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Zugegeben, die Berichte über Sicherheitsmaßnahmen der Royal Mounted Police, vermittelst derer die acht Herren der Welt vor blutdurstigen Grizzly-Bären und Globalisierungsgegnern geschützt wurden, hielten vom Nachrichtenwert her einen Vergleich mit den Polizeischlachtgemälden von Genua wohl kaum stand; fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit wurde bei der Konferenz jedoch ein Rekord aufgestellt, der zumindest Spanier und US-Amerikaner vollauf für die erlittenen herben Niederlagen bei der Fußball-Weh-Emm entschädigen dürfte. Seriösen spanischen Zeitungsmeldungen zufolge hat nämlich Schorsch Dabbeljuh in Kananaskis während weltpolitisch bedeutsamer Konsultationen mit dem spanischen Ministerpräsidenten José Maria Aznar seinem Gesprächspartner – themenangemessen die Füße auf dem Tisch – erklärt, er, Schorsch, schaffe beim Jogging vier Kilometer in 6:45 Minuten. Diese Leistung, so kann man anhand einer einfachen Dreisatz-Gleichung leicht nachrechnen, entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 35.56 km/h; in verkehrsberuhigten Wohngebiete müßte Mr. President also mit Strafmandaten rechnen. Aznar (E) zeigte sich von der Machtdemonstration jedoch völlig unbeeindruckt, legte – wohl als Beweis – seine Füße ebenfalls auf den Tisch und erklärte stolz wie nur ein Spanier, seine Bestzeit sei sogar noch etwas niedriger, nämlich zehn Kilometer in 5:20 Minuten. Gleich Tempo 112,5. Der bisherige Weltrekord für zehntausend Meter liegt irgendwo bei 26 Minuten, entsprechend 23 km/h. Leider ist die genaue Dauer der weltsportpolitischen Unterredung nicht überliefert; sonst könnte man gemessen an den Gesamtkosten des G 8-Gipfels leicht ausrechnen, welche Millionensummen Steuerzahler für den o.a. tiefschürfenden Gedankenaustausch erarbeiten mußten. Sportförderung eben. Dafür werden Schorsch und José nun wohl bei den nächsten Olympischen Spielen starten. Oder anders: Wenn die Herren solche Geschwindigkeiten per pedes erreichen, wozu führen sie dann Kriege ums Erdöl? Ganz im Ernst: Ist es abwegig anzunehmen, daß acht erwachsene Politiker, die zusammengekommen sind, über das Schicksal der Menschheit zu beraten, auch bei anderen Problemen ohne jede Sachkenntnis schlicht auf dem Niveau bramarbasierender Schulbuben reden? Tony, Gerd, Silvio und die anderen trainieren wohl schon. Und die Jogging-Bemühungen, denen sich unser aller Spitzenrenner Joschka, seiner Zeit voraus, schon länger unterzieht, erscheinen jetzt in einem ganz anderen Licht. Betrachtet man die sonstigen Tätigkeiten unserer Regierenden, gewinnt auch die Vokabel Sports-Kanonen an innerer Logik. * Menschlich-allzumenschlich auch das nachfolgende gutösterreichische Gusto-Stückerl. In der steiermärkischen Metropole Graz will die FPÖ des einfachen Parteimitglieds Jörgl Haider – Parteifarbe: blau – jetzt auf eigene Faust für Recht & Ordnung sorgen. Zu diesem Behufe gründete sie dort unlängst eine parteiergebene uniformierte Bürgerwehr – die sei notwendig geworden, weil der Staat seine Polizei so kurz halte, daß sich niemand mehr auf der Straße sicher fühlen könne. (Wobei die Haiderpartei kühn die Tatsache ignorierte, daß sie selber maßgeblich an der Regierung beteiligt ist, der Österreichs innere Sicherheit und die Verbrechensbekämpfung im Lande obliegt.) Wer argwöhnt, hier handele es sich um eine Neuauflage der Starhembergschen Heimwehr des österreichischen Ständestaates oder gar um eine Partei-Bürgerkriegstruppe nach Art der Falange oder gar der SA und SS, liegt absolut falsch: Die FPÖ-Bürgerwehr ist ein eingetragener Verein namens »Bürger für Schutz und Sicherheit«, dessen Aufgabe darin bestehen soll, Hilfsdienste für die Polizei wahrzunehmen. Letztere hat zwar keinesfalls darum gebeten und steht der selbsternannten Hilfspolizei eher ablehnend gegenüber. Das ficht den blauen Sicherheits-Dienst jedoch wenig an: Haiders Bürger-Schutz-Staffel sieht sich aufgerufen, »Betrunkene in Parks« zur Ordnung zu rufen, »alkoholisierte Radfahrer« zu stellen und »Drogendealer vor den Schulen« zur Anzeige zu bringen. Auch als Schüler eines von den FPÖ-Ordnungskräften als besonders gefährdet bezeichneten Gymnasiums wie auch deren Lehrer und Eltern dem Österreichischen Rundfunk gegenüber übereinstimmend erklärten, von Rauschgifthändlern sei