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Die »Rote Armee Fraktion« setzt Kaufhäuser in Brand, Sprengstoffanschläge werden verübt, die »Revolutionäre« übernehmen »die Verantwortung« für die ersten Toten. Inhaftierte Terroristen treten in den Hungerstreik, Holger Meins stirbt daran. Tags darauf wird der Berliner Kammergerichtspräsident Günter von Drenkmann bei einem mißlungenen Entführungsversuch erschossen. An diesem Punkt setzt Dresens Monologreihe ein. Fünf Personen, deren Schicksal verknüpft ist mit dem Mord an Drenkmann, stehen im »Zeugenstand«, werden in unser Blickfeld gerückt. Sonja, ein Mitglied der »Bewegung 2. Juni« (Steffi Kühnert), die Witwe des Kammergerichtspräsidenten (Christine Schorn), der Berliner CDU-Vorsitzende Peter Lorenz (Michael Prelle), dessen Fahrer (Axel Prahl), eine Hausfrau (Margit Bendokat). Der gescheiterten Entführung Drenkmanns, die den Austausch von fünf Gefangenen zum Ziele hatte, folgt die Entführung des CDU-Politikers. Tatsächlich werden die Gefangenen nun in den Südjemen ausgeflogen, Lorenz kommt frei – wie man weiß. Warum bringt Dresen die Geschichte heute auf die Bühne? Irritierend edel wirkt die Szene (Bühne: Mathias Fischer-Dieskau). Vor grauem Hintergrund schwarzes Gestühl, links, hoch oben, unerreichbar ein Feuerlöscher. Film, schwarz-weiß, überflutet zwischen den Auftritten die Szene: Schutzmänner, Demonstranten, prügelnde Gewalt. In der ersten Episode denkt Sonja auf rührende Weise zurück an die naiven, schwierigen Anfänge der Geldbeschaffung, des Umganges mit Waffen, der Verkleidungen, an die Schwierigkeit, Fluchtautos zu knacken. Die Komik dieser Vorgänge läßt beinahe deren Gefährlichkeit vergessen. Zwischen den Monologen, manchmal sie begleitend, bemerkenswerte Life-Musik von Rainer Böhm, gespielt von Hermann Anders (Posaune), Martin Fonfara (Marimbaphon) und Jan Stolterfoth (Gitarre). In der zweiten Episode begegnen wir der Witwe Drenkmann. Christine Schorn gelingt es, den dokumentarischen Text zu verwandeln. Sie läßt aus dem authentischen Material eine Kunstfigur erstehen. Sie zelebriert die Worte, ist ironisch, distanziert. Aus absoluter Ruhe heraus, mit quälenden Pausen, schafft sie eine unheimliche Spannung, erzeugt eine Explosion der Stille. Das ist großartig und müßte beispielhaft sein für alle Darsteller. Wird es aber nicht. Die Monologe sind professionell gearbeitet, aber zum künstlerischen Ereignis werden sie nicht. Die Figuren bleiben eindimensional, kommen uns nicht nahe. »Macht kaputt, was euch kaputt macht«, wird gesungen, und Sonjas Schlußmonolog appelliert nach einigen Umwegen über Ulrike Meinhofs Schicksal, die Isolierhaft und den Vietnamkrieg ans Publikum, daß »die Revolution gescheitert ist, wenn wir die Letzten waren, die den Aufstand gewagt haben«. Soll das Publikum fortsetzen, was die RAF angefangen hat? Das Licht wird lichtblau, hoffnungsblau. Sollen wir zwecks gesellschaftlicher Erneuerung auf eine Neuauflage von Mord und Totschlag hoffen? Uns dazu ermutigen lassen? Nein, danke. Mein Fazit: Der historische Stoff ist nicht umgesetzt worden, zielt nicht in unsere Gegenwart. Dresens Reflexion über die Macht und den Aufstand gegen die Mächtigen bleibt matt. Schwach auch seine Skizzierung der Schwachen. Stück und Inszenierung motivieren nicht, mit ihm ins Gespräch zu kommen. * Im Berliner Ensemble gab es Ionesco und Handke im Doppelpack: »Die kahle Sängerin« und »Quodlibet«. Ionesco hätte uns zeigen können, wie erschreckend (wir) Menschen sind, und bei Handke wären anschließend die Folgen nicht begriffenen Menschseins zu erleben gewesen. Wir hätten Wesentliches über uns erfahren können, wenn Philip Tiedemanns Regie es erkannt und umgesetzt hätte. Doch nichts davon geschah. »Der Wahnsinn der Wörter« (Titel des Programmhefts) verkam durch den Unsinn der Interpretation. Es wurde vom Blatt gespielt, aber als sinnentleertes Gelalle, kunstlos vorgetragen, ohne Haltung zum Inhalt der Texte. Im Publikum saßen offenbar größtenteils Smiths und Martins (Hauptfiguren bei Ionesco), Leute, die sich als die Kulturcreme verstehen. Sie applaudierten sich zu. Von unten nach oben, und umgekehrt, stärkte man sich gegenseitig, auf daß der Kreislauf des Wohlfühlgefühls und des belanglosen Amüsements nie durchbrochen werde. Das ist ein Jammer, denn beide Autoren hatten und haben konkrete Mitteilungen zur gesellschaftlichen Situation zu machen. Auf sehr eigene, skurrile Weise, bühnengerecht auch, kunstvoll eben. Die Texte wurden vorgeführt, jedoch nicht transparent gemacht. Dazu bedürfte es eben einer Haltung des Spielleiters. Die »Darstellung des Ungewöhnlichen« (Ionesco) hätte eine Beunruhigung des Gewöhnlichen auslösen sollen. Ähnlich war Handkes Absicht. An diesem Abend im BE hat mich lediglich »beunruhigt«, daß beim häufigen Blick auf die Uhr die Zeit sich quälend ausdehnte.
Erschienen in Ossietzky 14/2002 |
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