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Nach dem hinreißenden Gastspiel des Münchener Residenztheaters (Strindbergs »Der Vater«) brachte nun das Théàtre Vidy-Lausanne »Le cercle de craie caucasien«, Brechts »Kaukasischen Kreidekreis« in der Übersetzung und Inszenierung von Benno Besson, dem fast Achtzigjährigen, dessen europäische Laufbahn einst hier am Schiffbauerdamm begonnen hatte und ihn in Berlin ans Deutsche Theater und an die Volksbühne, dann nach Paris und Genf und nun von Lausanne aus wieder auf die Bretter des BE führte. Derart in Reminiszenzen versponnen, darf man an Brechts eigene Inszenierung des Stückes von 1954 erinnern, die sicher eine der höchstvollendeten Inszenierungen des Berliner Ensembles überhaupt war und eine der schönsten, die ich überhaupt je gesehen. Nun also Theater mit Brecht aus Lausanne in einem Haus, das sich Brecht entfremdet hat. Wie würde Brechts Text in Französisch klingen? Ich hörte ihn schon in Englisch, Italienisch, Polnisch, Russisch, ja Georgisch (mit georgischer Musik). Nun, er klang melodisch. Die Sprache beeinflußte das Tempo, und so war das Spiel darauf abgestellt: schnell, leicht, heiter. Das entsprach Brechts Theaterästhetik und Praxis. Ezio Toffolutti hatte einen szenischen Raum mit beweglichen Transportablen und Versatzstücken gebaut, in dem die Darsteller sich voll entfalten konnten. Sie spielten, daß es eine Lust war. Und gestisch so genau, wie man es auf Berliner Bühnen und auch bei jenem Theatertreffen immer seltener erlebt. Einige Schauspieler seien namentlich erwähnt: Coline Serreau als Grusche, Gilles Privat als Azdak, Gouverneur u.a., Mathieu Delmonté als Simon und ein Panzerreiter, Zoé Lebreton als Natella Abaschwili und ebenfalls in weiteren Rollen. Das Ensemble als Ganzes war vorzüglich, ein wirkliches Ensemble, jedenfalls in dieser Inszenierung. Wie sinnreich und zugleich gekonnt hier gespielt wurde, sei nur an einem Detail erläutert: wie Azdak aus dem Sturz, von unten also, in die Richterrobe schlüpft und dann auf den Richterstuhl! Da werden Verhältnisse, Machtverhältnisse gezeigt! Der Richterstuhl war übrigens hervorragend gearbeitet, ließ sich gut tragen (diese Richter richteten wandernd!) wie alle andern handlungswichtigen Möbel auch – schnell, leicht, heiter. Was war nun anders, als vor Zeiten gewöhnt, besonders in diesem Hause, welches auch in den siebziger Jahren noch einen »Kreidekreis« herausgebracht hatte (mit Schall als Azdak)? Zunächst trat Besson vor den Vorhang, wies auf seine Inszenierung des Stückes von 1978 hin, die er streng in Brechts Methodik gemacht habe, und auf die Unterschiede zur jetzigen. Die Verhältnisse sind anders (kein Sozialismus mehr), und so mußte der Prolog entfallen, worin zwei Kolchosen über Nutzung von Land streiten und sich nicht einigen können. Der Sänger erzählt eine Geschichte, die des Kreidekreises, die vorgespielt und deren Essenz auf die berühmten Sätze gebracht wird: »Daß da gehören soll, was da ist, denen, die für es gut sind, also / die Kinder den Mütterlichen, damit sie gedeihen / Die Wagen den guten Fahrern, damit gut gefahren wird / Und das Tal den Bewässerern, damit es Frucht bringt.« In der Tat fehlte dieser Prolog, und es war nicht mal schmerzlich. Besson meinte auch, daß im Zeitalter eines explodierenden globalistischen Kapitalismus und sozialer Gefährdungen ohnegleichen das Stück seine Gültigkeit behalten habe und erkennbar sei. So war es. Möglicherweise aus gleichem Grund spielte der Sänger Arkadi Tscheidse, der die Handlung aus dem Kolchos ins Spiel überführt und begleitet, nur eine kleine Rolle. Seine Passagen sind auf zwei dreiköpfige Chöre verteilt, deren Sprechpräzision man sich bei Chören in der antiken Tragödie wünschte. Ungewohnt waren die Stoffmasken. Zwar liebte und verwandte auch Brecht Masken, aber anders. Dennoch waren sie uns – dem Berliner Publikum – nicht fremd. Eben durch Besson, der die gleiche Art Anfang der siebziger Jahre im »Guten Menschen von Sezuan« angewandt hatte. Nur wirkte das alles damals gröber, weniger gelungen, mit der Ästhetik nicht verbunden. Diesmal hatte es Sinn und Funktion – perfekt, artifiziell, elegant (trotz aller Lumpen, selbst die waren artifiziell). Die Masken dienten der Verfremdung, der Herstellung von Künstlichkeit. Keinen Augenblick durfte vergessen werden, daß hier Kunst gemacht ward. Und die in Vollendung. Die Anekdote, die Besson am Anfang erzählte, stehe am Ende und sei bewahrt: Als das Berliner Ensemble 1954 ins Haus am Schiffbauerdamm eingezogen war und eröffnet werden sollte, störte Brecht ein Adler (leider war der schöne stolze Vogel fast immer Zeichen imperialer Macht) an der linken Loge im ersten Rang. Er verlangte, daß man ihn überpinsele, und zwar rot. Dies geschah. Jetzt ist er wieder frisch überpinselt, wieder rot. Damit war Besson zufrieden. Viel Beifall – am Anfang und noch mehr am Ende.
Erschienen in Ossietzky 13/2002 |
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