vor der Schule weit und breit nichts zu sehen, patrouillierten die uniformierten Blautrüppler demonstrativ am Portal – denn: Es habe »Hilfsersuchen« verängstigter Eltern gegeben, die man jedoch – leider, leider – nicht namhaft machen könne. So geht es halt. Warum zur Beobachtung alkoholisierter Radfahrer eine Uniform vonnöten sei, bleibt vermutlich ebenso das Geheimnis der Haidermannen. Für den Posten des Kommandierenden erschien ihnen sogar ein leibhaftiger, an das Befehlen gewohnter Militär angemessen, ein Offizier des Bundesheeres, in Personalunion passenderweise Grazer FPÖ-Gemeinderat. Der hätte nun eigentlich die Gewähr dafür bieten können, daß es richtig schön stramm losgegangen wäre gegen betrunkene Radfahrer, Parkschänder oder gegen Dealer. (Und langfristig gesehen muß wohl auch noch auf die in deutschnationalen Kreisen weitverbreitete Aussicht hingewiesen werden, derzufolge ein mieser verbohrter Roter eigentlich fast schon schlimmer ist als ein Drogenmafioso, geschweige denn als ein Trunkenbold in den Grünanlagen oder ein angesäuselter Velozipedist.) Leider hat inzwischen der menschlich-allzumenschliche Faktor den Vormarsch der Partei-Sheriffs ein wenig verlangsamt. Ihr frischgebackener Obmann, der Bundesheeroffizier und Gemeinderat, war unlängst von der dreifachen Amtsbelastung so genervt, daß er nach dem Kasernendienst bei einer feuchtfröhlichen Lagebesprechung mit Kameraden im Kasino Entspannung suchte. Es kam, wie es kommen mußte: Auf dem Heimweg mit dem Kraftfahrzeug begegnete der blaue Held einer verantwortungslosen Polizeistreife, die statt besoffene Radfahrer, schwankende Spaziergänger im Park oder abwesende Dealer zu stellen, sich unverständlicherweise einen Sport daraus machte, harmlose, ein wenig beschwingte Autolenker auf dem Heimweg zu belästigen. Natürlich hat der Obersheriff das respektlose Ansinnen der Beamten, sich auf möglichen Alkoholkonsum hin kontrollieren zu lassen, als Ehrenmann brüsk abgelehnt und wird darum jetzt nach österreichischem Recht als »Blauer am Lenker« betrachtet. Wohl aus Protest gegen dieses polizeiliche Fehlverhalten hat er sein Ratsmandat zurückgelegt, die schöne Befehlshaber-Uniform des Vereins ausgezogen und sogar seinen Führerschein abgegeben. Alles möglicherweise nicht ganz freiwillig, aber immerhin. Ach, wäre er doch mit dem Radl gefahren! Von der »Kameradschaft 4«, einer im Ruche des Rechtsextremismus stehenden Bruderschaft, hat er sich dagegen wohl nicht trennen können. Ihre Ehre ist schließlich die Treue. – Um die blaue Bürgerwehr aber ist es ein wenig stiller geworden. Bedauerlicherweise. Denn aufgelöst worden ist der martialische Partei-Verein leider bisher nicht. * Mitglied derselben Partei ist Ewald Stadler, seines Zeichens österreichischer Volksanwalt. Er bekleidet an der schönen blauen Donau dieses hohe, dem des skandinavischen Ombudsmannes vergleichbare Amt tatsächlich nicht wie die Grazer FPÖ-Kämpen aufgrund eigener Berufung, sondern nach Gesetz ganz offiziell – manchmal allerdings auch mit der ihm wichtigen Burschenschaftsmütze und dem Couleurband. Anfang Juli ist er unter die Historiker gegangen und hat öffentlich erkannt, Österreich sei 1945 nur »angeblich von Faschismus und Tyrannei befreit worden«. Außerdem wolle er sich nicht festlegen, ob Nazi- oder Besatzungszeit schlimmer gewesen sei. Empörung und Rücktrittsforderungen aus allen politischen Lagern konterte der auf-rechte Parteigenosse mit der unumgänglichen Feststellung, natürlich habe er niemanden verhöhnen wollen, aber man müsse doch noch denken und seine Meinung sagen können, ohne gleich auf das »Medienschafott« geschleift zu werden. Verblüffend, wie leicht dem Volksanwalt die Vokabel »Schafott« vom Munde ging, denn beim Volksgerichtshof war es nach seiner Meinung wohl doch immer nur ein »angebliches Schafott«. * Im Fernsehen war unlängst zu sehen, daß es im US-amerikanischen Kriegsgefangenenlager in Guantanamo – ja, die Käfige stehen noch, aber man redet nicht mehr davon – gar nicht so schlimm ist mit den Menschenrechtsverstößen. Da wurde ein Gefangener auf eine Tragbahre gefesselt laut Kommentar zum Verhör gekarrt. Welch humanitärer Fortschritt! Auf der Tragbahre jetzt sogar schon hin. Früher kam man von dort nur so zurück.
Erschienen in Ossietzky 14/2002 |
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