. Auf dem Pariser Platz gibt es eine gepflegte und beliebte Bratwurst-Grill- und Verkaufseinrichtung. Gleich dahinter befindet sich das mäßig beleuchtete Tucher-Restaurant, dessen Manager den Grillmeistern vor seiner Kneipentür gewissermaßen die Bratwurst aus der Hand schlagen möchte. Dieser Wirt beansprucht das Bratwurst-Monopol für sein Etablissement, seit Bundeskanzler Schröder in Gegenwart von US-Präsident Bush hier im Tucher eine Bratwurst verzehrt hat – eine jener Bratwürste, die seiner früheren Frau nicht schmeckten, weshalb sie ihm den Konsum untersagte und er sich von Frau Hillu scheiden ließ. Im Tucher genoß der Kanzler vor der Weltöffentlichkeit seine Emanizipation in Wurstform, wobei G. W. Bush nur eine sekundäre Rolle spielte; er verzehrte einen sicherheitshalber aus der US-Botschaft gelieferten Apfelstrudel. Da es im Bezirk Mitte offensichtlich eine Bezirksrätin für Bratwürste gibt, will diese den Grillern das Handwerk legen, wogegen die Betroffenen ihr knuspriges Recht vor den höchsten juristischen Instanzen verteidigen wollen. 3. Der Ideenreichtum und die Tatkraft leitender Eisenbahn-Persönlichkeiten haben die Berliner stets begeistert. Zum Beispiel wurde vor Jahren A. Nawrocki, nachdem er in höchstem Auftrag mit großem finanziellen und rhetorischen Aufwand bewirkt hatte, daß die Olympischen Spiele nicht nach Berlin vergeben wurden, folgerichtig zum Chef der hiesigen S-Bahn ernannt. Er hatte den entzückenden Einfall, in Zügen mit längerer Reisezeit (beispielsweise auf der damaligen Strecke von Strausberg nach Potsdam) den gedrängt stehenden Fahrgästen zu noblen Preisen Kaffee und heiße Würstchen servieren zu lassen. Nachdem ihn diese Idee weniger mit Ruhm und mehr mit Senf bekleckert hatte, verschwand A. N. von der Bildfläche. Vorläufig wenigstens. Der jetzige Oberchef der Deutschen Bahn, H. Mehdorn, verbesserte das Transportniveau seiner Firma ungemein durch die Abschaffung der Speisewagen; er ersetzte sie durch die Möglichkeit, während der Fahrt frische Butter bestellen zu können, die einem am Zielort fein verpackt ausgehändigt wird. Ich würde diese Chance nicht wahrnehmen; es könnte sich doch (falls Sie die Berliner Redensart kennen) um Butter handeln, die Mehdorn ansonsten auf dem Kopf hat. Bei dem unter seiner Regie neuerrichteten Lehrter Bahnhof fehlt in der Bahnsteigmitte ein Stück Dach, weil dort Türme für Firmen emporwachsen sollten, die aber kein Interesse haben, dort hinzuziehen, und darum für den Bau nicht zahlen wollen. Zudem ist das Glasdach vorn und hinten zu kurz geraten, so daß die ersten und letzten Wagen langer Fernzüge – also die Waggons 1. Klasse – im Regen stehen müßten. Im Sonnenregen, sagte meine selige Oma, wächst man noch. Herrn Mehdorn verdanken wir auch, daß die Lücke im nördlichen S-Bahn-Ring geschlossen wurde. Es handelt sich um die schätzungsweise vier Kilometer lange Strecke zwischen den Stationen Gesundbrunnen und Wedding. Das hat Stratege Mehdorn in kaum mehr als zwölf Jahren bewerkstelligt. Zum Vergleich: Der Bau der Transsibirischen Eisenbahn dauerte 25 Jahre. Sie ist allerdings 9302 Kilometer lang.
Erschienen in Ossietzky 14/2002 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |